„Exxpress.at“, das ist jenes Online-Medium, das angeblich der ÖVP nahesteht, aber deutlich FPÖ-Positionen kampagnisiert: nach dem Strache-Schmitt-Muster, mit geifernder rechter Meute als Gratis-Zugabe.
Christian Hafenecker legt vor …
Am 19. Juni schreibt der FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer APA-OTS-Aussendung, dass ihm die Präsidentschaftskanzlei die Fragen beantwortet habe, wie oft der Bundespräsident einer strafrechtlichen Verfolgung nach § 117 StGB zugestimmt hat. Hafenecker empört sich über die Antwort: „… das Staatsoberhaupt dürfte auch sehr dünnhäutig sein, was Kritik an seiner Person betrifft. So ließ Van der Bellen in sieben Fällen eine Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen übler Nachrede bzw. Beleidigung zu. Doch mit diesen Versuchen der Einschüchterung blamierte er sich auf ganzer Linie.“
Was Hafenecker in seiner Aussendung bewusst verschweigt:
- Es waren 59 Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft der Ansicht war, dass sie als strafbare Handlungen (wegen übler Nachrede oder Beleidigung) zu verfolgen sind. Um diese Fälle anklagen zu können, braucht die Staatsanwaltschaft die Zustimmung des Bundespräsidenten. In 52 Fällen hat der Bundespräsident diese Zustimmung nicht erteilt, in sieben schon. Was macht Hafenecker daraus? „Nicht zu knapp“ habe Van der Bellen von diesem Recht Gebrauch gemacht. Ist das jetzt nur eine Halbwahrheit oder schon Desinformation?
- Mit „diesen Versuchen der Einschüchterung blamierte er sich auf ganzer Linie“, schreibt Hafenecker. Die Wahrheit (die auch Hafenecker kannte) ist: Von den sieben Fällen einer Zustimmung zur Strafverfolgung (fünf wegen Beleidigung, zwei wegen übler Nachrede) endeten vier mit einer Verurteilung, einer mit einer Diversion (bei Hafenecker heißt das „zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert“) , in einem Fall stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, ein einziger Fall endete mit einem (nicht rechtskräftigen) Freispruch in erster Instanz. Blamage auf ganzer Linie?
In allen Angaben zur Antwort der Präsidentschaftskanzlei verschweigt Hafenecker wesentliche Details. Nur die Angabe von den sieben Ermächtigungen ist richtig, aber auch nur eine Halbwahrheit. Statt sich mit den Gründen für die stark gestiegene Hetze gegen den Bundespräsidenten näher zu beschäftigen, macht er ihn dafür verantwortlich: Das Opfer wird zum Täter. „Bundespräsident Alexander Van der Bellen dürfte in der Bevölkerung weder über große Beliebtheit, noch über großes Vertrauen verfügen, was aufgrund seiner parteiischen Amtsführung kaum verwundert.“ Dann setzt er noch einen Begriff: der „Majestätsbeleidigungs-Paragraph“ 117 StGB sollte abgeschafft werden.
… der exxpress übernimmt
Zwei Tage später, am 21. Juni, übernimmt exxpress.at. Die Hafenecker-Forderung nach Abschaffung des Majestätsbeleidigungs-Paragraphen wird im Titel gleich zur „Majestätsbeleidigung: Van der Bellen ließ sieben Mal gegen Kritiker ermitteln“ Der Titel erweckt den Eindruck, als ob Van der Bellen Kritik an ihm als Majestätsbeleidigung sehen würde und strafrechtlich verfolgen ließe. Nur nebenbei wird erwähnt, dass in 52 Fällen der Bundespräsident die Zustimmung verweigerte und dass bei zwei der Verurteilungen noch andere Delikte wie Verhetzung, Verbrechen nach dem Verbotsgesetz und gefährliche Drohung hinzukamen. Es handelte sich also zumindest in zwei Fällen um Verbrecher, nicht um „Kritiker“.
Ausführlich wird die Position von Hafenecker referiert. Keine Erwähnung findet der Umstand, dass die FPÖ erst jüngst das Satire-Portal „Tagespresse“ geklagt hat und auch sonst mit Klagen und Klagsdrohungen nicht gerade zimperlich umgeht. Andere Positionen oder auch nur die Ausführungen der Präsidentschaftskanzlei zur Anfrage von Hafenecker werden nicht gebracht. In dieser heißt es nämlich:
Es ist für den Bundespräsidenten selbstverständlich, dass er sich als Amtsträger und Person der Öffentlichkeit mehr Ehrverletzungen gefallen lassen muss als eine Privatperson. Er macht aber dann von seinem Recht zur Ermächtigung zur Strafverfolgung Gebrauch, wenn Dritte von der Ehrverletzung mitbetroffen und daher zu schützen sind oder wenn ihm Rechtsbruch unterstellt wird. Eine solche Unterstellung wiegt besonders schwer, wenn sie im Zusammenhang mit der Amtsführung des Bundespräsidenten erhoben wird.
Der Bundespräsident geht also davon aus, dass er sich, so wie andere Politiker, mehr Beleidigungen gefallen lassen muss, eben weil er Politiker ist. Für „exxpress.at“ ist diese deutliche Einschränkung seiner Rechte aber unerheblich – sie würde dem Titel und der Marschrichtung, dass sich der Bundespräsident als Majestät sieht und Kritiker abstrafen will, widersprechen.
Die geifernde rechte Meute nagt im express-Forum den Knochen gebührend ab, verschluckt sich manchmal an der Majestät („maiästet“, „Majestet“), erbricht aber sonst brav: „Querulant“, „Nixleister“, „einfältiger Kotzbrockn“, „ehrloses Würstel“, „islamgrüner stalinist“, „österreich-verräter“ … sind nur einige der Beschimpfungen, die sich der Bundespräsident „gefallen lassen muss“, weil es irgendwie als selbstverständlich gilt, dass man Politiker*innen beschimpfen und beleidigen darf.
Kolportiert wird dort auch eine „Klagsflut“ durch den Präsidenten, einer hofft, „der tritt bald ab, egal auf welchem Weg!!!“ Es findet sich jedoch nicht nur eine Flut an Hetze, Beleidigungen aller Art bis hin zum „A‑loch“. Unter all dem sticht eine mehrfach wiederholte Falschmeldung heraus: Der Bundespräsident habe „ein ganzes Volk“ oder „52 %“ oder auch nur die „Hälfte“ als russische Kollaborateure bezeichnet. Hat er das? Natürlich nicht!
2022, bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele, sprach Van der Bellen davon, dass „einzelne jetzt ohne Not gezielt zündeln und damit den Zusammenhalt in Europa gefährden. (…) All jene, die jetzt insgeheim oder ganz ungeniert mit den Interessen Putins sympathisieren oder tatsächlich oder vermeintlich mit ihm kollaborieren, gefährden unseren Zusammenhalt.”
Einzelne, nicht das „ganze Volk“ oder dessen „Hälfte“! „exxpress.at “ greift auch hier nicht in das Forum moderierend ein, zumal er im Vorjahr mit einem Beitrag über diese Rede selbst die Erregung geschürt hatte. Mit einem Zitat von Vilimsky, der diese „Entgleisung“ des Bundespräsidenten geißelt und mit dem Tweet eines Thomas Edtmeier. Wer ist das? Ein ehemaliger FPÖ-Gemeinderat, der arbeitslose Gastronomie-Fachkräfte als „arbeitsfaule Wohlstandsparasiten“ beschimpft hat und als „Heimatschutz Oberösterreich“ aufgetreten ist. Das ist ein Kronzeuge für „exxpress.at“! Sind noch Fragen offen?