Griechenland: Extreme Rechte im Vormarsch
Finnland: Extremer Rechter im Rückmarsch
Deutschland: Rosenkranz im Gleichmarsch
Griechenland: Extreme Rechte im Vormarsch
Von den österreichischen Printmedien weitgehend unbeachtet blieb jener Teil der Parlamentswahlen in Griechenland vom 25.6.23, der die Ergebnisse der griechischen Rechtsaußenparteien betrifft. Dass sich die griechischen Konservativen – verantwortlich für einen riesigen Abhörskandal, ein Zugsunglück und kriminelle Pushbacks – mit einem rechtlichen Schnippchen eine absolute Mehrheit der Sitze (158 Mandate von 300) trotz nur relativer Mehrheit der Stimmen (40,56 %) sichern konnten, fand noch Erwähnung. Dass insgesamt drei Parteien rechts von den Konservativen ebenfalls den Einzug schafften und damit in Summe das beste Ergebnis seit Jahrzehnten (die Neonazis der „Goldenen Morgenröte“ kamen 2015 auf 7 Prozent), fand fast keine Erwähnung bzw. Bewertung.
Im Detail: Die ohne nähere Beschreibung als rechtspopulistisch bezeichnete Partei Elliniki Lysi (Griechische Lösung), die 2016 von dem Parlamentarier der rechtsextremen LAOS-Partei gegründet worden war, konnte sich mit 4,44 Prozent im Vergleich zur Wahl im Mai stabilisieren – das trotz der Konkurrenz durch die „ultranationalistische und ultrareligiöse“ Partei Niki (Sieg), die 3,7 Prozent der Stimmen erhielt und damit im Unterschied zur vorangegangenen Wahl im Mai die Wahlhürde von dreo Prozent überschritt.
Die größte Überraschung war aber der Wahlerfolg der Partei Spartiates (Spartaner), die im ersten Anlauf mit 4,63 Prozent die stärkste der Rechtsaußen-Parteien wurde. Für die Wahlen im Mai wollte eigentlich noch die Partei Ethniko-Komma-Ellines von Ilias Kasidiaris kandidieren, wurde aber nicht zur Wahl zugelassen (ihre Vorgängerpartei Goldene Morgenröte ist 2020 verboten worden, nachdem sie 2019 an der Drei-Prozent-Hürde gescheitert war). Ilias Kasidiaris ist ein altbekannter gewalttätiger Kader der Goldenen Morgenröte, der 2020 zu dreizehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Aus dem Gefängnis heraus dirigierte er die von ihm kurz vor seiner Verurteilung gegründete Partei Ellines Gia Tin Patrida (Griechen für das Vaterland), die sich zwar von Nazismus und Faschismus formal distanzierte, inhaltlich aber dort weitermachte, wo die Goldene Morgenröte aufhören musste.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ wunderte sich noch im April:
Der verurteilte Straftäter geniesst offenbar unkontrollierten Zugang zu sozialen Netzwerken, selbst in Radiosendungen tritt er auf. Seinem Youtube-Kanal folgen 134 000 Personen, in regelmässigen Beiträgen verbreitet er dort seine von Hass und Gewalt durchtränkten Ideen und hetzt gegen die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mitsotakis. An Parteisitzungen nimmt er per Telefon teil. (NZZ, 16.4.23)
Anfang April, kurz vor dem Verbot seiner Partei, landete Kasidiaris‘ Neonazi-Partei noch einen Coup, indem sie „den pensionierten Generalstaatsanwalt Anastasios Kanellopoulos als neuen Parteivorsitzenden aus dem Hut zauberten. Dieser war bis zu seiner Pensionierung am höchsten griechischen Gericht, dem Areopag, tätig gewesen und bis anhin nicht einmal Parteimitglied“ (NZZ).
Das durchaus umstrittene Verbot folgte dennoch unmittelbar, und so ersparte sich Griechenland die Debatte, wie es dazu kommen konnte, dass ein Spitzenmann der Justiz die Spitze einer Neonazi-Partei repräsentiert.
Bei der Parlamentswahl im Juni trat die bislang weitgehend unbekannte Partei Spartiates/Spartaner an, die wie zuvor die Griechen-Partei massiv von Kasidiaris aus dem Gefängnis heraus gepusht wurde. Zusammen landeten die drei Rechtsaußen-Parteien bei fast 13 Prozent.
Finnland: Extremer Rechter im Rückmarsch
Der finnische Minister Vilhelm Junnila toppt mit seinem Rücktritt nach zehn Tagen Amtszeit am 30.6. sogar den österreichischen Kurzzeit-Rekord, den der FPÖ-Justizminister Michael Krüger mit 25 Tagen im Jahr 2000 erzielte (die Übergangs-Regierung Kurz unterbot den 2019 mit sechs Tagen). Die Gründe unterscheiden sich allerdings. Junnila war der von der rechtsextremen Partei „Wahre Finnen“ nominierte Wirtschaftsminister. Über deren Klassifizierung der als rechtsextreme Partei kann man durchaus unterschiedlicher Ansicht sein, weicht die Partei doch in einigen Positionen (Klimakrise, Vermögenssteuern) von anderen extrem rechten Parteien ab.
Ähnlich wie die FPÖ hat auch die Partei der „Wahren Finnen“ schon eine Spaltung nach Regierungsbeteiligung hinter sich. 2015 bildete sie mit der konservativen Sammlungspartei und unter der Führung der liberalen Zentrumspartei eine Koalitionsregierung, die nach der Abspaltung ihres eher gemäßigten Teils 2017 beendet wurde. Diese Erfahrung hinderte die konservative Sammlungspartei heuer dennoch nicht, einen zweiten Anlauf mit den „Wahren Finnen“ zu versuchen – diesmal unter Beteiligung der Schwedischen Volkspartei und der Christdemokraten.
Obwohl die rechtsextremen und rassistischen Positionen Junnilas eigentlich schon vor der Wahl bekannt waren, passierte auch nach seiner Nominierung zunächst nichts. Erst als internationale Medien – hier die nächste Ähnlichkeit mit Österreich – darüber zu berichten begannen, änderte sich das. Die „Süddeutsche Zeitung“ (4.7.23) titelte einen Bericht über die neue finnische Regierung mit „Das Gruselkabinett“. Nachdem ein erster, von den Grünen initiierter Misstrauensantrag gegen Junnila noch abgeschmettert wurde, kamen quasi im Stundentakt neue Erkenntnisse zu Junnilas Positionen in die Öffentlichkeit: „Als am nächsten Tag herauskam, dass Junnila ‚Klimaabtreibungen‘ für Afrikanerinnen mal als ‚großen Sprung für die Menschhei‘” angepriesen hatte und die Christdemokraten von ‚Ökofaschismus‘ sprachen, trat er zurück.“ (sueddeutsche.de)
Die „Neue Zürcher Zeitung“ (30.6.23) wiederum berichtete über einen Vorfall, der schon vor der Wahl bekannt geworden war:
Am Abend des 10. März trifft sich eine Lokalsektion der rechtsnationalen Finnenpartei zu einer Wahlveranstaltung in Raisio, einem Vorort von Turku. 16 Männer und Frauen sitzen in einem Kellerraum des Gemeindehauses und schlürfen Filterkaffee aus Pappbechern. Anwesend ist auch ein Journalist der Fernsehanstalt Yle, der einen Bericht über den Abend schreibt.
Es ist kurz nach 19 Uhr, ein Kandidat hält gerade eine Rede, als der Parlamentarier Vilhelm Junnila den Raum betritt. Auch Junnila möchte einige Worte sagen. Er schaut zum Kandidaten. «Zunächst einmal Gratulation zur grossartigen Wahlnummer. Ich weiss, dass es die gewinnende Karte ist», sagt er. «Die 88 bezieht sich natürlich auf zwei H‑Buchstaben, über die nicht mehr gesagt wird.» Das Publikum lacht. «Heil Hitler!», ruft jemand. So hat es der Journalist von Yle festgehalten.
Das war aber bei weitem noch nicht alles: Ein gemeinsamer Auftritt mit Neonazis (schon wieder eine Ähnlichkeit!), eine gefälschte Biografie und der Umstand, dass er mehrfach im Parlament die Unterstützung eines Vereins von Veteranen der finnischen Waffen-SS beantragt hatte, veranlassten den finnischen Staatspräsidenten Sauli Niinistö zu der Einschätzung, die ganze Geschichte sei für Finnland „gelinde gesagt, sehr peinlich“.
Der konservative Ministerpräsident Petteri Orpo und seine Koalition sind durch diese „peinliche“ Geschichte und deren Ablauf schon zu Beginn der Amtszeit schwer beschädigt. Vor allem ist der Rücktritt von Junnila noch nicht das Ende. Innenministerin und Justizministerin, beide von den Wahren Finnen, vertreten die Verschwörungserzählung vom großen Bevölkerungsaustausch. Während der Regierungschef Petteri Orpo erklärt, beide hätten nichts mit Rechtsextremen am Hut, löscht die Innenministerin ihren dazu passenden Tweet: „Wir sollten nicht so blauäugig sein, dass wir bald nicht mehr blauäugig sein werden.” Immerhin: Der Regierungschef bleibt blauäugig.
Deutschland: Rosenkranz im Gleichmarsch
In den Räumen des bayerischen Landtags fand am 15. Juni eine bemerkenswerte Veranstaltung statt. Eine Festkneipe auf Einladung zweier AfD-Abgeordneter. Der Bayerische Rundfunk titelte seinen Bericht dazu mit: „Auf AfD-Einladung: Rechtsextremisten feiern im Landtag“
Die Einladung der Rechtsextremisten sei nicht durch die AfD-Fraktion, sondern durch zwei AfD-Abgeordnete erfolgt. Wobei: Ist das nicht eine Tautologie? Schließlich ist die AfD ja selber rechtsextrem. Das stimmt zwar, aber etliche der geladenen Gäste sind noch deutlicher rechtsextrem als der Durchschnitt der AfD-Funktionäre und ‑Mandatare. Es waren auch Burschen der Münchner Deutschen Burschenschaft Danubia darunter. Die steht politisch ungefähr dort, wo bei uns in Österreich die Olympia und die Teutonia angesiedelt sind: am äußersten rechten Rand. Wobei die Danubia München für österreichische Rechtsextreme aller Schattierungen so etwas wie eine Huldigungsstätte darstellt. Egal ob Identitäre, ehemalige VAPO-Kameraden, Neonazis, Neofaschisten und Duginisten oder einfach Blaue – sie alle hinterlassen auf dem Facebook-Altar der Danubia eifrig ihre Likes.
Bei der Festkneipe in den Räumen des Landtags waren aber nicht nur die Danuben mit dem „White Power“-Gruß anwesend, sondern auch Identitäre. Und ein Festredner aus Österreich: Walter Rosenkranz, der angeblich gemäßigte Blaue, Volksanwalt und unterlegene Präsidentschaftskandidat. Robert Andreasch beobachtete die Veranstaltung und wurde deswegen auch „von Teilnehmern bedrängt“ (br.de). Die Polizei ermittelt deshalb von Amts wegen – es geht um Nötigung.
Was Rosenkranz den erlauchten rechtsextremen Gästen erzählt hat, blieb hinter den geschlossenen Türen der Festkneipe verborgen. „Der AfD-Abgeordnete Christoph Maier, der die Veranstaltung beim Landtag angemeldet hatte, sagte dem BR, es habe sich um einen ‚Austausch’ gehandelt.“ (muenchen.t‑online.de, 20.6.23) Ja, ganz sicher!
Thomas Gautier und @GeorgGomolka für @bild: https://t.co/8JTub6Z7Su
— Robert Andreasch (@robertandreasch) June 20, 2023