Historisch wird die Existenz der „Ukrainischen Aufständischen Armee” (UPA) von niemandem bestritten. Die UPA als militärischer Flügel der ukrainischen Nationalisten kämpfte in den 1940er- und 50er-Jahren gegen das NS-Regime, gegen die polnische Heimatarmee und gegen die Sowjetunion. Zeitweise verbündete sie sich aber auch mit den Truppen der Nazi-Wehrmacht. Dementsprechend gespalten ist auch die Einstellung zur historischen UPA in der Ukraine: Im Westen als Freiheitsarmee verehrt, wird sie in der Ostukraine abgelehnt und ihrer Opfer gedacht.
„Emblem der Ukrainischen Aufständischen Armee”, Quelle: wikipedia.org
Vor wenigen Tagen erst, am 9. April, hat die Rada, das ukrainische Parlament, ein Gesetz über das „ehrenvolle Andenken an die Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine im 20. Jahrhundert“ beschlossen, mit dem die historische UPA quasi Heldenstatus erhält und respektlose Aussagen über sie unter Strafe gestellt werden (siehe auch profil Nr. 17/20.4.15). Das Gesetz wäre schon unter normalen Umständen fragwürdig, während eines offenen Bürgerkriegs verstärkt es aber die Spaltung.
Und dann tritt auch noch aktuell eine Gruppe UPA auf, die sich nicht nur zu den Morden an Oleg Kalaschnikow und Oles Busina bekennt, sondern auch die Verantwortung für einige tote prorussische Politiker in diesem Jahr übernimmt, die bisher als Selbstmorde geführt wurden. In der Bekennermail wird außerdem mit weiteren Morden gedroht: „Entweder Lustration oder Exekution.” Unter Lustration will die UPA aber nicht bloß die Säuberung des Staatsdienstes von „antiukrainischen Elementen“ verstehen, sondern sie fordert, dass diese Elemente binnen 72 Stunden ab Beginn des 18. April das Land zu verlassen hätten. Die Drohung der UPA richtet sich auch gegen die Mitglieder der Regierung, die nicht den Krieg gegen Russland erklärt und die Beziehungen mit dem Feind beendet habe.
Nachdem zunächst der ukrainische Geheimdienst erklärt hatte, ihm sei keine Organisation „Ukrainische Aufständische Armee“ (UBA) bekannt, vielmehr würde ein sprachwissenschaftliches Gutachten auf viele Russizismen im Bekennertext hinweisen, erklärte der unabhängige Publizist und Politiologe Anton Shekhovtsov, ein ausgewiesener Kenner des Rechtsextremismus in der Ukraine und in Russland , dass es die Gruppe UPA jedenfalls 2014 gegeben habe:
Ich weiß nicht, wer und warum Kalaschnikow und Busina umgebracht wurden, aber ich kann bestätigen, dass eine kleine radikal-nationalistische Gruppe namens „UPA“ existierte – zumindest im Januar 2014, als ich mit einem ihrer Vertreter ein kurzes Interview führte. Sie befanden sich in der Kyiwer Stadtverwaltung (KGGA), die von „Swoboda-Leuten“ (Anhänger der ukrainischen Partei „Swoboda“, die als rechts gilt) kontrolliert wurde, und warben über ein paar Zelte, die auf der Straße standen. (euromaidanpress.com)
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Bekennerschreiben der UPA weder ein Beleg dafür, dass tatsächlich eine kleine rechtsextreme proukrainische Terrorgruppe für die Morde (bzw. „Selbstmorde“) verantwortlich ist noch gibt es ausreichend Indizien dafür, dass Russland selbst hinter den Morden steckt, wie nicht nur in Kreisen regierungsnaher ukrainischer Politiker spekuliert wird. Fakt ist, dass der Informationskrieg zwischen der Ukraine und Russland (siehe profil Nr. 17/20.4.15) eine neue Stufe erreicht hat.