Doku-Tipp: Der NSU-Komplex

Es war vor zehn Jahren, am 4. Novem­ber 2011, als sich das Ter­ror­trio des NSU selb­st ent­tarnte. Erst­mal in Eise­nach, wo sich Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt in einem Wohn­mo­bil suizi­dierten und dann in Zwick­au, wo Beate Zschäpe die eigene Woh­nung in die Luft jagte, flüchtete und sich dann am 8. Novem­ber selb­st den Behör­den stellte. Die noch immer nicht been­dete Aufar­beitung des „NSU-Kom­plex­es“ hat ein Totalver­sagen der Sicher­heits­be­hör­den zutage gefördert, das die Debat­te bis heute dominiert. 2016 haben Ste­fan Aust und Dirk Laabs die – let­ztlich erfol­glose – Jagd auf das Mordtrio rekonstruiert.

4. Novem­ber 2011, Eise­nach in Thürin­gen: Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt ver­bren­nen in einem Wohn­mo­bil. Das Ende zweier Ter­rorkar­ri­eren. 16 Jahre lang waren ihre Namen auch dem Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz ein Begriff. Die jun­gen Neon­azis wur­den zeitweise observiert, abge­hört, ver­fol­gt. Infor­man­ten berichteten immer wieder über sie. Trotz­dem kon­nten die bei­den abtauchen, unter­stützt und aufge­fan­gen von einem Netz von Freunden.

Böhn­hardt und Mund­los wur­den mut­maßlich Ter­ror­is­ten, erschossen Men­schen, legten Bomben, bekan­nten sich jedoch nie zu den Tat­en. Erst nach ihrem Tod taucht ein Film auf, in dem sich eine Gruppe namens „Nation­al­sozial­is­tis­ch­er Unter­grund” (NSU) mit zehn Mor­den brüstet, für die Böhn­hardt und Mund­los ver­ant­wortlich sein sollen. Zunächst scheint es, dass mit ihrem Tod ein­er der mys­ter­iösen Krim­i­nalfälle der bun­des­deutschen Geschichte aufgek­lärt ist. Doch je länger die Ermit­tlun­gen dauern, desto merk­würdi­ger wird der Fall.

Obwohl die ver­schiede­nen Ver­fas­sungss­chutzbe­hör­den diverse V‑Männer in unmit­tel­bar­er Nähe der unter­ge­taucht­en Neon­azis im Ein­satz hat­ten, gelang es nicht, die Morde zu ver­hin­dern. Doch nicht nur die Inlands­ge­heim­di­en­ste waren auf der Spur der Recht­ster­ror­is­ten – auch die Son­derkom­mis­sion, die sich über Jahre um eine Serie von Mor­den an Klei­n­un­ternehmern mit Migra­tionsh­in­ter­grund küm­merte, kam zum Ende ihrer Ermit­tlun­gen Mund­los und Böhn­hardt immer näher. Der entschei­dende Schlag gelang jedoch nicht.

„Der NSU-Kom­plex” rekon­stru­iert diese beispiel­lose Jagd und stellt gle­ichzeit­ig die Fra­gen: Was trieb Uwe Böhn­hardt, Uwe Mund­los und ihre Fre­unde an? Wer unter­stütze die bei­den? Wer half ihnen bei den Tat­en und dem Leben im Unter­grund? Die Ermit­tlun­gen der Polizei und die Überwachung der Szene – und damit des Umfeldes der Täter – sind der rote Faden, an dem die Geschichte ent­lang erzählt wird. Es ist eine Geschichte über die Entste­hung und Entwick­lung der mil­i­tan­ten recht­en Szene nach der Wiedervere­ini­gung in Deutsch­land und der am Ende hil­flosen und riskan­ten Ver­suche staatlich­er Behör­den, mit ihr fer­tig zu werden. (…)
Der Film lässt Ermit­tler, Szene-Mit­glieder und Insid­er zu Wort kom­men, Doku­mente und interne Ermit­tlungsergeb­nisse wer­den erst­mals präsen­tiert. Wider­sprüch­liche Ermit­tlungsergeb­nisse oder offene Fra­gen wer­den als solche benan­nt und thematisiert.
Ste­fan Aust und Dirk Laabs sind die Autoren von „Heimatschutz – Der Staat und die Mord­serie des NSU”. Sie recher­chieren den NSU-Kom­plex seit mehr als vier Jahren und wur­den als Gutachter in ver­schiede­nen par­la­men­tarischen Unter­suchungsauss­chüssen gehört. (mdr.de)

Der NSU-Kom­plex (D 2016, 1h30’)
Regie: Ste­fan Aust/Dirk Laabs