Ukraine: Wer steckt hinter den Morden?

Lesezeit: 3 Minuten

In der Vor­wo­che gab es noch mehr Gerüch­te als Indi­zi­en, wer hin­ter den Mord­an­schlä­gen auf zwei ukrai­ni­sche pro­rus­si­sche Poli­ti­ker ste­cken könn­te, doch jetzt hat sich eine Ukrai­ni­sche Auf­stän­di­sche Armee (UPA) zu den Anschlä­gen bekannt. In der Beken­ner­mail vom 17.4. droh­te die UPA mit wei­te­ren Mor­den. Der ukrai­ni­sche Geheim­dienst demen­tier­te die Exis­tenz der UPA, der unab­hän­gi­ge Poli­to­lo­ge und Publi­zist Shek­hovts­ov bestä­tig­te sie jetzt aber.

His­to­risch wird die Exis­tenz der ‚Ukrai­ni­schen Auf­stän­di­schen Armee“ (UPA) von nie­man­dem bestrit­ten – ganz im Gegen­teil! Die UPA als mili­tä­ri­scher Flü­gel der ukrai­ni­schen Natio­na­lis­ten kämpf­te in den 40er und 50er Jah­ren gegen das NS-Regime, gegen die pol­ni­sche Hei­mat­ar­mee und gegen die Sowjet­uni­on. Zeit­wei­se ver­bün­de­te sie sich aber auch mit den Trup­pen der Nazi-Wehr­macht. Dem­entspre­chend gespal­ten ist auch die Ein­stel­lung zur his­to­ri­schen UPA in der Ukrai­ne: im Wes­ten als Frei­heits­ar­mee ver­ehrt, wird sie in der Ost­ukrai­ne abge­lehnt und ihrer Opfer gedacht.


„Emblem der Ukrai­ni­schen Auf­stän­di­schen Armee”, Quel­le: wikipedia.org
-

Vor weni­gen Tagen erst, am 9. April hat die Rada, das ukrai­ni­sche Par­la­ment, das Gesetz über das „ehren­vol­le Andenken an die Kämp­fer für die Unab­hän­gig­keit der Ukrai­ne im 20. Jahr­hun­dert“ beschlos­sen, mit dem die his­to­ri­sche UPA qua­si Hel­den­sta­tus erhält und respekt­lo­se Aus­sa­gen über sie unter Stra­fe gestellt wer­den (sie­he auch pro­fil Nr. 17/20.4.2015). Das Gesetz wäre schon unter nor­ma­len Umstän­den frag­wür­dig, wäh­rend eines offe­nen Bür­ger­kriegs ver­stärkt es aber die Spaltung.

Und dann tritt auch noch aktu­ell eine Grup­pe UPA auf, die sich nicht nur zu den Mor­den an Oleg Kalasch­ni­kow und Oles Busi­na bekennt, son­dern auch die Ver­ant­wor­tung für eini­ge tote pro­rus­si­sche Poli­ti­ker in die­sem Jahr über­nimmt, die bis­her als Selbst­mor­de geführt wur­den! In der Beken­ner­mail wird außer­dem mit wei­te­ren Mor­den gedroht: “Ent­we­der Lus­tra­ti­on oder Exe­ku­ti­on“. Unter Lus­tra­ti­on will die UPA aber nicht bloß die Säu­be­rung des Staats­diens­tes von „anti­ukrai­ni­schen Ele­men­ten“ ver­ste­hen, son­dern sie for­dert, dass die­se Ele­men­te bin­nen 72 Stun­den ab Beginn des 18. April das Land zu ver­las­sen hät­ten. Die Dro­hung der UPA rich­tet sich auch gegen die Mit­glie­der der Regie­rung, die nicht den Kriegs­zu­stand bzw. den Krieg gegen Russ­land erklärt und die Bezie­hun­gen mit dem Feind been­det habe.


„Flag­ge der Ukrai­ni­schen Auf­stän­di­schen Armee. Sie sym­bo­li­siert das rote Blut der Ukrai­ner, wel­ches auf dem schwar­zen Boden ver­gos­sen wur­de”, Quel­le: wikipedia.org
-

Nach­dem zunächst der ukrai­ni­sche Geheim­dienst erklärt hat­te, ihm sei kei­ne Orga­ni­sa­ti­on „Ukrai­ni­sche Auf­stän­di­sche Armee“ (UBA) bekannt, viel­mehr wür­de ein sprach­wis­sen­schaft­li­ches Gut­ach­ten auf vie­le Rus­si­zis­men im Beken­ner­text hin­wei­sen, erklär­te der unab­hän­gi­ge Publi­zist und Poli­tio­lo­ge Anton Shek­hovts­ov, ein aus­ge­wie­se­ner Ken­ner des Rechts­extre­mis­mus in der Ukrai­ne und in Russ­land , dass es die Grup­pe UPA jeden­falls 2014 gege­ben habe:

„Ich weiß nicht, wer und war­um Kalasch­ni­kow und Busi­na umge­bracht wur­den, aber ich kann bestä­ti­gen, dass eine klei­ne radi­kal-natio­na­lis­ti­sche Grup­pe namens „UPA“ exis­tier­te – zumin­dest im Janu­ar 2014, als ich mit einem ihrer Ver­tre­ter ein kur­zes Inter­view führ­te. Sie befan­den sich in der Kyiwer Stadt­ver­wal­tung (KGGA), die von „Swo­bo­da-Leu­ten“ (Anhän­ger der ukrai­ni­schen Par­tei „Swo­bo­da“, die als rechts gilt) kon­trol­liert wur­de, und war­ben über ein paar Zel­te, die auf der Stra­ße stan­den“.

Zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt ist das Beken­ner­schrei­ben der UPA weder ein Beleg dafür, dass tat­säch­lich eine klei­ne rechts­extre­me proukrai­ni­sche Ter­ror­grup­pe für die Mor­de (bzw. „Selbst­mor­de“ ) ver­ant­wort­lich ist noch gibt es aus­rei­chend Indi­zi­en dafür, dass Russ­land selbst hin­ter den Mor­den steckt, wie nicht nur in Krei­sen regie­rungs­na­her ukrai­ni­scher Poli­ti­ker spe­ku­liert wird.

Fakt ist, dass der Infor­ma­ti­ons­krieg zwi­schen der Ukrai­ne und Russ­land (sie­he pro­fil Nr. 17/20.4.2015) eine neue Stu­fe erreicht hat.