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Gesundheitspass mit Hakenkreuz und Holocaustleugnung

Sie gehört zur Sze­ne der Stey­rer Spaziergänger*innen, die mit viel Lärm und noch mehr Unsin­nig­kei­ten die Stadt wöchent­lich heim­su­chen. In einem auf­ge­brach­ten Moment habe sie nur die Leug­nung von Impf­schä­den mit der des Holo­caust ver­glei­chen wol­len. Ein Pro­zess­be­richt von Horst Schla­ger*. Eigent­lich lässt der Face­­book-Kom­­men­­tar von Anna M. wenig Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum. Eigent­lich: Für was schähmt ihr […]

5. Jul 2023

Eigent­lich lässt der Face­book-Kom­men­tar von Anna M. wenig Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum. Eigentlich:

Für was schähmt ihr euch für die Wahr­heit. Den hol­er­kaust gab’s ja auch nicht… Es gab kei­ne KZ. Es gab kei­ne gas­kam­mer. Des seit ihr der Wahr­heit nicht ins Auge sehn. Es gibt Impft­o­te es gibt’s imof­schä­den. Ich wie du.. Arbei­test in der Pfle­ge. War­um machst du de Augen zu. Ver­steh ich nicht..

Angeklagter FB-Kommentar von Anna M.
Ange­klag­ter FB-Kom­men­tar von Anna M.

„Dumm und unglücklich formuliert“

Den Kom­men­tar pos­te­te Frau M. im Zuge einer Dis­kus­si­on über die „Gale­rie des Grau­ens” in Steyr. Peter Ganz, der auf einer Wäsche­lei­ne lami­nier­te Zet­tel mit Fotos und Tex­ten zu angeb­li­chen Imp­f­op­fern zu einer „Gale­rie des Grau­ens“ mon­tier­te und damit durch diver­se Städ­te in Deutsch­land und Öster­reich getin­gelt war, hat in Deutsch­land 2022 eine Ver­ur­tei­lung wegen Volks­ver­het­zung abge­fan­gen, nach­dem er das ver­meint­li­che „Mor­den“ durch die Covid-Imp­fung mit dem Bild eines Wach­turms des Ver­nich­tungs­la­gers Ausch­witz gar­niert hatte.

Die Ange­klag­te sei eine Impf­skep­ti­ke­rin, nein, Impf­geg­ne­rin, erklär­te der Ver­tei­di­ger. Er ken­ne sie seit den 90ern per­sön­lich, sie sei ehr­lich und hilfs­be­reit, arbei­te in der Pfle­ge. Ihre Toch­ter sei an Gebär­mut­ter­hals­krebs erkrankt, was eine Fol­ge von Long Covid sein könn­te oder das „Post-Vac-Syn­drom“. Dadurch sei sie von der „Gale­rie des Grau­ens“ inhalt­lich ange­zo­gen und auch emo­tio­nal betrof­fen gewe­sen. Unter einem Pos­ting von Orga­ni­sa­tor H. habe dann eine unglück­li­che Dis­kus­si­on mit Andre­as H., der wie die Ange­klag­te im Gesund­heits­be­reich tätig ist, begon­nen. Das Pos­ting der Zeu­gin sei dumm und unglück­lich for­mu­liert, man erken­ne vie­le Recht­schreib­feh­ler. Die Exis­tenz von Impf­schä­den zu igno­rie­ren sei sinn­ge­mäß wie den Holo­caust zu leug­nen – so wäre das Pos­ting der Ange­klag­ten zu lesen und eben nicht als Leug­nung des Holo­caust selbst. Die Ver­tei­di­gung for­der­te daher einen Freispruch.

Anna M. vor dem Landesgericht Stey (©gerichtszeichnerin)
Anna M. vor dem Lan­des­ge­richt Stey (©gerichts­zeich­ne­rin)

Die Ange­klag­te selbst ver­wei­ger­te eine Aus­sa­ge. Die Fra­ge der Rich­te­rin, ob sie eine Posi­ti­on zum Zwei­ten Welt­krieg ein­neh­men wol­le, ver­nein­te sie. Auch auf wei­te­re Fra­gen gab’s Schwei­gen. Nur auf die Fra­ge, was der Holo­caust für sie gewe­sen sei, war von ihr „Völ­ker­mord“ zu hören. Dabei muss­te sie sich die Nach­fra­ge gefal­len las­sen, was sie bei die­ser Ant­wort zum Grin­sen ver­an­lasst habe, wor­auf es wie­der­um kei­ne Ant­wort mehr gab. Auch dar­auf nicht, war­um sie wei­te­re Pos­tings in Frak­tur­schrift („Unge­impft“) getä­tigt oder auch einen Gesund­heits­pass mit Haken­kreuz ver­öf­fent­licht habe.

Hakenkreuz unbewusst gepostet

Nach einer guten Stun­de wur­de der Zeu­ge Andre­as H. in den Zeu­gen­stand gela­den – vom Ver­tei­di­ger als Akteur der Stey­rer Gegen­be­we­gung titu­liert. Der frag­te, was er mit der For­mu­lie­rung „Boden­satz der Rech­ten wie Idis, Rut­ter, Sell­ner und H., die nach Steyr kom­men“ gemeint habe. H.: „Der an den Tag geleg­te Ras­sis­mus, die Homo­pho­bie und Ver­schwö­rungs­theo­rien, Unwahr­hei­ten und Pro­pa­gan­da, die von die­sen Leu­ten ver­brei­tet wer­den.“ Ihm konn­ten kei­ne Quel­len für die Imp­f­op­fer­be­rich­te der „Gale­rie des Grau­ens“ vom Orga­ni­sa­tor vor­ge­legt wer­den, wodurch er die­se als unbe­legt emp­fin­den wür­de. Nach weni­gen Minu­ten konn­te H. den Zeu­gen­stand wie­der verlassen.

Unter den Akten befan­den sich auch diver­se Screen­shots von Face­book-Kom­men­ta­ren und ein Pos­ting mit dem Gesund­heits­pass und Haken­kreuz. Letz­te­res woll­te M. nicht gese­hen und „unbe­wusst“ gepos­tet haben.

Im Schluss­plä­doy­er for­der­te der Staats­an­walt einen Schuld­spruch. M. habe durch ihr an sich gutes Recht auf Aus­sa­ge­ver­wei­ge­rung im kon­kre­ten Fall die Chan­ce ver­tan, sich und ihren Kom­men­tar zu erklä­ren. Es sei ihr nicht gelun­gen zu über­zeu­gen. Der Ver­tei­di­ger setz­te auf die Koope­ra­ti­on der Ange­klag­ten bei einer (ergeb­nis­lo­sen) Haus­durch­su­chung, ihre bis­he­ri­ge Unbe­schol­ten­heit und erwähn­te außer­dem, dass der Groß­va­ter der Ange­klag­ten selbst im KZ gewe­sen sei. Die gerin­ge Wort­ge­wandt­heit sei der Grund, war­um er ihr von einer Aus­sa­ge im Gericht abge­ra­ten habe. Nach einem letz­ten State­ment vor der Bera­tung der Geschwo­re­nen gefragt, sag­te die Ange­klag­te dann doch noch: „Ich bin kei­ne Holocaustleugnerin.“

Die Geschwo­re­nen befan­den die 58-Jäh­ri­ge mit 6 zu 2 Stim­men für schul­dig. Auf­grund ihrer bis­he­ri­gen Unbe­schol­ten­heit und dem Feh­len von erschwe­ren­den Grün­den wur­de das gerings­te Straf­aus­maß aus­ge­schöpft: acht Mona­te bedingt, eine unbe­ding­te Geld­stra­fe von 960 Euro und Über­nah­me der Ver­fah­rens­kos­ten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

*Zur Kunst­fi­gur „Horst Schla­ger” ➡️ Fake-Horst taucht in die rech­te Welt ein