Bereits 2023 kam es zu Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Sommerlager des Österreichischen Turnerbunds. Auf dem Gelände am Kärntner Turnersee wurde ein Zettel gefunden, auf dem mehrere nationalsozialistische Begriffe definiert waren. Zeug*innen berichteten zudem, dass Camp-Teilnehmer völkische Lieder sangen und körperliche Bestrafungen durch die Vorturner beobachtet wurden. Die Ermittlungen wurden jedoch ergebnislos eingestellt.
Einschlägige Vorturner
Einer der diesjährigen Vorturner war Gerfrid Schmidt, der bereits 2021 ein Bild aus dem ÖTB-Bundesknabenlager gepostet hatte, auf dem er ein Shirt mit stilisiertem Hakenkreuz trug. Schmidt ist Mitglied der akademischen Burschenschaft Leder Leoben sowie der pennalen Burschenschaft Florian Geyer Vöcklabruck und bewegt sich regelmäßig im identitären Umfeld. Er nahm in den letzten Jahren immer wieder an rechtsextremen Demonstrationen teil, zuletzt am 20. Juli in Wien. Seine Schwester Gerit war als Betreuerin des Kinderlagers tätig, und 2021 war auch sein Bruder Gernot, ein Kader der Identitären, als Vorturner am Turnersee aktiv.
Auch der WATV, eine ÖTB-Verbindung im Wiener Korporations Ring (WKR), war mit mehreren Vorturnern vertreten: Die Leitung des Bundesjugendlagers hatte Hartwig Kautz inne. Kautz ist regelmäßiger Teilnehmer an den wöchentlichen Aufmärschen rechter Burschenschafter auf der Rampe der Uni Wien (WKR-Bummel) und bewegt sich im Umfeld der Identitären-Tarnorganisation „Aktion451“. Ein weiterer Vorturner, der Burschenschafter Gerwin Kowarik (pennale Burschenschaft Vandalia Wien), trat ebenfalls mehrfach im Rahmen der „Aktion451“ auf. Bei der Kundgebung vor der Uni Wien mit dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek im November 2023 war er für die Megafon-Durchsagen der Demoparolen zuständig. Gernot Kroat, Leiter des Knabenlagers, nahm ebenfalls bereits an den WKR-Bummeln teil.
Soldatentod und Nazi-Runen
Neben sportlichen Aktivitäten sind auch Gesangs- und Tanzeinheiten fester Bestandteil der Turnerbund-Lager. Getanzt wird dabei meistens in Tracht, gesungen werden Volks- und Wanderlieder. Dass sich darunter auch problematische Lieder befinden, zeigt ein Video des Kinderlagers. Darin singen die Teilnehmer*innen das Lied „Hurra, nun zieht unsre Schar“, in dem der Soldatentod glorifiziert wird. Im Text heißt es unter anderem:
Viel Burschen liegen im Sande des Balkan
drüben am fernen Donaustrand.
Stirbt unser Leib, unser Geist bleibt bestehen,
erben soll ihn unser teures Vaterland.
Auf den T‑Shirts des Kinderlagers, das offenbar unter dem Motto „Wikinger“ stand, ist neben dem Schriftzug „BUKILA2024“ das nordische Runenalphabet zu sehen. Einige dieser Runen wurden von verschiedenen NS-Institutionen sowie neonazistischen und anderen rechtsextremen Gruppierungen genutzt. Ob die Auswahl dieses Motivs wirklich nur wegen des Lagermottos erfolgte, ist fraglich. Verstörend ist, dass die Leitung des Kinderlagers eine Polizistin war, die sich dieser Doppeldeutigkeit bewusst sein sollte.
Orientierungsmärsche und Wehrsport
Neben herkömmlichen Sportarten wie Volleyball, Bogenschießen und Turnen standen auch Geländespiele und Orientierungsmärsche auf dem Programm. Insbesondere beim Knabenlager war ein beinahe paramilitärischer Einschlag zu erkennen: Viele Teilnehmer trugen grüne Kleidung, teilweise in Tarnfarben. Begriffe wie „Spähtrupp“ und „Endschlacht“ fielen, und auf mehreren via Instagram geposteten Bildern ist zu sehen, wie die Kinder mit Luftdruckgewehren auf simulierte Feinde mit menschenähnlichen Masken schossen (was mit dem Motto „Steinzeit“ wohl kaum in Bezug zu bringen ist). Zudem mussten sie „feindliche Stellungen“ mit „Wurfgeschossen“ angreifen. Auf einer Landkarte ist ein Nordungspfeil zu sehen, der an eine Wolfsangel erinnert. Einige der Wimpel, die die Lagerteilnehmer selbst gebastelt und bemalt hatten, sind in den Deutschland-Farben Schwarz-Rot-Gold gehalten.
Kurzum: Es entsteht der Eindruck, dass Kinder ab acht Jahren durch eine Kombination aus rechtsextremen Vorturnern, spielerisch verpacktem paramilitärischen Drill und völkischer Traditionspflege indoktriniert werden. Staatliche Organe sollten dringend einen Blick auf die Kinder- und Jugendlager des Turnerbunds werfen!
➡️ DÖW: Identitäre Vorturner. Neues von ganz Rechts – Juli 2024