Wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien erklärte, fehlte der an Zadić gerichteten Drohung so etwas wie das Moment der Glaubwürdigkeit: „Für die Erfüllung des Tatbestands wäre es erforderlich, dass der Verdächtige Einfluss hat, dass das passiert, was er androht.” (wien.orf.at, 4.11.20) Das klingt etwas zynisch, hat aber möglicherweise damit zu tun, dass schon vor der Drohung an Zadić im Juni 2020 ein psychiatrisches Gutachten über Walter E. erstellt worden ist, das ihm Unzurechnungsfähigkeit attestierte, aber doch auch Gefährlichkeit: „Der Experte stuft den Mann als zurechnungsunfähig ein, hält ihn allerdings für derart gefährlich, dass er sich – sollte im offenen Verfahren ein Schuldspruch erfolgen – für eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausspricht.“ (APA, zit. nach sn.at, 3.9.20).
Also eigentlich schon gefährlich, oder? Irritierend fällt allerdings die weitere Begründung aus, warum die Ermittlungen gegen E. zu den Drohungen nicht weiter verfolgt wurden, zumal darüber medial berichtet und E. mit Bezug auf das mediale Echo noch nachgelegt hat:
Weiters sei dem Mann nicht nachzuweisen gewesen, dass er überhaupt den Vorsatz hatte, dass Zadic bzw. die Regierung Kenntnis von seinen Drohungen erlangen. Um eine gefährliche Drohung strafrechtlich zu verfolgen, sei es aber erforderlich, dass der Verdächtige darauf abzielt, dass diese die Adressaten erreicht, sagte Bussek. (wien.orf.at)

Seit Jahren schon quälten sich österreichische, aber auch deutsche Gerichte mit Walter E. herum. Wie das Portal „Psiram“ in seinem ausführlichen Eintrag zu E. berichtet, wurde 2016 beim Amtsgericht Görlitz (D) ein Verfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet. 2017 wurde er wegen Beleidigung eines deutschen Bürgermeisters zu einer Geldstrafe (nicht rechtskräftig) verurteilt und 2018 schließlich wegen übler Nachrede gegen die frühere Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig, zu drei Monaten bedingt und einer Geldstrafe von 2.200 Euro. 2019 schließlich fand im Jänner eine Hausdurchsuchung bei Walter E. in seiner Wohnung und auch in seiner „Fluchtburg“ statt, die vermutlich im Zusammenhang mit Ermittlungen deutscher Behörden stand. Bei dieser Razzia wurden Waffen, Computer und andere Datenträger beschlagnahmt.
Im Juni 2020 musste sich Walter E., der seine persönlichen Kommentare auf „hartgeld.com“ immer mit dem Kürzel „WE“ zeichnete, vor dem Landesgericht Wien wegen einer Veröffentlichung verantworten, „gegen die ein Betroffener rechtliche Schritte eingeleitet hat“, wie der „Standard“ schrieb. Es dürfte sich also um ein Verfahren wegen übler Nachrede oder Beleidigung gehandelt haben.
Das Verfahren, wegen dem Walter E. jetzt im November vor Gericht stand, bezog sich allerdings auf den Verdacht der Verhetzung: „Im Prozess ging es (…) ‚nur‘ um diffamierende Äußerungen gegen Farbige und Moslems, die der 68-Jährige seit 2016 veröffentlicht hatte.“ (wien.orf.at) Die stammen vermutlich (auch) aus einer Sachverhaltsdarstellung, die Karl Öllinger, Redakteur von „Stoppt die Rechten“ und damals Abgeordneter Grünen, im Jahr 2017 eingebracht hatte. „Falls Öllinger gegen uns vorgehen sollte, dann gibt es verschärftes Vorkuta!WE“, hatte er damals auch geschrieben. Workuta, das war eines der ärgsten sowjetischen Arbeitslager.
Drohungen dieser Art waren bei WE alltäglich. Gegenstand der Sachverhaltsdarstellung waren allerdings die zahlreichen und unerträglich rassistischen und hetzerischen Kommentare von WE, die er gegen homosexuelle, muslimische, afrikanische und arabische Menschen richtete.

Im September, nach seinen Drohungen gegen Zadić und auch andere Regierungsmitglieder, wollte E. noch Vorbereitungen treffen – wie fast immer bei ihm mit Drohungen verbunden:
Nachdem heute die nächste ernstzunehmende Warnung vor meiner Einweisung in die geschlossene Psychiatrie gekommen ist, muss ich das ernst nehmen und Vorsichtsmassnahmen ergreifen. Diese werden meine Zeit beanspruchen. Seid sicher: die besten Anwälte, die es dafür gibt, werden mir helfen und einen riesigen Medienwirbel erzeugen. Sobald das Systemende gekommen ist, wird es wohl Kreuzigungen für die Verantwortlichen geben.WE.

Das Verfahren vor dem Landesgericht in der Vorwoche fand dann allerdings ohne riesigen Medienwirbel und offensichtlich auch ohne die besten Anwälte statt. Das Urteil wurde nicht sofort rechtskräftig, weil sich E. Bedenkzeit erbat.
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