Salzburg: Blogger rechtskräftig wegen Verhetzung verurteilt
Wien: 2 Prozesse, 2 Freisprüche
Salzburg: FPÖ-Spitzenkandidat konfrontiert mit Rücktrittsaufforderungen
Salzburg: Rechtsoffener Rock in der Salzburgarena und ein überraschter FPÖ-Gemeinderat
Braunau/OÖ: Ein verwahrloster deutscher Neonazi in Braunau
Linz: Hakenkreuzschmiererei in Hausdurchfahrt
Wien: Rechtsextreme feiern den „Sieg am Kahlenberg 1683“
Wien: „Zur Zeit“ diffamiert Selmayr
Wien: Elfriede Jelinek ist Wiener Ehrenbürgerin
Wien: FPÖ-Antifeminismus im Sozialausschuss
Wien: „Hartgeld“-Betreiber verstorben
Wien: Hausdurchsuchungen bei den Neonazi-Hooligans von „Unsterblich Wien“
Ein österreichischer Nachwuchs-Neonazi im Europol-Terrorismus-Report
Salzburg: Blogger rechtskräftig wegen Verhetzung verurteilt
Ein Salzburger Mittzwanziger betrieb auf dem Messaging-Dienst „Telegram“ zwei Kanäle, in denen er seine insgesamt etwa 1500 Abonnent*innen mit rassistischer Hetzte gegen Geflüchtete versorgte. Vor Gericht bekannte er sich teilschuldig und erklärte etwa, er habe „halt überspitzt formuliert“ (Salzburger Nachrichten, 12.9.23., S. L4). Dem Staatsanwalt zufolge hat der Mann in seinen Kommentaren zu Medienberichten allerdings mehrfach „zum Hass gegen Ausländer und Flüchtlinge aufgestachelt“. Das Gericht gab dieser Einschätzung recht und verurteilte ihn zu sechs Monaten bedingter Haft. Die „Telegram“-Kanäle sind inzwischen gelöscht. (krone.at, 11.9.23)
Wien: 2 Prozesse, 2 Freisprüche
Johann S. hatte an seinen Neffen einige braune Nachrichten verschickt, weitere Dateien, die jedoch nicht angeklagt waren, wurden auf seinem Computer gefunden. Der Angeklagte sei Beamter kurz vor dem Ruhestand, argumentierte der Verteidiger, und würde im Fall einer Verurteilung seine erhöhte Beamtenpesnion verlieren. Die Geschworenen stimmten in allen vier Angeklagepunkten einstimmig für Freispruch.
Im Zweifel freigesprochen wurde der 57-jährige Angestellte Christian W., der sich ebenfalls für vier Chatnachrichten verantworten musste. Die hatte er an einen bereits verurteilten Motorradkumpel geschickt, weil er sie „lustig“ gefunden hatte: etwa das Bild eines Schneemanns mit Hitlergruß oder ein widerliches Sujet mit Hitler vor einer Schultafel, auf der stand: „ich vergesse, vergas, vergaste“.
Im ersten Fall ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, beim zweiten Fall ist uns der Status der Rechtskraft nicht bekannt.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Salzburg: FPÖ-Spitzenkandidat konfrontiert mit Rücktrittsaufforderungen
Erst am 9. September wurde Paul Dürnberger zum Spitzenkandidaten der Stadt-FPÖ ernannt, und schon hagelt es Rücktrittsaufforderungen. Grund dafür ist seine Teilnahme bei der „Identitären“-Demo in Wien vergangenen Juli, bei der es zu 16 Strafanzeigen kam, zwei davon nach dem Verbotsgesetz. Dort ist Dürnberger zwischen Neonazis und anderen Rechtsextremen mitmarschiert, wie „Stoppt die Rechten“ mit Fotos des „RechercheNetzwerks Berlin“ und „Endstation Rechts“ belegen konnte. Auf einem der Fotos ist er sogar mit einer „Idenitären“-Fahne in der Hand zu sehen. SPÖ und Grüne in Salzburg fordern, dass der designierte Stadtparteiobmann und Ex-Mitarbeiter einer Security-Firma umgehend zurücktritt, worin wiederum die FPÖ „antidemokratische Tendenzen“ (salzburg24.at, 12.9.23) sehen will. Letztere erkennt sie bei den neofaschistischen „Identitären“ freilich nicht, stattdessen übernimmt sie deren Slogans inzwischen ganz offen und bis in die Chefetage hinauf.
Dominic Maier, der Vorgänger von Dürnberger, verstieg sich in seinem Verteidigungseifer dazu, gegenüber den „Salzburger Nachrichten“ (12.9.23) zu behaupten: „Die Identitäre Bewegung ist eine Organisation wie der Alpenverein oder SOS-Kinderdorf.“ Das SOS-Kinderdorf prüft wegen dieses Vergleichs mit einer neofaschistischen Kaderorganisation nun rechtliche Schritte. Auch der Alpenverein hat scharf gegen diese Gleichsetzung protestiert.
Salzburg: Rechtsoffener Rock in der Salzburgarena und ein überraschter FPÖ-Gemeinderat
Vergangenes Wochenende fand in der Salzburgarena die zweite Ausgabe des Lake Rock-Festivals statt. Zwei der Headliner waren die Deutschrock-Bands „Frei.Wild“ und „KrawallBrüder“. Beide bespielen gerne bierseliges Heimatpathos, grenzen sich aber von Extremismus ab – sie gelten als „Grauzonen“-Bands:
‚Grauzone‘ bezeichnet Bands, die nicht der extremen rechten Szene zugeordnet werden können, jedoch Versatzstücken rechter Ideologie aufweisen. Eines der zentralen Inhalte der Texte von Grauzonen-Musik ist eine verkürzte Kapitalismuskritik. Oft geht es um ein ‚wir hier unten, gegen die da oben‘ – das existiert zwar auch in anderen Genres, bei Grauzonenbands wird diese verkürzte Kritik zusammen mit anderen Faktoren aber zum musikgewordenen Populismus. (belltower.news, 8.8.18)
Unwissend bzw. unbekümmert hinsichtlich solcher Einschätzungen gibt sich der Festival-Veranstalter Norbert Dankl, der zudem FPÖ-Gemeinderat in Hollersbach (Pinzgau) ist. Zumindest hat er die Band „Weimar“, die ebenfalls auf der Bühne stehen sollte, noch rechtzeitig ausgeladen, nachdem im Februar die Nähe der Mitglieder zur thüringischen Neonaziszene in den Fokus von Medienberichten geriet. (salzburg24.at, 13.9.23)
Braunau/OÖ: Ein verwahrloster deutscher Neonazi in Braunau
Ein 68-jähriger Deutscher war zwar nur auf der Durchreise, hat es aber trotzdem geschafft, mehrere Anzeigen zu kassieren: Der Mann spazierte mit aufgemalten NS-Symbolen am Oberkörper über den Braunauer Stadtplatz. Laut den „Oberösterreichischen Nachrichten“ (11.9.23) waren darunter SS-Runen, Hakenkreuze und das Wort „Ku-Klux-Klan“. Zudem führte der Mann zwei verwahrloste Hunde mit sich. Bei der Begleitung zum Wohnmobil, mit dem der Mann aus Ungarn kommend unterwegs war und in dem es nach menschlichen und tierischen Exkremente gerochen haben soll, trafen die Polizeibeamt*innen die Freundin des Mannes (64) an, die deutliche Spuren von Gewalteinwirkung im Gesicht aufwies und zu Protokoll gab, dass diese von dem Mann zugefügt worden waren. Der Deutsche wurde festgenommen, nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Ried aber wieder auf freie Fuß gesetzt und – u.a. nach dem Verbotsgesetz – angezeigt. Die Hunde wurden dem Paar abgenommen. Der Mann erhielt ein Betretungsverbot fürs Wohnmobil und musste seine Heimreise nach Brandenburg mit Öffis antreten.
Linz: Hakenkreuzschmiererei in Hausdurchfahrt
Unbekannte sprühten Anfang letzter Woche mehrere große Hakenkreuze auf eine Hausdurchfahrt in der Linzer Dürerstraße. Ein Fotograf der „Kronen Zeitung“ erstattete Anzeige und dokumentierte den neonazistischen Vandalenakt. (Quelle: Kronen Zeitung, 13.9.23, S. 12)
Wien: Rechtsextreme feiern den „Sieg am Kahlenberg 1683“
Der 12. September ist nicht nur für „Identitäre“ ein Feiertag für völkische Fackelzugromantik, sondern wird für die gesamte extreme Rechte im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus immer wichtiger als narrativer Bezugspunkt für einen weißen, christlichen Abwehrkampf (Stichwort „Abendland“-Fetisch). Es handelt sich bei diesem Bezugspunkt um die Schlacht am Wiener Kahlenberg, die mit dem Ende der Zweiten Wiener Türkenbelagerung (1683) assoziiert wird und sich heuer zum 340. Mal jährte. Ein Entschließungsantrag mehrerer rechter EU-Abgeordneter will den 12. September zum EU-weiten Feiertag machen.
Eingebracht haben ihn im Juli der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider, mehrere Abgeordnete der AfD sowie Abgeordnete der italienischen Lega, des niederländischen „Forums für Demokratie” (dessen Parteichef an die Herrschaft von Reptiloiden glaubt) sowie einer EU-skeptischen kroatischen Partei. (derstandard.at, 12.9.23)
Heuer hat der „Wiener Akademikerbund“ am 11. September zu einer zweiteiligen Veranstaltung eingeladen. Auf der via Social Media verbreiteten Einladung heißt es im rechten Kulturkampf-Jargon, dass „prominente Redner“ zum „vorbildlichen Einsatz der Christlichen Kämpfer gegen die Islamisierung Europas“ referieren würden. Unter diesen Promis angekündigt waren u.a. Petr Bystron (AfD) und Susanne Fürst (FPÖ). Letztere befürwortete die rassistische Verschwörungs-Formel vom „Bevölkerungsaustausch“ erst kürzlich als „relativ emotionslosen, sachlichen Begriff“ (FPÖ-TV, 6.9.23) und sie beteiligt sich zudem gegenwärtig offensiv an der FPÖ-Hetzkampagne gegen das DÖW.
Der „Wiener Akademikerbund“, der auch den „Marsch für die Familie“ als rechte Gegenveranstaltung zur Regenbogenparade mitorganisiert, hat sich seit seinem Austritt aus der ÖVP im Jahr 2010 zum antisemitischen, homophoben und rassistischen Rechtsaußen-Think-Tank entwickelt, der auch schon mehrere Holocaustleugner als Vortragende im Programm hatte.
Die Verklärung der historischen Chiffre „Schlacht am Kahlenberg“ (die dort im Übrigen nie stattgefunden hat; es sammelten sich lediglich Truppen, um von der Höhe des Wienerwalds aus gegen die osmanischen Besatzer nach unten loszustürmen) erfreut sich auch bei Rechtsterroristen großer Beliebtheit. Der steirische Neonazi und Briefbombenmörder Franz Fuchs, der neuseeländische Attentäter von Christchurch und auch der norwegische Massenmörder Anders Breivik: Sie alle bezogen sich explizit auf diese Schlacht als narrative Unterfütterung für ihren mörderischen Wahn. (derstandard.at, 12.9.23)
Wien: „Zur Zeit“ diffamiert Selmayr
Das mit österreichischen Steuergeldern geförderte rechtsextreme Mölzer-Medium „Zur Zeit“ (10.9.23) diffamiert den EU-Botschafter Martin Selmayr als „Gauleiter“. Autor des NS-relativierenden Schmähtextes ist Erich Körner-Lakatos, dessen Häme regelmäßig auch als Satire getarnt in „Zur Zeit“ abgedruckt wird und immer auf einem moralisch und intellektuell schlichtweg unterirdischen Niveau grundelt. Neben der Behauptung, Selmayrs Verhalten würde an „Gauleiter in der Zeit zwischen 1938 und 1945“ erinnern, wirft E.K.-L. in dem Kurztext noch mit zahlreichen weiteren Untergriffen um sich.
Wien: Elfriede Jelinek ist Wiener Ehrenbürgerin
Die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wurde am 12. September zur Ehrenbürgerin Wiens erklärt. Die FPÖ schäumt ob dieser Auszeichnung und bewirft die Autorin mit Dreck. Das wundert nicht und hat eine lange Tradition im ganzen blaubraunen Milieu. Denn Jelineks literarisches Schaffen ist und war untrennbar verbunden mit einer manchmal auch humorvoll, aber stets messerscharf vorgebrachten Kritik an den schweigsamen, autoritären Verhältnissen im post-nazistischen Österreich sowie deren sprachlicher Normalisierung und Reproduktion. Dieses Kritikvermögen stellte sie auch bei der Entgegennahme des Preises unter Beweis:
Ich wundere mich sehr, dass bei dieser Normalitätsdebatte niemand vom gesunden Volksempfinden der Nazis redet, denn von dort kommt das her. In einem Land, wo so viele Landeshäuptlinge ohne Not und ohne Zwang mit diesen Leuten zusammengehen, mit Protofaschisten, Neofaschisten, Neonazis sogar, muss man diese Stadt mit ihrer ganzen Multikulturalität und ihrer Integrationskraft des Fremden hochhalten. (Jelinek zit. nach derstandard.at, 13.9.23)
Wien: FPÖ-Antifeminismus im Sozialausschuss
Im parlamentarischen Sozialausschuss, wo vergangenen Mittwoch die geplante Reform der Elternkarenz diskutiert wurde, haben sich FPÖ-Abgeordnete in ihrem autoritären Kernfamilien-Sexismus dazu verstiegen, der Grünen Frauensprecherin Meri Disoski auszurichten, sie solle nicht über Kinderbetreuung sprechen, weil sie keine Kinder habe. Eine unsägliche sexistische Attacke, die allerdings nichts als die antifeministische Normalität der Blauen widerspiegelt. Dass diese Normalität nicht einmal auf innere Kohärenz angewiesen ist, hat „Presse“-Redakteurin Julia Wenzel in einem Kommentar treffend pointiert: Wenn Kinder-Haben die Voraussetzung dafür sein soll, sich politisch mit Kinderbetreuung zu befassen, stellt sich die Frage, warum es dann ok ist, wenn der Philosophiestudium-Abbrecher Herbert Kickl ein Pferdeentwurmungsmittel zur medizinischen Kur anempfehlen darf, obwohl er kein Arzt ist. Aber um Logik geht es bei derlei Attacken freilich nicht, sondern bloß um das Shaming und sexistische Platzzuweisen von Frauen.
Wien: „Hartgeld“-Betreiber verstorben
In rechtsextremen Social-Media-Kanälen ist zu lesen, dass Walter K. E., Betreiber des rassistischen Hetzblogs „Hartgeld.com“, im August verstorben ist. Seine Ergüsse – einschließlich heftigster Drohungen – führten dazu, dass das Landesgericht Wien im November 2020 entschied, den Mann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen. Die Einschätzung eines Gerichtspsychiaters attestierte ihm, zurechnungsunfähig und gefährlich zu sein. Dem Gerichtsurteil waren Jahre mit Verfahren in Österreich und Deutschland vorangegangen. E. war 2022 mit Auflagen aus dem Maßnahmenvollzug entlassen worden.
„Hartgeld.com“, das E. ab März 23 wieder in Betrieb gesetzt hatte, ist nach wie vor online – mit vielen widerlichen Kommentaren aus der Vergangenheit.
Wien: Hausdurchsuchungen bei den Neonazi-Hooligans von „Unsterblich Wien“
Sieben Hausdurchsuchungen wurden vergangenen Mittwoch (13.9.23) bei den rechtsextremen Hooligans von „Unsterblich Wien“, einem ehemaligen Fanclub der Wiener Austria, durchgeführt. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) ermittelt bereits seit Frühjahr 2022 wegen des Verdachts auf nationalsozialistische Wiederbetätigung gegen insgesamt 13 Verdächtige. Die Truppe ist in den Jahren zuvor regelmäßig auffällig geworden – auch durch Gewalttätigkeit.
Bei den jüngsten Hausdurchsuchungen wurden u.a. zahlreiche NS-Devotionalien sichergestellt:
Bei den Verdächtigen seien zahlreiche NS-Devotionalien, Kutten, Waffen, Handys, Datenträger und kleine Mengen Drogen sichergestellt worden, heißt es in der Aussendung. Besonders relevant seien die sichergestellten Kutten, da auf diesen stilisierte und leicht abgewandelte SS-Totenköpfe als Aufnäher abgebildet sind und sich die Gruppe damit öffentlich zeigt bzw. in Szene setzt. (derstandard.at, 15.9.23)
Bezüglich der zahlreichen Waffenfunde bei Razzien in letzter Zeit sprach das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) kürzlich v.a. hinsichtlich Wien von „der Herausbildung eines gefährlichen Dreiecks aus Neonazismus, Kampfsport und Motoradclubkultur“ (doew.at, Juli 2023).
Ein österreichischer Nachwuchs-Neonazi im Europol-Terrorismus-Report
Im Oktober 2022 wurde ein 15-Jähriger in Österreich verhaftet. Er soll mit den Neonazi-Terrorgruppen „Feuerkrieg Division“ und „Atomwaffen Division“ sympathisiert, deren Propaganda verbreitet und online über geplante Anschläge auf Asylunterkünfte diskutiert haben. Diese Information entstammt dem nun vorliegenden Europol Terrorismus-Report 2023. Es fragt sich, warum über diesen Fall damals von den österreichischen Behörden nichts zu hören war.