Eigentlich lässt der Facebook-Kommentar von Anna M. wenig Interpretationsspielraum. Eigentlich:
Für was schähmt ihr euch für die Wahrheit. Den holerkaust gab’s ja auch nicht… Es gab keine KZ. Es gab keine gaskammer. Des seit ihr der Wahrheit nicht ins Auge sehn. Es gibt Impftote es gibt’s imofschäden. Ich wie du.. Arbeitest in der Pflege. Warum machst du de Augen zu. Versteh ich nicht..
„Dumm und unglücklich formuliert“
Den Kommentar postete Frau M. im Zuge einer Diskussion über die „Galerie des Grauens” in Steyr. Peter Ganz, der auf einer Wäscheleine laminierte Zettel mit Fotos und Texten zu angeblichen Impfopfern zu einer „Galerie des Grauens“ montierte und damit durch diverse Städte in Deutschland und Österreich getingelt war, hat in Deutschland 2022 eine Verurteilung wegen Volksverhetzung abgefangen, nachdem er das vermeintliche „Morden“ durch die Covid-Impfung mit dem Bild eines Wachturms des Vernichtungslagers Auschwitz garniert hatte.
Die „Galerie des Grauens” hat in #Steyr halt nur a handvoll Leute interessiert. Gut so, es ist einfach nur eine widerwärtige Desinformationskampagne.
Der Mann mit der weissen Jacke ist übrigens Robert Hudec (Börr). Er spielt morgen in Wien wieder den Freiheitstrychler pic.twitter.com/hRwWTgDXNM— MaidinSteyr (@MaidinSteyr) March 4, 2023
Die Angeklagte sei eine Impfskeptikerin, nein, Impfgegnerin, erklärte der Verteidiger. Er kenne sie seit den 90ern persönlich, sie sei ehrlich und hilfsbereit, arbeite in der Pflege. Ihre Tochter sei an Gebärmutterhalskrebs erkrankt, was eine Folge von Long Covid sein könnte oder das „Post-Vac-Syndrom“. Dadurch sei sie von der „Galerie des Grauens“ inhaltlich angezogen und auch emotional betroffen gewesen. Unter einem Posting von Organisator H. habe dann eine unglückliche Diskussion mit Andreas H., der wie die Angeklagte im Gesundheitsbereich tätig ist, begonnen. Das Posting der Zeugin sei dumm und unglücklich formuliert, man erkenne viele Rechtschreibfehler. Die Existenz von Impfschäden zu ignorieren sei sinngemäß wie den Holocaust zu leugnen – so wäre das Posting der Angeklagten zu lesen und eben nicht als Leugnung des Holocaust selbst. Die Verteidigung forderte daher einen Freispruch.
Die Angeklagte selbst verweigerte eine Aussage. Die Frage der Richterin, ob sie eine Position zum Zweiten Weltkrieg einnehmen wolle, verneinte sie. Auch auf weitere Fragen gab’s Schweigen. Nur auf die Frage, was der Holocaust für sie gewesen sei, war von ihr „Völkermord“ zu hören. Dabei musste sie sich die Nachfrage gefallen lassen, was sie bei dieser Antwort zum Grinsen veranlasst habe, worauf es wiederum keine Antwort mehr gab. Auch darauf nicht, warum sie weitere Postings in Frakturschrift („Ungeimpft“) getätigt oder auch einen Gesundheitspass mit Hakenkreuz veröffentlicht habe.
Hakenkreuz unbewusst gepostet
Nach einer guten Stunde wurde der Zeuge Andreas H. in den Zeugenstand geladen – vom Verteidiger als Akteur der Steyrer Gegenbewegung tituliert. Der fragte, was er mit der Formulierung „Bodensatz der Rechten wie Idis, Rutter, Sellner und H., die nach Steyr kommen“ gemeint habe. H.: „Der an den Tag gelegte Rassismus, die Homophobie und Verschwörungstheorien, Unwahrheiten und Propaganda, die von diesen Leuten verbreitet werden.“ Ihm konnten keine Quellen für die Impfopferberichte der „Galerie des Grauens“ vom Organisator vorgelegt werden, wodurch er diese als unbelegt empfinden würde. Nach wenigen Minuten konnte H. den Zeugenstand wieder verlassen.
Unter den Akten befanden sich auch diverse Screenshots von Facebook-Kommentaren und ein Posting mit dem Gesundheitspass und Hakenkreuz. Letzteres wollte M. nicht gesehen und „unbewusst“ gepostet haben.
Im Schlussplädoyer forderte der Staatsanwalt einen Schuldspruch. M. habe durch ihr an sich gutes Recht auf Aussageverweigerung im konkreten Fall die Chance vertan, sich und ihren Kommentar zu erklären. Es sei ihr nicht gelungen zu überzeugen. Der Verteidiger setzte auf die Kooperation der Angeklagten bei einer (ergebnislosen) Hausdurchsuchung, ihre bisherige Unbescholtenheit und erwähnte außerdem, dass der Großvater der Angeklagten selbst im KZ gewesen sei. Die geringe Wortgewandtheit sei der Grund, warum er ihr von einer Aussage im Gericht abgeraten habe. Nach einem letzten Statement vor der Beratung der Geschworenen gefragt, sagte die Angeklagte dann doch noch: „Ich bin keine Holocaustleugnerin.“
Die Geschworenen befanden die 58-Jährige mit 6 zu 2 Stimmen für schuldig. Aufgrund ihrer bisherigen Unbescholtenheit und dem Fehlen von erschwerenden Gründen wurde das geringste Strafausmaß ausgeschöpft: acht Monate bedingt, eine unbedingte Geldstrafe von 960 Euro und Übernahme der Verfahrenskosten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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