Wer sich auf Spurensuche zu E.H. ins Internet begibt, wird nicht viel finden. Einige rätselhafte Einträge zu einer Ltd.-Gesellschaft, zu einem Sportcafe mit dem beziehungsreichen Titel „Fair Play“, in dem er tätig war, ein Abschleppdienst, seine Rotlichtlokale. Aber keine Hinweise auf seine Beziehungen zu den Neonazis von Objekt 21 oder auf seine Gesinnung. Wer ist E.H.? Ein nicht nur umtriebiger, sondern auch anrüchiger Geschäftsmann, ein „Peitscherlbua“, wie der „Kurier“ (30.6.23) das eine Dorfbewohnerin formulieren lässt? Ist er der Ober-Bandido? Einer, der nichts am Hut hat mit Rechtsextremismus, mit Neonazis?
Erste Hinweise gibt wieder der zitierte „Kurier“-Artikel. Im Dorf wussten die Leute schon, dass E.H. irgendwas mit Waffen zu tun hat. Und mit Rechtsextremismus? „Still an der Bar wird es schlagartig, als man fragt, ob niemand bemerkt hat, was in der Einfahrt des Bauernhofes zu sehen ist: Ein vier Meter großes Sonnenrad. Erkennungszeichen der Nazis. Nicht verdeckt durch einen Zaun.“ (Kurier, 30.6.23)
Wir haben den Bauernhof über Google gefunden. Auch das Sonnenrad, das tatsächlich riesig und nicht zu übersehen ist. In der aktuellen Judikatur handelt es sich beim Sonnenrad (Schwarze Sonne) um ein verbotenes NS-Symbol. Da wird es schon schwierig mit dem Herunterspielen des evident politischen Hintergrundes, wie das ausgerechnet von Auf1 und anderen rechtsextremen Medien versucht wird, wonach die „Systemmedien versuchen kriminelle Aktivitäten zu politisieren“ (Auf1info, 30.6.23).
Der „Kurier“ weiß noch etwas über die Bewohner des Bauernhofs mit dem NS-Symbol: „In dem kleinen Ort im Waldviertel, der bis vor Kurzem noch mehr Waffen, als Einwohner hatte, soll ein Verdächtiger beim Eintreffen der Polizei jedenfalls nur eine Frage gestellt haben: ‚Seids ihr eh keine Juden?‘“ Das alles sagt zwar einiges über den Bauernhof und seine Bewohner*innen, aber nicht unbedingt etwas über E.H. persönlich aus. Gehen wir also etwas zurück in die Vergangenheit.
Vor rund 13 Jahren, als das schwerkriminelle Neonazi-Netzwerk von Objekt 21 noch voll im Saft stand, war E.H. schon dabei. Irgendwie. Als Geschäftspartner von „Speedy“, der im Zug der jüngsten Razzia ebenfalls inhaftiert wurde und damals eine große Firmenhalle in Braunau „ausboanlte“, zerlegte. Ziemlich unsauberes Geschäft vom „Speedy“, aber im Vergleich zu seinen anderen Geschäften mit Schweiß und Arbeit verbunden. E.H. holte das Alteisen bzw. Kupfer ab – gegen Bezahlung. Seine Firma bot auch „Entsorgung“ und „Anhängerverleih“ an. Ob er gewusst hat, dass der eigentliche Besitzer der Halle von den Deals des „Speedy“ nichts gewusst hat? Egal! Kleine Fische im Vergleich zu dem, was da in der polizeilichen Einvernahme eines Mitglieds von „Objekt 21” noch erzählt wurde.
Zunächst erzählt der als Beschuldigter Einvernommene, dass im Objekt 21 „grundsätzlich alle Art Waffen vorhanden“ waren: AK 47 (Kalaschnikow), Glocks (Pistolen), Skorpion-Maschinenpistolen. Damit wurden auch Schießübungen absolviert, teilweise in der Firmenhalle, die der „Speedy“ zerlegen ließ. Die Waffen, die da im Umlauf waren, stammten von E.H., wurden käuflich von ihm erworben. Die Geschäfte liefen über den „Windi“, Jürgen W., also den heimlichen Chef von „Objekt 21”, der damals noch in der Justizvollzugsanstalt Suben seine Haftstrafe wegen NS-Wiederbetätigung („Kampfverband Oberdonau“) abdiente. Im privilegierten Freigang, damit er seine kriminellen Aktivitäten besser organisieren konnte. In Suben lernte er E.H. kennen und als Geschäftspartner schätzen:
E. hat Windi in Suben kennengelernt. Wir hätten alles Mögliche von E. haben können. Bazukkas [gemeint sind Bazookas, Panzerabwehrhandwaffen; Anmk. SdR] um 500 Euro, Glocks zwischen 1600 bis 1800 Euro. Die sind teurer als ein Maschinengewehr. H. bot Handgranaten für 50 Euro/Stk an. Die hätten wir für 100 Euro in Deutschland weiterverkaufen können. (Vernehmungsprotokoll, 12.1.13)
Wolfgang B. von „Objekt 21” deckte sich bei E. gleich mit einer ordentlichen Ladung Waffen ein, erzählt der Beschuldigte weiter: eine AK 47, zwei Faustfeuerwaffen, alles natürlich mit viel Munition – insgesamt um 5.000 Euro.
E. hat zu Windi gesagt, dass er nur noch an ihn verkaufen will, da ihm das ganze schon ein bisschen zu Steil wird. Insgesamt kann man sagen, die Waffengeschäfte sind erst nach der haft des Windi in Suben so richtig losgegangen. E. hat Windi insgesamt sicher 4–5 neuwertige AK 47, 2–3 Glocks und 1 Skorpion Maschinenpistole verkauft. (Fehler im Original)
Wir rekapitulieren: Windi und E.H. lernen sich in Suben kennen, also möglicherweise war zu dem Zeitpunkt auch E.H. Insasse. Die beiden verstehen sich prächtig. H. wird zum Waffendealer der Neonazis von „Objekt 21”, lernt Speedy und einige andere Neonazis des „Objekt 21” kennen. Das alles ist den Ermittlungsbehörden seit damals bekannt.
Ob H. damals auch vor Gericht gestellt wurde? Ob seine Waffensammlung beschlagnahmt und einkassiert wurde? Das wissen wir nicht. Was wir wissen, ist, dass H. über die Jahre hinweg seither immer wieder als Ankäufer von Waffen in Erscheinung getreten ist – auch öffentlich sichtbar – und vermutlich seine Verkaufsräumlichkeiten mit Waffen aller Art weiter angefüllt hat.
Einiges deutet darauf hin, dass H. nicht nur einschlägige Gesinnung, sondern auch Geschäftssinn hat. Warum er über einen so langen Zeitraum weitgehend oder völlig unbehelligt blieb, warum die braune Gesinnung, dokumentiert über das riesige Sonnenrad, nie zu einer strafrechtlichen Verfolgungshandlung geführt hat, sollte uns jemand von den zuständigen Behörden erklären. Warum DSN und Innenministerium zusätzliche Ermittlungsinstrumente einfordern, wenn sie nicht imstande sind, alte Ermittlungsergebnisse auszuwerten, ist auch noch eine offene Frage. Feststeht: Einen Bundestrojaner haben wir für diese Recherchen nicht benötigt.