Am Höhepunkt der Krise in der FPÖ Graz versuchte sich die steirische Landespartei mit einer Entlastungsoffensive: „FPÖ fordert Aufklärung“, titelte das bläulich-identitäre Verlautbarungsorgan „Tagesstimme“. Gemeint war damit aber die „Operation Luxor“, die teilweise rechtswidrige Polizeioperation gegen die Muslimbruderschaft. Die Aufklärung des Grazer FPÖ-Spesen- und Finanzskandals muss noch warten – wenn sie überhaupt kommt. Es gibt nämlich einige bemerkenswerte Vorgänge.
Nach der Selbstanzeige von Eder wiederholte Mario Kunasek für die Landes-FPÖ, dass „eine große Wiener Wirtschaftsprüfungskanzlei“ (Kleine Zeitung, 9.11.21) die Finanzen der Grazer FPÖ prüfen würde. Von einer blau angehauchten Kanzlei, war unsere erste Befürchtung. Aber egal, solange die Kanzlei nur die Finanzen des Rathausklubs prüfen kann, wird ohnehin nicht viel rauskommen, war dann unsere zweite Vermutung.
Suche nach dem „Maulwurf“
Die FPÖ machte sich zunächst einmal auf die Suche nach dem „Maulwurf“, der undichten Stelle, über die die Unterlagen aus der Buchhaltung des Grazer FPÖ-Rathausklubs verschickt wurden. Am 10.11., also einen Tag nach der von Kunasek angekündigten Finanzüberprüfung, meldete die „Kleine Zeitung“, dass ein FPÖ-Rechnungsprüfer „überprüft“ worden sei. „Datenspuren“ würden den Mann als „undichte Stelle“ ausweisen. Man unterzog ihn daher in einer Krisensitzung am 9. November einer ziemlich intensiven Befragung, in der der gute Mann schließlich zusichern musste, Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen.
Das ist aber noch nicht der Höhepunkt der freiheitlich-steirischen Aufklärungsoffensive. Gegenüber kritischen Redakteuren der „Kleinen Zeitung“, die unter anderem wissen wollten, wie man gänzlich unbemerkt eine halbe Million Euro abzweigen kann, versicherte der steirische Landesobmann Kunasek treuherzig, dass sich diese Frage viele in der Partei und auch er stellen würden, um sie dann mit diesem erhellenden Satz abzuschließen: „Die Klärung ist jetzt Sache der Justiz – mit voller Kooperation der Partei und auch der Betroffenen.“ (Kleine Zeitung, 13.11.21)
Wie bitte? Sache der Justiz ist die Klärung nach der „tätigen Reue“ vermutlich nicht mehr. Bleiben noch die Partei und die Betroffenen, deren Interesse es jedoch kaum sein wird, sich strafrechtlich zu belasten. Was in dem Interview fehlt, ist ein Hinweis von Kunasek auf die Überprüfung durch die „große Wiener Wirtschaftsprüfungskanzlei“. Gibt’s die noch, wann wird sie ihre Ergebnisse abliefern, wird die FPÖ die Ergebnisse veröffentlichen?
Keine Antwort
Da blieben noch einige Fragen, nicht nur an Kunasek. Wir haben an den Whistleblower, dessen Buchhaltungsunterlagen über den FPÖ-Rathausklub auch wir erhalten haben, einige Nachfragen gerichtet – jedoch erfolglos. Das ist insofern nicht überraschend, weil wir auch von den seltsamen Vereinen, an die laut Buchhaltung erhebliche Beträge vom FPÖ-Rathausklub überwiesen wurde, keine Antwort kam. Leser*innen haben uns zuvor aufmerksam gemacht, dass der Hausverein Marburg und der Grazer Schüler- und Studentenunterstützungsverein (GSSV) im Vereinsregister zu finden sind. Daher haben wir die Obleute dieser beiden Vereine via Mail kontaktiert und sie zu den Geldern aus der FPÖ befragt. Auch von dort kam keine Antwort.
Fleißiger Burschenschafter?
Das beunruhigt dann doch einigermaßen. Denn wenn Matthias Eder diese Gelder selbst eingesackt hätte, dann wäre es für die angeschriebenen Vereinsobleute ein Leichtes, die Überweisungen zu dementieren. Haben sie aber nicht gemacht, sondern sich ganz still verhalten. Nur zur Erinnerung: Die beiden angeschriebenen Vereine haben ebenso wie der Akademische Hausverein Steiermark jeweils 20.000 Euro, also insgesamt 60.000 Euro vom FPÖ-Rathausklub erhalten.
Den akademischen Hausverein Steiermark haben wir nicht kontaktiert, denn dort ist Matthias Eder seit 2016 Obmann. Es ist wohl auch kein Zufall, dass der Hausverein sein Haus dort hat, wo auch die akademische Burschenschaft Stiria zuhause ist und Matthias Eder etliche Jahre stellvertretender Obmann des Altherrenverbandes der Stiria.
Aber der fleißige Finanzreferent und Burschenschafter Eder beehrte auch noch andere Vereine oder sich selbst mit Förderungen: Im steirischen Verlagsverein, der sich im Oktober 2021 nach den ersten Enthüllungen schon selbst aufgelöst hat, war Eder zwischen 2017 und 2021 Obmann. Da wird man nach der Selbstauflösung nicht mehr viel finden – außer einige Aschepartikel vielleicht.
Eder war aber auch zwischen 2015 und 2019 Obmann im Verein zur Förderung fortschrittlicher Gemeindepolitik, der wie der Verlagsverein vom FPÖ-Gemeinderatsklub ebenfalls üppig gefördert wurde.
Auch zum Hausverein Studierender Marburg/Drau, der nicht in Marburg/Drau, sondern an der Adresse der pennalen Korporation Burschenschaft Allemannia Graz et Nibelungia beheimatet ist, hat Matthias Eder einen Kontakt: Er war bei den Pennälern zwischen 2015 und 2021 stellvertretender Kassier.
Beim GSSV, an den ebenfalls 20.000 Euro gegangen sein sollen, scheint Eder nicht als Funktionär auf. Aber warum der GSSV, der an einer Adresse residiert, wo früher die akademische Burschenschaft Marko-Germania mit dem Obmann Armin Sippel (2015–2019) beheimatet war, nicht antworten will, ist uns ein Rätsel.
Hat Matthias Eder nun in die eigene Tasche gewirtschaftet, oder haben doch die Vereine, die in der Buchhaltung des Gemeinderatsklubs mit üppigen Förderbeträgen aufscheinen, die Gelder erhalten? Warum schweigen sie? Schwamm drüber? Es gilt die Unschuldsvermutung und bleibt spannend.
- Hausverein Studierender Marburg/Drau, stellv. Kassier 2015–2021 Matthias Eder = Adresse Burschenschaft Allemannia Graz et Nibelungia, Mitglieder Mario Eustacchio und Matthias Eder
- Grazer Schüler- und Studentenunterstützungsverein (GSSV) = alte Adresse der Burschenschaft Marko-Germania,Obmann 2015–2019 Armin Sippel
- Akademischer Hausverein Steiermark, Obmann Matthias Eder = Adresse Akademische Burschenschaft Stiria, Mitglieder Mario Eustacchio und Matthias Eder
- Steirischer Verlagsverein (aufgelöst Okt. 2021), Obmann 2017–2021 Matthias Eder; 2012–2020 war Armin Sippel Angestellter
- Verein zur Förderung fortschrittlicher Gemeindepolitik: Obmann 2015–2019 Matthias Eder
P:S.: Matthias Eder war zwischen 2010 und 2014 Kassier des Vereins „zur Durchführung eines bewusstseinserweiternden und unterhaltsamen Radioprogramms“ in Graz. Hat der blaue Grazer Rathausklub auch diesen Verein gefördert?
➡️ FPÖ Graz (Teil 1): Sippel und sein seltsamer Verlagsverein
➡️ FPÖ Graz (Teil 2): Die unbekannten blauen Vereine
➡️ FPÖ Graz (Teil 4): Tote, Sucht & Forschungen?
➡️ Sippel & Eustacchio: So viel Brutalität!