Wochenschau KW 46/20 (Teil 1)

Selt­sa­me Raz­zi­en im rechts­extre­men Milieu, eine ver­ba­le Trau­er­kund­ge­bung für Hit­lers Hund „Blon­di“ und abstru­se Vor­stel­lun­gen vom KZ Maut­hau­sen als Frei­zeit­camp – das sind Split­ter aus unse­rem Rück­blick auf die letz­te Woche.

Akti­on „Hate crime“: Haus­durch­su­chun­gen bei Rechtsextremen
Bez. Oberwart/Eisenstadt: NS-Bil­der und Drogenweitergabe
St. Pöl­ten: Trau­er um „Blon­di“
Bez. Zwettl-Krem­s/NÖ: Sprach­lo­ser Staatsanwalt
Salz­burg-Inn­vier­tel/OÖ: Reichs­ad­ler und Wehr­machts­spruch am LKW

Akti­on „Hate crime“: Haus­durch­su­chun­gen bei Rechtsextremen

Die ins­ge­samt elf Haus­durch­su­chun­gen, die unter dem Label „Akti­on Hate crime“ am 10.11. in sie­ben Bun­des­län­dern bei Rechts­extre­men durch­ge­führt wur­den, kamen über­ra­schend und las­sen sich nur schwer ein­ord­nen. Bun­des­wei­te Raz­zi­en aus­schließ­lich wegen Pos­tings und Chat­nach­rich­ten? „Haupt­säch­lich sei es dabei um Pri­vat­per­so­nen gegan­gen. Bekann­te kri­mi­nel­le Netz­wer­ke sei­en nicht dar­un­ter gewe­sen. Das Innen­mi­nis­te­ri­um beton­te, es habe zahl­rei­che Anzei­gen nach dem Ver­bots­ge­setz und wegen Ver­het­zung gege­ben“, mel­det die APA. 40 Per­so­nen sei­en betrof­fen, bei zwei sind offen­bar ille­ga­le Waf­fen gefun­den wor­den. Das erin­nert ver­däch­tig an die unter gro­ßem Getö­se ver­an­stal­te­ten Raz­zi­en im April 2019, als dann die Gene­ral­se­kre­tä­re von Innen- und Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um vor die Kame­ras getre­ten sind und eigent­lich wenig Rele­van­tes zu berich­ten wuss­ten. Bis zum März 2020 kam es noch gegen nie­man­den von den 95 Per­so­nen, gegen die ermit­telt wur­de, zu einer Ankla­ge. In der Beant­wor­tung einer par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge berich­tet Jus­tiz­mi­nis­te­rin Zadić: 

Gegen 21 Beschul­dig­te wur­de das Ermitt­lungs­ver­fah­ren mitt­ler­wei­le ein­ge­stellt, und zwar in 20 Fäl­len von der Staats­an­walt­schaft, in einem Fall über Ein­stel­lungs­an­trag des Beschul­dig­ten vom Gericht. Gegen 39 Beschul­dig­te sind noch Ermitt­lun­gen anhän­gig. Hin­sicht­lich 35 Beschul­dig­ter hat die Staats­an­walt­schaft bereits an die Ober­staats­an­walt­schaft Graz Vor­ha­bens­be­rich­te über die beab­sich­tig­te End­erle­di­gung erstat­tet, die erst teil­wei­se im Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Jus­tiz ein­ge­langt sind und der­zeit geprüft werden.

Auch von den Haus­durch­su­chun­gen im Mai 2020, die wohl im Umfeld von Gott­fried Küs­sel, alpen-donau.info und „Unwi­der­steh­lich“ statt­ge­fun­den haben, sind noch kei­ner­lei Ergeb­nis­se oder Schlüs­se öffent­lich bekannt geworden.

Bez. Oberwart/Eisenstadt: NS-Bil­der und Drogenweitergabe

Für das Pos­ten und die Wei­ter­ga­be von NS-Pro­pa­gan­da via Face­book und Whats­App stand in der letz­ten Woche ein 31-jäh­ri­ger Bur­gen­län­der aus dem Bezirk Ober­wart in Eisen­stadt vor Gericht. Zudem ist wei­te­res ein­schlä­gi­ges Mate­ri­al, dar­un­ter Hit­lers „Mein Kampf“ auf sei­nem Han­dy gefun­den wor­den. Die Moti­ve für das ein­schlä­gi­ge Inter­es­se des Man­nes und für die Pos­tings lesen sich etwas aben­teu­er­lich. Er habe Scher­ze gemacht und „[b]ei den Pos­tings habe er ‚einen rich­tig schlech­ten Tag gehabt‘ (…). Zudem sei er seit einem Arbeits­un­fall 2013 gesund­heit­lich ange­schla­gen und kön­ne nicht mehr in sei­nem bis­he­ri­gen Beruf arbei­ten.“ (burgenland.orf.at, 9.11.20)

Zu den Ver­stö­ßen gegen das Ver­bots­ge­setz kamen auch noch die Wei­ter­ga­be von Dro­gen an Min­der­jäh­ri­ge und der Besitz eines Schlag­rings hin­zu. Das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil:14 Mona­te bedingt und die Anord­nung für Bewährungshilfe.

St. Pöl­ten: Trau­er um „Blon­di“

Recht leb­haft dürf­te es beim Pro­zess eines 55-jäh­ri­gen Nie­der­ös­ter­rei­chers zuge­gan­gen sein, der sich wegen ein­schlä­gig-brau­ner Pos­tings und Kom­men­ta­re vor Gericht zu ver­ant­wor­ten hat­te. Nach Schil­de­rung des „Kurier“ (11.11.20, S. 18) habe sich der Ange­klag­te schon vor Pro­zess­be­ginn mit sei­nem Ver­tei­di­ger ein Wort­ge­fecht gelie­fert. „‚Man wird ja wohl noch sei­ne Mei­nung sagen dür­fen’, echauf­fiert sich der 55-Jährige.“

Vor Gericht ging’s dann um einen Kom­men­tar zu einem Face­book-Pos­ting, in dem der Mann „AH“ (Adolf Hit­ler) als „viel zu weich und zu gut­mü­tig” bezeich­ne­te. 

Er, also der 55-Jäh­ri­ge, wäre eher „für einen här­te­ren Typen wie Sta­lin gewe­sen“. Nicht nur die rund 7.800 Mit­glie­der der Grup­pe lasen mit, auch der Ver­fas­sungs­schutz wur­de auf den Mann auf­merk­sam. Die Ermitt­ler inter­es­sier­ten sich schließ­lich auch für ein Pos­ting auf Insta­gram. Der mitt­ler­wei­le gelösch­te Ein­trag zeigt Hit­ler und sei­nen Hund „Blon­di”. Dazu stand geschrie­ben: „Wir trau­ern heu­te! Vor 75 Jah­ren ver­stor­ben, Blon­di“. (Kurier)

Die wenig ori­gi­nel­le Begrün­dung für die brau­nen Sym­pa­thie­kund­ge­bun­gen: Er „woll­te einen Shit­s­torm der Gut­men­schen pro­vo­zie­ren“. Ob er das erreicht hat, ist nicht bekannt. Den juris­ti­schen „Shit­s­torm“ bekam er (nicht rechts­kräf­tig) mit 18 Mona­ten Haft, davon sechs unbe­dingt, jeden­falls ab.

Bez. Zwettl-Krem­s/NÖ: Sprach­lo­ser Staatsanwalt

Wenn einem Staats­an­walt zum Schluss die Wor­te feh­len, wie meinbezirk.at am 13.11.20 in einem Pro­zess­be­richt schil­dert, dann muss der vor­an­ge­gan­ge­ne Ver­hand­lung ent­spre­chend sprach­los machen. Und das war offen­bar tat­säch­lich im Pro­zess gegen eine 49-jäh­ri­ge Frau aus dem Bezirk Zwettl der Fall. Mit „Alle ein­pa­cken und ins KZ Maut­hau­sen brin­gen“ hat­te die Nie­der­ös­ter­rei­che­rin einen Bericht zum Flücht­lings­la­ger Trais­kir­chen auf Face­book kom­men­tiert. Ihre Begründung:

Sie hät­te Angst vor Asyl­wer­bern. Das KZ sei ein frei zugäng­li­cher Ort. Sie sei schon oft in Maut­hau­sen gewe­sen und habe dort vie­le Jugend­li­che gese­hen. „Die Umge­bung dort ist sehr schön. Dort könn­ten die Asyl­wer­ber, die sich an kei­ne Coro­na-Regeln hal­ten, unter sich sein, gemein­sam Schnee schau­feln, Laub rechen oder Par­tys fei­ern. Ja, es war ein Feh­ler.“ „Ob sie nicht wis­se, was in Maut­hau­sen pas­siert sei und ob das Asyl­wer­ber nicht miss­ver­ste­hen könn­ten?“, woll­te die Rich­te­rin wis­sen. „Ich ken­ne Asyl­wer­ber, die mei­nen Unmut ver­ste­hen. Die ande­ren sol­len sich inte­grie­ren und sich anpas­sen“, ant­wor­te­te die Ange­klag­te. (meinbezirk.at)

Dafür ern­te­te die Frau drei Mona­te Haft bedingt mit drei­jäh­ri­ger Bewäh­rung und die Auf­la­ge am Programm„Dialog statt Hass“ teil­zu­neh­men. Da der Staats­an­walt sprach­los war, ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Salz­burg-Inn­vier­tel/OÖ: Reichs­ad­ler und Wehr­machts­spruch am LKW

Einen „deut­schen Reichs­ad­ler“ samt „Leit­spruch der Wehr­macht“ (Salz­bur­ger Nachrichten,14.11.20) hat­te ein 36-jäh­ri­ger Inn­viert­ler auf sei­nem LKW auf­ge­klebt. Dafür und wegen NS-Pro­pa­gan­da auf Whats­App gab’s vom Lan­des­ge­richt Salz­burg 15 Mona­te bedingt.