Wochenschau KW 46/20 (Teil 2)

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Teil 2 unse­res dies­mal volu­mi­nö­sen Rück­blicks auf die letz­te Woche: Wenn ein Rechts­extre­mer nicht nur unbe­hel­ligt, son­dern sogar noch mit Poli­zei­be­glei­tung in der Öffent­lich­keit het­zen und die Bevöl­ke­rung ver­schre­cken darf, von einem Bür­ger­meis­ter, der in einer Whats­App-Grup­pe „ver­se­hent­lich“ einen ras­sis­ti­schen Brief wei­ter­lei­tet, von einer mus­li­mi­schen Stu­den­tin, die ein Haken­kreuz auf dem Sat­tel ihres Fahr­rads vor­fin­det und einer Amts­ta­fel in Poy­s­dorf mit Nazi-Schmierereien.

Wien: Gewehr­sal­ven und Isla­mo­pho­bie mit Polizeieskorte
Mistelbach/NÖ: Haken­kreuz auf Fahr­rad­sat­tel geritzt
Poysdorf/NÖ: Nazi-Schmie­re­rei auf Amtstafel
Gaaden/NÖ: Ras­sis­ti­scher Ket­ten­brief vom Bür­ger­meis­ter weitergeleitet

Wien: Gewehr­sal­ven und Isla­mo­pho­bie mit Polizeieskorte

Da staun­ten Bewohner*innen der Wie­ner Josef­stadt nicht schlecht, als am Sonn­tag nach dem Ter­ror­an­schlag im Ers­ten Bezirk ein Auto mit Laut­spre­cher durch den Bezirk fuhr und neben isla­mo­pho­ben Reden Gewehr­sal­ven und ein Muez­zin­ruf zu ver­neh­men war. Das gan­ze wur­de von zwei Poli­zei­au­tos eskortiert.

Wie sich schnell her­aus­stell­te, stand hin­ter der Akti­on der auch amt­lich bekann­te rechts­extre­me Ex-Pegi­da-Spre­cher Georg Imma­nu­el Nagel.

Sonn­tag­mit­tag stell­te die Poli­zei klar, dass die Kund­ge­bung für 9 bis 10 Uhr mit zehn Per­so­nen unter dem Titel „Tole­ranz und Viel­falt” ange­mel­det wor­den sei. Zum Zeit­punkt der Ver­samm­lungs­an­zei­ge sei kein Unter­sa­gungs­grund vor­ge­le­gen. Der Ver­ant­wort­li­che für die Kund­ge­bung habe ange­ge­ben, dass die Laut­spre­cher ledig­lich zum Abspie­len ori­en­ta­li­scher Musik ver­wen­det wür­den. (derstandard.at, 8.11.20)

Spä­ter, nach unzäh­li­gen Pro­tes­ten und Nach­fra­gen, däm­mer­te auch der Poli­zei, dass sie mit die­ser Erklä­rung nicht durch­kom­men wür­de, zumal sie das Nagel-Spek­ta­kel 40 Minu­ten lang tole­rier­te und eskor­tier­te, anstatt sofort ein­zu­schrei­ten, als klar war, dass der Ver­an­stal­tungs­zweck gegen „Tole­ranz und Viel­falt“ gerich­tet war.

Sie ent­schul­dig­te sich und kün­dig­te Erhe­bun­gen sowie Anzei­gen an. Die heu­ti­ge #Kund­ge­bung in der #Josef­stadt und das poli­zei­li­che Han­deln hat zu Kri­tik geführt. Jeden­falls wer­den ent­spre­chen­de Anzei­gen gelegt & wei­te­re Erhe­bun­gen gegen die Teilnehmer*innen geführt. Auch eine inter­ne Auf­ar­bei­tung ist bereits ein­ge­lei­tet worden.“

Tweet LPD Wien (8.11.20): "Für die Vorfälle (...)wollen wir uns als Polizei (...) entschuldigen."

Tweet LPD Wien (8.11.20): „Für die Vor­fäl­le (…)wol­len wir uns als Poli­zei (…) entschuldigen.”

Der Wagen, den Nagel für sei­ne Het­ze benutz­te, gehört dem Iden­ti­tä­ren-Unter­stüt­zer Chris­ti­an Cha­rous. Cha­rous’ Prit­schen­wa­gen ging in der Nacht von Mon­tag auf Diens­tag in Flam­men auf. „Den Ein­satz­kräf­ten zufol­ge war der Wagen in der Löhr­gas­se abge­stellt. Sein Besit­zer mach­te auf Twit­ter anti­fa­schis­ti­sche Akti­vis­ten ver­ant­wort­lich und kün­dig­te an, ein neu­es Fahr­zeug zu kau­fen.“ (derstandard.at, 10.11.20)

Mistelbach/NÖ: Haken­kreuz auf Fahr­rad­sat­tel geritzt

Bereits im Okto­ber muss­te eine mus­li­mi­sche Phar­ma­zie­stu­den­tin, die als Hilfs­kraft in einer Apo­the­ke in Mis­tel­bach tätig war, eine unan­ge­neh­me Erfah­rung machen. Sie fand ihr am Bahn­hof Mis­tel­bach abge­stell­te Fahr­rad demo­liert vor. Der Hin­ter­rei­fen wur­de zer­sto­chen und in den Sat­tel wur­de deut­lich ein Haken­kreuz geritzt. Alle ande­ren abge­stell­ten Räder waren aber unver­sehrt, daher wur­de bei der Poli­zei in Laa eine Anzei­ge erstat­tet.“ (noen.at, 11.11.20) Hin­ter der Akti­on wird eine ras­sis­ti­sche Tat vermutet.

Poysdorf/NÖ: Nazi-Schmie­re­rei auf Amtstafel

Auf eine mit einem (ver­kehr­ten) Haken­kreuz und dem Wort „Heil“ beschmier­te Amts­ta­fel ist der Poy­s­dor­fer SPÖ-Gemein­de­rat Roland Hähs­ler unfrei­wil­lig beim Jog­ging gesto­ßen. „Nach­dem die Schmie­re­rei­en doku­men­tiert wur­den, mel­de­te Hähs­ler den Vor­fall bei Bür­ger­meis­ter Tho­mas Grießl und der Poli­zei. Um die Ent­fer­nung küm­mer­te er sich umge­hend selbst.“ (meinbezirk.at, 16.11.20)

Poy­s­dorf ist uns zuletzt auf­ge­fal­len, als wir einen Hin­weis bekom­men hat­ten, dass dort Gott­fried Küs­sel gleich meh­re­re Wein­kel­ler erwor­ben hat. Dem trau­en wir im Gegen­satz zum Amts­ta­fel-Beschmie­rer jedoch genü­gend Fach­kennt­nis zu, um ein Haken­kreuz kor­rekt darzustellen.

Gaaden/NÖ: Ras­sis­ti­scher Ket­ten­brief vom Bür­ger­meis­ter weitergeleitet

Die Gemein­de Gaa­den im Bezirk Möd­ling hat einen Bür­ger­meis­ter, der einen ras­sis­ti­schen und ver­het­zen­den Ket­ten­brief in einer loka­len Ver­eins-Whats­App-Grup­pe wei­ter­ge­lei­tet hat. Dage­gen pro­tes­tier­te selbst die ört­li­che ÖVP. Im Brief heißt es u.a.:

Es wird geraubt, über­fal­len, ver­prü­gelt, ver­ge­wal­tigt & gemor­det, als wäre dies das Selbst­ver­ständ­lichs­te! Wir wol­len hier kei­ne Idio­ten, die unser Leben nach ihren Vor­stel­lun­gen gestal­ten wol­len! Klemmt euch eure Wun­der­lam­pe unter den Arm, setzt euch auf euren Tep­pich & fliegt zurück hin­ter den Bos­po­rus oder nach Afri­ka! (zit. nach Kurier, 12.11.20, S. 21)

Bür­ger­meis­ter Rai­ner Schramm (Bür­ger­lis­te Wir Gaa­de­ner) ist das aber nur pas­siert. „Ich habe den Ket­ten­brief ver­se­hent­lich irgend­wie wei­ter­ge­sen­det. Ich leh­ne sol­che Pau­schal­ver­ur­tei­lun­gen kom­plett ab. Das ist auch über­haupt nicht mei­ne Mei­nung.“ (zit. nach Kurier) Da muss Schramm auf­pas­sen, dass er nicht ver­se­hent­lich irgend­wie vor Gericht landet …