Urteil zu Neonazi-Überfall auf EKH

Schw­er zu sagen, was der eigentliche Skan­dal ist: die Ermit­tlun­gen, die Ver­hand­lung oder das Urteil. Gestern wur­den im Prozess zum Über­fall der neon­azis­tis­chen Hooli­gans auf das Ernst-Kirch­weger-Haus (EKH) am 27.10. 2013 zwei Angreifer und zwei Vertei­di­ger schuldig gesprochen und zu bed­ingten Haft­strafen verurteilt.

Am 27.10.2013 – es war der Tag des Wiener Fußball-Der­bys zwis­chen Aus­tria und Rapid – haben einige Dutzend recht­sex­treme Hooli­gans das linke Ernst-Kirch­weger-Haus (EKH) in Wien-Favoriten über­fall­en. Im Ver­lauf des Über­falls auf das EKH wurde ein Gew­erkschafter der Kom­mu­nis­tis­chen Gew­erkschaftsini­tia­tive (Kom­intern) schw­er ver­let­zt. Die Angreifer wur­den von im EKH Anwe­senden aus dem Haus gedrängt. Dabei wurde ein­er der Angreifer eben­falls verletzt.

Soweit der einiger­maßen unbe­stre­it­bare Ablauf. Doch selb­st da gab es schon Wider­spruch der Nazi-Hooli­gans. Nach der Attacke ver­sucht­en sie noch den Ermit­tlern zu verk­lick­ern, dass „die Gewalt nicht von ihnen aus gegan­gen sei“ (Stan­dard, 29.10. 2013). Gegen neun Hooli­gans wurde ursprünglich ermit­telt, sieben von ihnen waren vorbe­straft, zwei davon wegen NS-Wiederbetätigung.

Apro­pos Wieder­betä­ti­gung: Der Ver­dacht der Wieder­betä­ti­gung war anscheinend noch in einem Zwis­chen­bericht zu den Ermit­tlun­gen enthal­ten, in der Anklageschrift war er dann ver­schwun­den. Ver­schwun­den waren dann auch zwei Hooli­gans: In der Anklage waren’s nur noch sieben. Wir reka­pit­ulieren: Am Über­fall beteiligt waren je nach Ver­sion im Min­i­mum 20, max­i­mal aber 50 Hooli­gans. Die plau­si­bel­ste Vari­ante, die auch ein Neon­azi bestätigt: Es waren 30.


Andi Eis­ern Wien bestätigt 30

Ermit­telt wurde gegen neun, vor Gericht standen dann sieben, verurteilt wur­den zwei Nazi-Hooli­gans. Das deutet auf ein ziem­lich gewaltiges Prob­lem bei den Ermit­tlun­gen bzw. deren Ergeb­nis­sen hin.

Die meis­ten der Angreifer kamen von der Neon­azi-Fan-Gruppe „Unsterblich“, einige dürften aber auf das Kon­to des Zusam­men­schlusses von Nazi-Hools „Eis­ern Wien“ gegan­gen sein. Mit dem Gericht spiel­ten die Angeklagten, zum über­wiegen­den Teil der Hard­core-Bere­ich von „Unsterblich“, jeden­falls Katz und Maus: nein, nicht Mit­glied von „Unsterblich“, auch kein Fan von Aus­tria Wien, son­dern von Rapid Wien usw..


… und löscht „sicher­heit­shal­ber” seine Beiträge

Dann die Anklage selb­st, die sich nicht nur gegen die Angreifer richtete, son­dern auch gegen zwei der Vertei­di­ger. So, als ob das Ganze ein Raufhan­del gewe­sen sei. Nicht genug damit: Als Zeu­gen Schwierigkeit­en hat­ten, die zwei angeklagten Vertei­di­ger als Täter für die Kör­per­ver­let­zung an eine der Nazi-Hools zu iden­ti­fizieren und andere Per­so­n­en ins Spiel bracht­en, erweit­erte die Staat­san­waltschaft die Anklage um einen drit­ten unbekan­nten Täter, was den Neben­ef­fekt hat­te, dass aus ein­er „nor­malen“ Kör­per­ver­let­zung eine „schwere“ (§ 84 StGB) wer­den kon­nte, weil von min­destens drei Per­so­n­en „in verabre­de­ter Verbindung“ begangen.

Ja, und dann gab es schon die den Prozess ein­lei­t­ende Erk­lärung des Richters, es han­dle sich um ein „unpoli­tis­ches Ver­fahren“. Ver­mut­lich hat­te er zu Prozess­be­ginn noch keine Ahnung davon, dass vor 50 Jahren das Ver­fahren, bei dem der Tod des Antifaschis­ten Ernst Kirch­weger abge­han­delt wurde, vom dama­li­gen Richter auch ganz expliz­it als unpoli­tis­ches Ver­fahren beze­ich­net wurde. Möglicher­weise hat­te der Richter auch wenige Tage nach den Gedenk­feier­licheit­en für Ernst Kirch­weger nichts mit­bekom­men von dem Skan­dalurteil damals. Der Angeklagte Gün­ther Kümel, der den alten Mann Kirch­weger mit einem Faustschlag so zu Boden gestreckt hat­te, dass dieser drei Tage später an den Fol­gen starb, war damals wegen puta­tiv­er Notwehrüber­schre­itung zu skan­dalös niedri­gen zehn Monat­en Haft verurteilt worden.

Man ver­gle­iche das mit den Urteilen jet­zt im Ver­fahren um das Ernst-Kirch­weger-Haus. Der Richter muss das alles nicht wis­sen, aber wir wis­sen es und bilden uns dazu eine Meinung.

DerStandard.at — Urteil: Zwei Unsterblich-Fans und zwei Gew­erkschafter verurteilt
prozess.report — Unsterblich-Prozess