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Der Waffendealer von Objekt 21

Er ist seit vie­len Jah­ren mit den Neo­na­zis von „Objekt 21” im Geschäft. Haupt­säch­lich mit Waf­fen. E.H. (58) ist ein umtrie­bi­ger Geschäfts­mann. Jetzt, nach vie­len Jah­ren, ist er in Haft. In sei­nen Rot­licht­lo­ka­len und auf sei­nem Bau­ern­hof im Wald­vier­tel fan­den Haus­durch­su­chun­gen statt, bei denen erheb­li­che Waf­fen­men­gen gefun­den wur­den. Und deut­li­che Hin­wei­se auf eine rechts­extre­me Gesinnung. […]

4. Jul 2023

Wer sich auf Spu­ren­su­che zu E.H. ins Inter­net begibt, wird nicht viel fin­den. Eini­ge rät­sel­haf­te Ein­trä­ge zu einer Ltd.-Gesellschaft, zu einem Sport­ca­fe mit dem bezie­hungs­rei­chen Titel „Fair Play“, in dem er tätig war, ein Abschlepp­dienst, sei­ne Rot­licht­lo­ka­le. Aber kei­ne Hin­wei­se auf sei­ne Bezie­hun­gen zu den Neo­na­zis von Objekt 21 oder auf sei­ne Gesin­nung. Wer ist E.H.? Ein nicht nur umtrie­bi­ger, son­dern auch anrü­chi­ger Geschäfts­mann, ein „Peit­scherl­bua“, wie der „Kurier“ (30.6.23) das eine Dorf­be­woh­ne­rin for­mu­lie­ren lässt? Ist er der Ober-Ban­di­do? Einer, der nichts am Hut hat mit Rechts­extre­mis­mus, mit Neonazis?

Ers­te Hin­wei­se gibt wie­der der zitier­te „Kurier“-Artikel. Im Dorf wuss­ten die Leu­te schon, dass E.H. irgend­was mit Waf­fen zu tun hat. Und mit Rechts­extre­mis­mus? „Still an der Bar wird es schlag­ar­tig, als man fragt, ob nie­mand bemerkt hat, was in der Ein­fahrt des Bau­ern­ho­fes zu sehen ist: Ein vier Meter gro­ßes Son­nen­rad. Erken­nungs­zei­chen der Nazis. Nicht ver­deckt durch einen Zaun.“ (Kurier, 30.6.23)

E.H.s Sonnenrad auf Google Maps und Streetview
E.H.s Son­nen­rad (Schwar­ze Son­ne) auf Goog­le Maps und Streetview

Wir haben den Bau­ern­hof über Goog­le gefun­den. Auch das Son­nen­rad, das tat­säch­lich rie­sig und nicht zu über­se­hen ist. In der aktu­el­len Judi­ka­tur han­delt es sich beim Son­nen­rad (Schwar­ze Son­ne) um ein ver­bo­te­nes NS-Sym­bol. Da wird es schon schwie­rig mit dem Her­un­ter­spie­len des evi­dent poli­ti­schen Hin­ter­grun­des, wie das aus­ge­rech­net von Auf1 und ande­ren rechts­extre­men Medi­en ver­sucht wird, wonach die „Sys­tem­me­di­en ver­su­chen kri­mi­nel­le Akti­vi­tä­ten zu poli­ti­sie­ren“ (Auf1info, 30.6.23).

AUF1 zu den Neonazis von O21 und "Bandidos" (Screenshot AUF1)
AUF1 ent­ideo­lo­gi­siert Neo­na­zis von O21 und „Ban­di­dos” (Screen­shot AUF1)

Der „Kurier“ weiß noch etwas über die Bewoh­ner des Bau­ern­hofs mit dem NS-Sym­bol: „In dem klei­nen Ort im Wald­vier­tel, der bis vor Kur­zem noch mehr Waf­fen, als Ein­woh­ner hat­te, soll ein Ver­däch­ti­ger beim Ein­tref­fen der Poli­zei jeden­falls nur eine Fra­ge gestellt haben: ‚Seids ihr eh kei­ne Juden?‘“ Das alles sagt zwar eini­ges über den Bau­ern­hof und sei­ne Bewohner*innen, aber nicht unbe­dingt etwas über E.H. per­sön­lich aus. Gehen wir also etwas zurück in die Vergangenheit.

Vor rund 13 Jah­ren, als das schwer­kri­mi­nel­le Neo­na­zi-Netz­werk von Objekt 21 noch voll im Saft stand, war E.H. schon dabei. Irgend­wie. Als Geschäfts­part­ner von „Spee­dy“, der im Zug der jüngs­ten Raz­zia eben­falls inhaf­tiert wur­de und damals eine gro­ße Fir­men­hal­le in Brau­nau „aus­boanlte“, zer­leg­te. Ziem­lich unsau­be­res Geschäft vom „Spee­dy“, aber im Ver­gleich zu sei­nen ande­ren Geschäf­ten mit Schweiß und Arbeit ver­bun­den. E.H. hol­te das Alt­ei­sen bzw. Kup­fer ab – gegen Bezah­lung. Sei­ne Fir­ma bot auch „Ent­sor­gung“ und „Anhän­ger­ver­leih“ an. Ob er gewusst hat, dass der eigent­li­che Besit­zer der Hal­le von den Deals des „Spee­dy“ nichts gewusst hat? Egal! Klei­ne Fische im Ver­gleich zu dem, was da in der poli­zei­li­chen Ein­ver­nah­me eines Mit­glieds von „Objekt 21” noch erzählt wurde.

Zunächst erzählt der als Beschul­dig­ter Ein­ver­nom­me­ne, dass im Objekt 21 „grund­sätz­lich alle Art Waf­fen vor­han­den“  waren: AK 47 (Kalasch­ni­kow), Glocks (Pis­to­len), Skor­pi­on-Maschi­nen­pis­to­len. Damit wur­den auch Schieß­übun­gen absol­viert, teil­wei­se in der Fir­men­hal­le, die der „Spee­dy“ zer­le­gen ließ. Die Waf­fen, die da im Umlauf waren, stamm­ten von E.H., wur­den käuf­lich von ihm erwor­ben. Die Geschäf­te lie­fen über den „Win­di“, Jür­gen W., also den heim­li­chen Chef von „Objekt 21”, der damals noch in der Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt Suben sei­ne Haft­stra­fe wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung („Kampf­ver­band Ober­do­nau“) abdien­te. Im pri­vi­le­gier­ten Frei­gang, damit er sei­ne kri­mi­nel­len Akti­vi­tä­ten bes­ser orga­ni­sie­ren konn­te. In Suben lern­te er E.H. ken­nen und als Geschäfts­part­ner schätzen:

E. hat Win­di in Suben ken­nen­ge­lernt. Wir hät­ten alles Mög­li­che von E. haben kön­nen. Bazuk­kas [gemeint sind Bazoo­kas, Pan­zer­ab­wehr­hand­waf­fen; Anmk. SdR] um 500 Euro, Glocks zwi­schen 1600 bis 1800 Euro. Die sind teu­rer als ein Maschi­nen­ge­wehr. H. bot Hand­gra­na­ten für 50 Euro/Stk an. Die hät­ten wir für 100 Euro in Deutsch­land wei­ter­ver­kau­fen kön­nen. (Ver­neh­mungs­pro­to­koll, 12.1.13)

Bazookas (Wikipedia)
Bazoo­kas (Wiki­pe­dia)

Wolf­gang B. von „Objekt 21” deck­te sich bei E. gleich mit einer ordent­li­chen Ladung Waf­fen ein, erzählt der Beschul­dig­te wei­ter: eine AK 47, zwei Faust­feu­er­waf­fen, alles natür­lich mit viel Muni­ti­on – ins­ge­samt um 5.000 Euro.

E. hat zu Win­di gesagt, dass er nur noch an ihn ver­kau­fen will, da ihm das gan­ze schon ein biss­chen zu Steil wird. Ins­ge­samt kann man sagen, die Waf­fen­ge­schäf­te sind erst nach der haft des Win­di in Suben so rich­tig los­ge­gan­gen. E. hat Win­di ins­ge­samt sicher 4–5 neu­wer­ti­ge AK 47, 2–3 Glocks und 1 Skor­pi­on Maschi­nen­pis­to­le ver­kauft. (Feh­ler im Original)

Vernehmungsprotokoll: O21-Beschuldigter belastet E.H. (12.1.13)
Ver­neh­mungs­pro­to­koll: O21-Beschul­dig­ter belas­tet E.H. (12.1.13)

Wir reka­pi­tu­lie­ren: Win­di und E.H. ler­nen sich in Suben ken­nen, also mög­li­cher­wei­se war zu dem Zeit­punkt auch E.H. Insas­se. Die bei­den ver­ste­hen sich präch­tig. H. wird zum Waf­fen­dea­ler der Neo­na­zis von „Objekt 21”, lernt Spee­dy und eini­ge ande­re Neo­na­zis des „Objekt 21” ken­nen. Das alles ist den Ermitt­lungs­be­hör­den seit damals bekannt.

Ob H. damals auch vor Gericht gestellt wur­de? Ob sei­ne Waf­fen­samm­lung beschlag­nahmt und ein­kas­siert wur­de? Das wis­sen wir nicht. Was wir wis­sen, ist, dass H. über die Jah­re hin­weg seit­her immer wie­der als Ankäu­fer von Waf­fen in Erschei­nung getre­ten ist – auch öffent­lich sicht­bar – und ver­mut­lich sei­ne Ver­kaufs­räum­lich­kei­ten mit Waf­fen aller Art wei­ter ange­füllt hat.

E.H. sucht per Inserat Waffen; hier 2016 (auch 2017 und 2018): "Kaufe auch Ihre komplette Sammlung."
E.H. sucht per Inse­rat Waf­fen; hier 2016 (auch 2017 und 2018): „Kau­fe auch Ihre kom­plet­te Sammlung.”

Eini­ges deu­tet dar­auf hin, dass H. nicht nur ein­schlä­gi­ge Gesin­nung, son­dern auch Geschäfts­sinn hat. War­um er über einen so lan­gen Zeit­raum weit­ge­hend oder völ­lig unbe­hel­ligt blieb, war­um die brau­ne Gesin­nung, doku­men­tiert über das rie­si­ge Son­nen­rad, nie zu einer straf­recht­li­chen Ver­fol­gungs­hand­lung geführt hat, soll­te uns jemand von den zustän­di­gen Behör­den erklä­ren. War­um DSN und Innen­mi­nis­te­ri­um zusätz­li­che Ermitt­lungs­in­stru­men­te ein­for­dern, wenn sie nicht imstan­de sind, alte Ermitt­lungs­er­geb­nis­se aus­zu­wer­ten, ist auch noch eine offe­ne Fra­ge. Fest­steht: Einen Bun­destro­ja­ner haben wir für die­se Recher­chen nicht benötigt.

➡️ „Objekt 21“ und die Schweiz