Gastbeitrag: Das unerbittliche Engelsgesicht

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Wenn man sieht, wie Öster­reichs Poli­tik die Gesell­schaft spal­tet, kann man guten Gewis­sens sagen, das Virus ist ein Ler­cherl dage­gen. Lasst euch das von einem Risi­ko-Pati­en­ten gesagt sein: Fürch­ten muss man sich hier­zu­lan­de vor der sub­ti­len Unter­wan­de­rung der Demo­kra­tie durch rechts­extre­mes Gedan­ken­gut, rechts von Mit­te-Rechts. Lest doch das bio­gra­fi­sche Buch von Rein­hold Mit­ter­leh­ner, „Hal­tung, 2019, Ver­lag Eco­win“! Es beschreibt die Geschich­te einer auf den Kopf gestell­ten Königs­mord-Tra­gö­die, einer infer­na­li­schen Intri­ge. Ein Gast­bei­trag von Lutz Eli­ja Popper.

Der Autor: Lutz Eli­ja Popper

Gebo­ren 1938 in Wien; Flucht im Juli 1939 mit den Eltern und dem zwei­jäh­ri­gen Bru­der über die Schweiz nach Boli­vi­en. In der Emi­gra­ti­on Besuch der Volks­schu­le, bevor die um zwei Schwes­tern erwei­ter­te Fami­lie Ende 1947 nach Wien zurück­kehrt. Nach dem Medi­zin­stu­di­um Tätig­keit als prak­ti­scher Arzt und Aus­bil­dung zum Fach­arzt für Uro­lo­gie; spä­ter Lei­ter des LKH-Ober­wart und eben­dort Pri­mar­arzt. Als Grün­dungs- und Vor­stands­mit­glied des Ver­eins RE.F.U.G.I.U.S (Rech­nit­zer Flücht­lings- und Geden­kinitia­ti­ve und Stif­tung) enga­giert für die NS-Opfer der Jah­re 1938–1945 im Bur­gen­land, ins­be­son­de­re für eine wür­di­ge Gedenk­stät­te für die Opfer des sog. Süd­ost­walls beim Kreuz­stadl in Rech­nitz. Aus dem Gesche­hen die­ser Jah­re lei­tet REFUGIUS eine beson­de­re Ver­pflich­tung für das heu­ti­ge Öster­reich ab, sich für eine huma­ne und gerech­te Flücht­lings- und Asyl­po­li­tik stark zu machen (www.refugius.at).

Lutz Elija Popper (Screenshot Interview "weiter erzählen" 2010)

Lutz Eli­ja Pop­per (Screen­shot Inter­view „wei­ter erzäh­len” 2010)

Inter­view mit Lutz Eli­ja Pop­per in der Serie „wei­ter erzäh­len“)

Fehlende Lebenserfahrung

Die Wah­rung der Grund­rech­te ist eine so wesent­li­che gesell­schaft­li­che Ver­pflich­tung, dass es erstaun­lich und inak­zep­ta­bel ist, wie Sebas­ti­an Kurz damit umgeht. Wenn er selbst einen for­ma­len Feh­ler begeht, wie damals im Wal­ser­tal, Ischgl oder nun bei Coro­na: Schuld hat sowie­so jemand ande­rer. Wer das nicht ver­werf­lich fin­det, weiß offen­bar auch nicht, was Libe­ra­le Demo­kra­tie ist. Und einen Feh­ler zu erken­nen, gar ihn zuzu­ge­ben, das konn­ten Poli­ti­ker von rechts außen noch nie beson­ders gut.

Immer deut­li­cher wird, dass jener jun­ge Mann, der sich im Augen­blick Bun­des­kanz­ler nen­nen darf, kei­ne aus­rei­chen­de Lebens­er­fah­rung hat. Dass er, wie Androsch beschreibt, sein Hand­werk nicht ver­steht. Den ande­ren Jun­gen, mit wel­chen er sich umge­ben hat, die sei­ner Mes­sa­ge-Con­trol zu fol­gen haben, fehlt es eben­so an Erfah­rung. Weder mit dem Leben eines nor­ma­len Berufs­tä­ti­gen, das sie ja nicht ken­nen, kom­men sie zurecht, noch mit dem, was es heißt, als Poli­ti­ker in der ers­ten Rei­he Ver­ant­wor­tung zu tragen.

Wenn sie vor einer Kame­ra ste­hen, wenn sie Fra­gen beant­wor­ten sol­len, die vor­her vom Chef nicht schon bin­dend beant­wor­tet wor­den sind, darf man die jun­gen, auf­stre­ben­den und eigent­lich recht klu­gen Leu­te eher bedau­ern. Sie bemer­ken schein­bar nicht, dass sie dazu erzo­gen wer­den, kei­ne frei­en Men­schen zu sein. Und das Schlimms­te, das einem Demo­kra­ten pas­sie­ren kann, ist vor einer welt­li­chen, gar einer poli­ti­schen Auto­ri­tät in die Knie zu gehen.

Eini­ge der Mit­ar­bei­ter, wie etwa Mah­rer (hat Sozial‑, Wirt­schafts- und Betriebs­wis­sen­schaft stu­diert) oder Neham­mer („Kick­ham­mer“), der Berufs­sol­dat, der einen Uni­ver­si­täts­lehr­gang absol­viert, zumin­dest besucht hat, mögen in ihren beruf­li­chen Berei­chen als Fach­leu­te und Prag­ma­ti­ker ihre Meri­ten haben. Als Poli­ti­ker schei­nen sie sich nicht beson­ders zu eig­nen. Denn die Lie­be zu den Men­schen, ers­te Pflicht der Poli­tik, wird man­cher­orts offen­bar nicht unterrichtet.

Vom Finanz­mi­nis­ter Blü­mel gar nicht zu reden, der mög­li­cher­wei­se als ein pro­fun­der Phi­lo­soph (aktu­ell von Robert Men­as­se in Fra­ge gestellt) gel­ten konn­te, in sei­nem poli­ti­schen Wir­kungs­be­reich aber gera­de zeigt, dass Erin­ne­rungs­ver­mö­gen und Wis­sen um das Finanz­we­sen und die Wirt­schaft, nicht sei­ne Stär­ke sind. Die öster­rei­chi­sche Geschich­te, kennt er offen­bar schon gar nicht. Oder ist sie ihm ein­fach nur wurscht?

Sie alle, ins­be­son­de­re die jun­gen Mit­ar­bei­ter und die weib­li­chen Bewun­de­rer des Bun­des­kanz­lers, eigent­lich auch er selbst, so scheint’s, sind kei­ne pri­mär bös­ar­ti­gen Men­schen. Aber sie sind immer mehr über­for­dert in ihrer poli­ti­schen Funk­ti­on. Wie soll auch jemand, Mit­te 30, Matu­rant, der über die Kader­aus­bil­dung in der poli­ti­schen Schu­le der ÖVP hin­aus eher wenig All­ge­mein­bil­den­des mit­bringt, wie und woher soll so jemand alles das wis­sen, was ein um 20 und mehr Jah­re älte­rer, lebens­na­her, libe­ra­ler Mensch mit Beruf und Fami­lie an Erfah­rung gesam­melt hat? Wie kann das jemand, der die wesent­li­chen, oft har­ten und unaus­weich­li­chen, die eige­ne Iden­ti­tät for­men­den Schlä­ge des Lebens und der Poli­tik nicht schon ein­ge­steckt hat.

Es stellt sich auch längst die Fra­ge, wer aller des Bun­des­kanz­lers Bera­ter bei sei­nen Ent­schei­dun­gen zur Bewäl­ti­gung der Coro­na­kri­se ist. Er hat Namen bis­her nicht genannt, hat sich selbst in die ers­te Rei­he gestellt und Din­ge zu ver­mit­teln ver­sucht, die nur ein Fach­mann in gebo­te­ner Form über­schau­en und inter­pre­tie­ren kann. Er ist daher auch jener, der die Kri­tik dafür ein­zu­ste­cken hat.

Und wir alle, die das Gesche­hen beob­ach­tet haben, waren am Anfang sehr über­rascht wor­den von der pan­de­mi­schen Ver­brei­tung einer Virus­in­fek­ti­on, die wir in die­ser glo­ba­len Form noch nicht erlebt haben. Außer dem rechts­extre­men, genia­len Zahn­tech­ni­ker, der nicht ein­mal eine Matu­ra vor­wei­sen kann und uns noch heu­te sagt, wie man mit einer Pan­de­mie umgeht.

Wir ste­hen aber auch nicht an zu beto­nen, dass wir in der Beur­tei­lung des Gesche­hens – vor allem was die Pro­gno­se anging – auch nicht zu ande­ren Ergeb­nis­sen gekom­men sind und anfangs nichts hät­ten bes­ser machen kön­nen, als die medi­zi­ni­sche Task Force. Dass die Regie­rung in Öster­reich aber schon frü­her als wir nor­ma­len Bür­ger viel mehr wuss­te und ver­zö­gert dar­auf reagiert hat, lässt sich als Feh­ler nicht leugnen.

Dass der soge­nann­te Lock­down einen chao­ti­schen Ein­druck hin­ter­ließ, liegt offen­bar an feh­len­der Kennt­nis der agie­ren­den Poli­ti­ker über sozi­al-medi­zi­nisch-epi­de­mio­lo­gi­sche Ver­läu­fe. Dazu hat sich auch das Feh­len von ganz bana­ler all­ge­mei­ner Erfah­rung in wirt­schaft­li­chen Fra­gen kata­stro­phal aus­wirkt. Das scheint gera­de zum Dra­ma anzu­wach­sen, an dem selbst­ver­ständ­lich, Kurz gesagt, nie­mand aus der Regie­rung schuld ist.

Message-Kontrollfreak

Ja, was sind denn eigent­lich Exper­ten, wer sind jene Leu­te, auf die sich unser Mes­sa­ge-Kon­troll­freak ver­lässt. Sucht er sich die­se nach dem glei­chen Sche­ma aus wie sei­ne Mit­ar­bei­ter, also danach, wie situa­ti­ons­elas­tisch sie sind, wie schnell sie sei­ne Mei­nung nach­plap­pern? Sind das manch­mal auch Leu­te, die ihre Mei­nung nach Kri­te­ri­en aus­rich­ten, die wir nicht als sach­lich erken­nen? Sind das nur soge­nann­te gute Freun­de, die der poli­ti­schen Par­tei, die der Kanz­ler reprä­sen­tiert und von der sie leben, nicht weh­tun möchten?

Das ist schwer zu beant­wor­ten, da zuneh­mend höchst erfah­re­ne Bera­ter wort­los aus­ge­schie­den sind. Waren Wis­sen­schaf­ter, seit Jah­ren mit sozia­ler Medi­zin und ihren Pro­ble­men kon­fron­tiert, in ihrer Exper­ti­se dem Chef bloß poli­tisch nicht genehm? Aus feh­len­der eige­ner Erfah­rung, hat Kurz schließ­lich auch das „legis­ti­sche Unver­mö­gen“, das ihm höchs­te Juris­ten attes­tie­ren, nicht erken­nen können.

Kurz hat hin­ten­nach die­sen Fach­leu­ten unter­stellt, sie sei­en halt die „fal­schen Exper­ten“ gewe­sen. Denn wer ein Exper­te ist, ent­schei­det neu­er­dings in Öster­reich ein uner­fah­re­ner Matu­rant, der offen­bar der Mei­nung ist, er kön­ne und wis­se alles. Dass man die Kom­ple­xi­tät der Welt in die­sem Alter eher noch nicht ganz erfasst hat, wis­sen aber wir alle, die auch ein­mal 30 Jah­re alt gewe­sen sind. Er hät­te zumin­dest sei­nen Her­zens­freund HC Stra­che fra­gen kön­nen, der ihm dann fach­män­nisch erklärt hät­te, dass hin­ter dem Gan­zen eine links­lin­ke Par­tie steckt, gewis­ser­ma­ßen die Ter­ror­spit­ze der lin­ken Jagd­ge­sell­schaft, die ihn, das poli­ti­sche Genie Stra­che, in die in Ibi­za-Fal­le gelockt habe.

Schüren von Angst

Mit 30 Jah­ren, als fer­ti­ger All­ge­mein­me­di­zi­ner und gera­de in Aus­bil­dung zum Fach­arzt ste­hend, hat sich mei­ne Gene­ra­ti­on noch auf der unters­ten Stu­fe des Exper­ten­wis­sens gewähnt. Und hier kommt ein jun­ger, fescher, rhe­to­risch begab­ter, sehr selbst­si­che­rer Poli­ti­ker und erklärt uns, was eigent­lich rich­tig ist in unse­rem urei­ge­nen Fach­ge­biet. Ich den­ke dabei reflex­ar­tig an sei­ne ehe­mals von türkis/braun ange­dach­te Sozi­al- und Gesund­heits­po­li­tik, die ste­cken geblie­ben ist in Büro­kra­tie, Par­tei­po­li­tik und ganz gewöhn­li­cher Mauschelei.

Was dem poli­ti­schen Pro­ce­de­re im Kampf gegen Coro­na schwer gescha­det hat, war der Umstand, dass die­ser jugend­li­che Bun­des­kanz­ler mit dem Schü­ren von Angst in rechts­extre­mer Manier gear­bei­tet hat. Dass er die nor­ma­ti­ve, bei jedem gesun­den vor­han­de­ne und lebens­not­wen­di­ge Angst, in eine patho­lo­gi­sche ver­wan­delt hat. Und im grund­fal­schen Ton der Auto­ri­tät, hat er eine brei­te Dis­kus­si­on ver­un­mög­licht. Ab Anfang April haben alle, die sich damit ernst­haft aus­ein­an­der­ge­setzt haben, ob aus der medi­zi­ni­schen, der sozia­len oder wirt­schaft­li­chen Ecke, wirk­lich Angst gekriegt.

Von da an hat auch das hohe Arti­ku­la­ti­ons­ta­lent des Bun­des­kanz­lers den Scha­den nicht mehr so recht ein­fan­gen kön­nen. Wobei Kurz dafür zu bewun­dern ist, mit wie ein­fa­chen Wor­ten er wie viel redet und damit prak­tisch kaum etwas sagt. Eine so ein­fa­che Erklä­rung der Welt, wie sie der Jung­kanz­ler zustan­de bringt, selbst für die Leser der Kro­nen­zei­tung ver­ständ­lich, das kann doch nur jemand, der sich die Welt so ein­fach vor­stellt. Sei­ne Feh­ler, haben auch jene Mit­schul­di­gen aus­zu­ba­den, die sich dem Mes­sa­ge-Con­trol­ler aus­ge­lie­fert haben.

Die ehe­ma­li­gen Her­zens­freun­de Stra­che, Kickl, Hofer und die gesam­te Funk­tio­närs­rie­ge der FPÖ sind Kurz, wie er wie­der­holt bedau­ert, abhan­den­ge­kom­men. Und wir ande­ren hof­fen ja schließ­lich, dass sich die Grü­nen, für mich bis­lang die ein­zi­gen, die sich ganz klar als Anti­fa­schis­ten arti­ku­liert und posi­tio­niert haben, doch nicht poli­tisch aus­schal­ten las­sen werden.

Dass sich Sebas­ti­an Kurz als die füh­ren­de Stim­me der soge­nann­ten „Spar­sa­men Vier“ der EU fei­ern lässt, dass er dabei ist, ent­ge­gen Öster­reichs hohem Inter­es­se, mit der EU in den Clinch zu gehen, macht ein Öster­reich-Bild, wie wir es gar nicht brau­chen kön­nen. Wir, Teil die­ser „Spar­sa­men Vier“, gel­ten längst als die „Gei­zi­gen Vier“ und sind gleich­zei­tig Teil jener klei­nen Län­der­grup­pe, die aus der EU, aus die­sem groß­ar­ti­gen ver­ein­ten Euro­pa, den größ­ten Pro­fit zie­hen konnten.

Der ein­fluss­reichs­te Ober-Exper­te unse­rer Regie­rung fragt selbst offen­bar meist die fal­schen Exper­ten. So tritt näm­lich Sebas­ti­an Kurz, unser Bun­des­kanz­ler, der alles bes­ser weiß, zeit­wei­se mit ganz böser Anti-EU Poli­tik auf. Das Ver­ein­te Euro­pa gerät dabei in Gefahr!

Und ich wie­der­ho­le mich, wenn ich dazu mein Cre­do for­mu­lie­re: Ich glau­be nicht, dass unse­re der­zei­ti­gen Poli­ti­ker genu­in böse sind, aber es ist bei Beob­ach­tung ihrer Per­for­mance nicht zu über­se­hen, dass vie­le die­ser jun­gen Men­schen eigent­lich gar nicht wis­sen, was libe­ra­le Demo­kra­tie ist. Dass ihnen Wis­sen und Erfah­rung fehlen.

So ist auch die letz­te Auf­re­gung im Zusam­men­hang mit den Pro­ble­men unse­res Mili­tärs zu ver­ste­hen. Ich war selbst nie beim Mili­tär, habe mich sei­ner­zeit sehr dar­um bemüht, für das Mili­tär nicht taug­lich zu sein, war immer vol­ler Vor­be­hal­te gegen Sol­da­ten, Krieg, und gegen alles, was mit Waf­fen und Aggres­si­vi­tät zu tun hat.

Aber heu­te, mit 80+, gehö­re ich zu jenen Bür­gern, die im Lau­fe eines lan­gen Lebens erfah­ren und zu schät­zen gelernt haben, dass ein gut aus­ge­bil­de­tes und demo­kra­tisch geführ­tes Heer ganz wesent­li­che Auf­ga­ben für die Zivil­be­völ­ke­rung erfüllt, für jeden von uns. Nicht nur, doch ganz beson­ders in Zei­ten von Kata­stro­phen. Und dass Mili­tär nicht per se etwas Böses ist. Son­dern, dass man es bloß nach­drück­lich vor Miss­brauch durch Uner­fah­re­ne oder Rechts­extre­me schüt­zen muss.

Es stellt sich immer kla­rer dar, dass die tür­ki­se Regie­rung uns, die Bür­ger die­ses Öster­reich, für dumm ver­kauft. Wir alle begin­nen dar­über nicht nur nach­zu­den­ken, son­dern auch zu reden, dass Öster­reich immer mehr einer Bana­nen­re­pu­blik ähn­lich wird, in der das Unmög­li­che mög­lich scheint. Die­ser Tage ist es die unsäg­li­che Ibi­za-Gau­ne­rei, um die her­um schein­bar alle Par­tei­en, wenn auch in unter­schied­li­chem Aus­maß, ihre oft schwer durch­schau­ba­ren eige­nen Vor­tei­le suchen.

Im Zen­trum werkt eine jun­ge Regie­rungs­mann­schaft, die eben das Leben noch nicht wirk­lich gelebt hat, die einen Feh­ler nach dem ande­ren macht und jeweils ver­sucht, die­se durch immer wie­der neue Feh­ler gut zu machen. Uns gestan­de­nen Öster­rei­chern wird vor­ge­lebt, was gut gemeint hei­ßen kann.

Wir haben den Coro­na-Fach­leu­ten aus den Berei­chen Medi­zin, Epi­de­mio­lo­gie und Mathe­ma­tik, die Her­vor­ra­gen­des geleis­tet haben, anfangs zöger­lich, dann zuneh­mend applau­diert. Die Regie­rung hat es aber ver­stan­den, unter teil­wei­ser Miss­ach­tung der Rat­schlä­ge der aus­ge­wie­se­nen Exper­ten, Din­ge zu tun, die zum Scha­den des Lan­des gewor­den sind. Vor allem zum wirt­schaft­li­chen Scha­den, wie man heu­te sieht, wo Öster­reich in man­chen Berei­chen offen­kun­dig in den Sand gesetzt wurde.

Arrogante Jungtruppe

Die wirt­schaft­li­chen Gefah­ren auf dem Weg vom Break­down zum Wie­der­hoch­fah­ren, hat die­se arro­gan­te poli­ti­sche Jung­trup­pe falsch ein­ge­schätzt. Der phi­lo­so­phi­sche Finanz­mi­nis­ter Blü­mel hat immer wie­der und wäh­rend sei­ner Wahl­wer­bung in Wien beson­ders häu­fig und ein­dring­lich wis­sen las­sen, dass er für jene Men­schen ste­he, die er als die „Leis­tungs­trä­ger“ sieht. Und er nann­te Han­del, Wirt­schaft und Indus­trie. Die Arbeit­neh­mer sind ihm in die­sem Zusam­men­hang nicht ein ein­zi­ges Mal über die Lip­pen gekom­men. Er weiß wirk­lich nicht, wer die wah­ren Leis­tungs­er­brin­ger in Öster­reichs Gesell­schaft sind.

Das Kata­stro­pha­le dar­an ist, dass schwer­wie­gen­de Feh­ler gemacht wur­den, die man uns, den Wäh­lern, aber unbe­dingt ver­schwei­gen möch­te. Dazu wur­den sei­tens der Regie­rung aller­lei Ver­schwö­rungs­my­then bedient, die glau­ben machen sol­len, nicht nur wir alten Risi­ko-Zom­bies, son­dern auch Öster­reichs jun­ge Men­schen wären dumm genug, das nicht zu bemer­ken. Jene „fal­schen Exper­ten“, die Ende März ganz offen­kun­dig die rich­ti­gen Emp­feh­lun­gen gege­ben hat­ten, aber von der Regie­rung nicht ernst genom­men wur­den, haben sich dazu schon sehr klar kor­ri­gie­rend geäußert.

Teflon-Politiker

So sehr wir alle ver­in­ner­licht haben, so sehr wir zum Teil aus dem eige­nen Leben schon wis­sen, dass bei Infek­tio­nen aller Art Abstand ein wesent­li­cher Fak­tor der Pro­phy­la­xe ist, kön­nen wir es nicht mehr hören, dass als Maß­stab arme Ele­fan­ten-Babys durch die Gegend getrie­ben wer­den. Die Mehr­zahl der Bevöl­ke­rung inter­pre­tiert das offen­bar sowie­so als Ele­fan­ten-Embry­os, weil das ist eine aus­rei­chend fle­xi­ble, für jeden indi­vi­du­ell vor­stell­ba­re Grö­ße ist, die einen nicht bindet.

Und die Regie­rung der uner­fah­re­nen Jugend­li­chen ist der­zeit ganz kon­zen­triert dabei, in einem Akt durch­grei­fen­der Des­in­for­ma­ti­on so zu agie­ren, dass im Zusam­men­hang mit Ibi­za ein desas­trö­ses Bild ent­steht. Sie hat im par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuss auf Fra­gen zu Vor­komm­nis­sen, auf wel­che wir alle die Ant­wor­ten ken­nen, nichts gese­hen oder gehört. Man stellt sich naiv, ver­dreht und ver­tuscht nach allen Rich­tun­gen und ver­höhnt die Wäh­ler. Es wird so viel gelo­gen, ver­bo­gen und umge­deu­tet, dass, frei nach Karl Kraus, nicht ein­mal mehr das Gegen­teil aller die­se Lügen wahr ist.

Wir sehen und erle­ben auch schmerz­haft, wie unse­re Grü­nen, lupen­rein demo­kra­tisch und bis­lang nicht kor­rum­pier­bar, gegen die Tür­ki­sen ums Über­le­ben in die­ser Regie­rung kämp­fen. Wenn ich auch nicht zu den tra­di­tio­nel­len Grün­wäh­lern zäh­le, kann ich nicht umhin die­ser Mann­schaft mei­nen Respekt aus­zu­spre­chen dafür, dass sie sich bis­her so gut durch­schlän­gelt, noch nicht ganz ver­fan­gen hat im per­fekt geknüpf­ten Netz der auto­ri­tä­ren Mes­sa­ge-Con­trol Regie­rung eines ver­meint­li­chen poli­ti­schen Talents und sei­nes Klüngels.

Eine Par­tei aber, die sich „christ­lich-sozi­al“ nennt, die gleich­zei­tig alles ver­mis­sen lässt, was das unter­mau­ern könn­te, ist für mich eine Kata­stro­phe. Ein Jung­kanz­ler, den man mit gutem Gewis­sen als Tef­lon-Poli­ti­ker bezeich­nen kann, dem jedes Gefühl von Wär­me ab zu gehen scheint, der, wie im Fall der Kin­der und Jugend­li­chen in Moria, kalt und hart bleibt wie der sprich­wört­li­che Eis­zap­fen, ist mir, um es im „aka­de­mi­schen Sprech“ von (Alt­bür­ger­meis­ter) Zilk aus­zu­drü­cken, zum Kot­zen. Tür­kis dis­kri­mi­niert gera­de scham­los die Mensch­lich­keit! (= Huma­ni­tät, für den stu­dier­ten Phi­lo­so­phen Blü­mel). Die Aus­sa­gen des Jung­kanz­lers Sebas­ti­an Kurz vor dem par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuss, sei­ne beträcht­li­chen Lücken, ins­be­son­de­re aber jene kata­stro­pha­le Vor­stel­lung des beson­ders ver­gess­li­chen Finanz­mi­nis­ters, der sich an über­haupt nichts mehr erin­nern möch­te, gehö­ren doku­men­tiert und nie­mals vergessen!

Die Arro­ganz der Buberl/Mäderlpartie unse­rer tür­ki­sen Regie­rung macht kei­nen Halt vor dem Par­la­ment. Sie zeigt dort ganz klar, was sie von uns, die wir als Wäh­ler das Par­la­ment reprä­sen­tie­ren, in Wirk­lich­keit hält. Sie macht sich im Unter­su­chungs­aus­schuss über uns lus­tig und merkt nicht, dass sie sich in wei­te­rer Kon­se­quenz zu einer nicht mehr akzep­ta­blen Bas­ti-Sek­te rück­ent­wi­ckeln könnte.

Und der Vor­sit­zen­de des Par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schus­ses Sobot­ka, einer der Väter der tür­ki­sen soge­nann­ten Bewe­gung, pflanzt gera­de das Par­la­ment, also uns, das Wahl­volk. Der Ruf nach sei­ner Ablö­sung, der aus allen poli­ti­schen Rich­tun­gen kommt, soll­te auch für Bas­ti (das klingt mir schön lang­sam wie die Ver­nied­li­chung einer aus­ge­wach­se­nen Bedroh­lich­keit) Kurz unüber­hör­bar sein. Also in Zukunft – nur mehr Kurz.

Der aus tiefs­ter, libe­ra­ler, empa­thi­scher See­le unse­res Bun­des­prä­si­den­ten for­mu­lier­te Satz „so sind wir nicht“, for­dert gera­de­zu her­aus, unse­re Ängs­te mit der Replik zu arti­ku­lie­ren, „doch, so sind wir!“ Und gegen das Virus kön­nen wir uns bald imp­fen. Gegen den tür­ki­sen Mit­te-Rechts-Extre­mis­mus ist noch kein Kraut gewachsen.