Wien: Kebab-Connection, der Zweite
Wien: Nicht Wiederbetätigung, sondern geschmacklose Satire
Kufstein-Innsbruck: Wieder Wiederbetätigung
Bez. Schärding-Ried/OÖ: Reichsadler mit Hakenkreuz als „Friedenstaube”
Wien: Hakenkreuz, Blume oder Sonne?
Osttirol-Innsbruck: Braunes Krixikraxi, braunes Spielzeug
Bez. Hallein-Salzburg: Läuterung nach einem braunen Vierteljahrhundert?
Bez. Waidhofen-Krems/NÖ: Nazi-Nachrichten, Reichskriegsfahnen und „Sieg Heil“-Rufe
Pfaffing-Wels/OÖ: Mysteriöse Postings
Wien: Midlife Crisis und spezielle Hakenkreuz-Torte
Holzhausen-Wels/OÖ: Der anscheinend feine Grad zwischen Diskurs und Verhetzung
Wien: Alles nicht so schlimm
Wien: „Guten Tag“ oder „Alle Menschen müssen sterben“
Wien: Kebab-Connection, der Zweite
Am 4.Juli hatte sich der 33-jährige Nico G. vor dem Landesgericht Wien wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetzes nach § 3g zu verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, vier Bild-Text-Dateien über einschlägige WhatsApp-Gruppen verschickt zu haben. Zwei dieser Gruppen, „Kebab-Connection“ und „It’s the Real“ sind bereits aus einem anderen Prozess bekannt. Bei der Befragung durch den Richter gab der Angeklagte an, eine Dummheit begangen und nicht überlegt zu haben. Er bereue es zutiefst. Der Besuch den KZ Mauthausen, den er auf Anraten seines Verteidigers absolviert hatte, habe ihm die Augen geöffnet. Er geniere sich nun, solche Bilder verschickt zu haben. Der Angeklagte bekannte sich vollinhaltlich schuldig.
Die Verteidigung argumentierte, dass der Angeklagte in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen sei und eine Kooperative Mittelschule besucht habe, in der Zeitgeschichte sicher kein Thema gewesen sei. Dennoch habe sich G. als Abteilungsleiter in einem Baufachmarkt eine kleine Karriere aufgebaut. Der Verteidiger bat um eine Strafzumessung von unter einem Jahr, um einen Eintrag im Strafregister zu vermeiden und die Karriere des Angeklagten nicht zu gefährden.
Die Geschworenen stimmten in zwei der vier Anklagepunkte unentschieden, in den zwei weiteren Punkten einmal mehrheitlich, einmal einstimmig für einen Freispruch. Das führte insgesamt zu einem bereits rechtskräftigen Freispruch. Ein bemerkenswertes Urteil, zumal selbst der Angeklagte ein Schuldeinbekenntnis abgelegt hatte!
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wien: Nicht Wiederbetätigung, sondern geschmacklose Satire
Am 11. Juli stand die 42-jährige Angeklagte Dagmar S. vor dem Landesgericht Wien und musste sich des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz §3g stellen. Ihr wurde vorgeworfen, 2017 und 2018 drei Bild-Text-Dateien mit nationalsozialistischen Inhalten über WhatsApp an ihren Ehemann versendet zu haben. S. bekannte sich zum objektiven Tatbestand, die Bild-Text-Dateien versandt zu haben, schuldig, aber nicht zum Vorwurf der nationalsozialistischen Wiederbetätigung. Die Nachrichten seien lediglich geschmacklose Witze, so die Angeklagte, zwischen ihr und ihrem Ehemann gewesen. Außerdem sei es schon sechs Jahre her.
Mit der „geschmacklosen Satire“ argumentierte auch der Verteidiger. Das rassistische Bildmaterial, das bei der Hausdurchsuchung ebenfalls auf ihren elektronischen Geräten gefunden wurde, kam mangels Öffentlichkeit nicht als Verhetzung vor Gericht. Dennoch wurde die Angeklagte von der Staatsanwaltschaft darauf angesprochen, denn es gehe auch darum, die Gesinnung der Angeklagten darzustellen.
S. verteidigte sich auch hier damit, die Fotos lustig gefunden zu haben, genauso wie ihr türkischer Arbeitskollege. Dass sie selbst nicht rassistisch sei und ihr auch nicht Wiederbetätigung vorgeworfen werden könne, würde durch die Tatsache bewiesen, dass sie doch auch ausländische Freunde habe. Ein altbekannter Trugschluss! Der Erzählung von der harmlosen geschmacklosen Satire folgten offenbar die Geschworen. S. wurde in allen Anklagepunkten einstimmig freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Ehemann kam ein Monat später weniger glimpflich davon.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Kufstein-Innsbruck: Wieder Wiederbetätigung
Wenige Wochen hat es nach der letzten Verurteilung im Juni 2022 inklusive einer teilbedingten Haft gedauert, bis der Kufsteiner Richard K. sich im wahrsten Sinn des Wortes wiederbetätigt hat. Im Dezember 2022 folgte eine erneute Verhaftung. Sowas nennt sich dann wohl eine verfestigte Nazi-Gesinnung, die der zum zweiten Mal nach dem Verbotsgesetz angeklagte Tiroler mit einer braunen Website zum Ausdruck gebracht hatte. Der Erklärungsversuch der Verteidigerin im ersten Prozess, K. habe in der Pandemie Antworten gesucht und sich dabei in der nationalsozialistischen Ideologie verirrt, klang damals schon schal und dürfte sich nun endgültig erledigt haben.
Nachdem K. vor dem ersten Prozess die Zugangsdaten zu seinen zwei Nazi-Websites nur durch Zureden der Verteidigerin herausgerückt hatte, scheint dies diesmal nicht gelungen zu sein: Die im Juli 2022 erstellte Website ist noch immer online.
Von dem Prozess am 12.7.23 berichtete kein Medium, daher fragte „Stoppt die Rechten“ beim Landesgericht Innsbruck zum Ausgang nach und erhielt folgende Auskunft:
unter Bezugnahme auf Ihre Anfrage teile ich Ihnen mit, dass der Angeklagte vom Geschworenengericht anklagekonform schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde; zudem wurde gemäß § 33 Abs 1 MedienG die Löschung der die strafbaren Handlungen begründenden Stellen der öffentlich zugänglichen Internetseite (…) angeordnet. Schließlich wurde die bedingte Strafnachsicht (18 Monate) einer vormaligen (einschlägigen) Verurteilung des Landesgerichts Innsbruck vom 2.6.2022 widerrufen. Der Angeklagte hat Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung angemeldet. (Medienstelle LG Innsbruck)
Bez. Schärding-Ried/OÖ: Reichsadler mit Hakenkreuz als „Friedenstaube”
Mitte Juli musste sich der aus dem Bezirk Schärding stammende 22-jährige Patrick U. vor dem Landesgericht Ried wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz nach § 3g verantworten. Ihm wurde die Versendung einer Bild-Text-Datei mit nationalsozialistischem Inhalt am 28.2.2022 zur Last gelegt. Auf dem Bild war sinngemäß zu lesen, diese Freiheitstaube solle an alle Freunde der Welt geschickt werden, damit die Welt weiterhin harmonisch zusammenleben könne. Das sich unter dem Text befindliche Sujet eines Reichsadlers mit einem Hakenkreuz in den Fängen habe der Angeklagte, wie er meinte, nicht gesehen. Dieses hätte er nur erblicken können, wenn er auf den Text geklickt hätte, was er aber nicht getan habe. Da er deshalb nicht wusste, dass es sich um ein Bild mit nationalsozialistischem Inhalt handelte, bekannte er sich nicht schuldig. Außerdem sei er betrunken gewesen. Generell sei es eine schwierige Zeit gewesen, in der er sich befunden hatte, als er das Bild verschickte. Es sei auf jeden Fall dumm gewesen, so der Angeklagte. Von wem er das Bild bekommen hatte, wusste er nicht mehr – vermutlich über Facebook.
Aufmerksam wurde die Staatsanwaltschaft auf die Nachricht, als im Zuge eines Suchtgiftverfahrens das Mobiltelefon konfisziert wurde. Der Prozess wurde vertagt, da die Staatsanwaltschaft das Gutachten eines Sachverständigen abwarten möchte, das darüber Auskunft geben soll, ob der Angeklagte den Reichsadler und das Hakenkreuz aufgrund des Bildformats tatsächlich nicht sehen konnte. In Wien setzte es wenige Wochen später wegen des exakt selben Sujets einen Schuldspruch.
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Wien: Hakenkreuz, Blume oder Sonne?
Im Wiener Landesgericht las die zuständige Staatsanwältin einen Chat-Verlauf zwischen dem Angeklagten P. und dem bereits im Jahr 2022 verurteilten D. vor. Darin schrieb der am 24. Juli Angeklagte P.: „Kennst du eigentlich jemanden, der mitten auf der Stirn eine Swastika (Anm.: Hakenkreuz) tätowiert hat?” D. entgegnete dem: „Hm, du?”. Woraufhin der unbescholtene P. mit „Hehe” antwortete und ein Bild von seinem Hinterkopf schickte, auf dem ein Hakenkreuz-Tattoo mit abgerundeten Rändern zu sehen war. Für die Staatsanwältin ganz klar: „ein typisch nationalsozialistisches Symbol”. (meinbezirk.at, 25.7.23)
Der in Kampfsportkreisen gut bekannte P. hatte 2016 und 2017 neben dem Hinterkopf-Bild zwei weitere Dateien mit nationalsozialistischem Inhalt per WhatsApp verschickt. Bei einer handelte es sich um Neujahrswünsche mit einem schlittenfahrenden Adolf Hitler und dem Text „Guten Rutsch“, bei der anderen um ein Bild von der Wehrmacht (inklusive Reichsadler), die eine Tür eintritt garniert mit dem Text: „Kommt gut rüber!“ Das eine glorifiziere Adolf Hitler, das andere die Wehrmacht und verharmlose noch zusätzlich deren Gewalttaten, so die Staatsanwaltschaft. Die Geschworenen sahen das allerdings anders und sprachen P. für diese beiden Punkte einstimmig frei.
Das Foto seines Tattoos auf der Stirn, das einem abgerundeten Hakenkreuz ähnelte, hätte eigentlich eine Blume werden sollen. Später änderte er die Blume zu einer Sonne. Das sei aber danebengegangen, das Tattoo habe also „unabsichtlich“ wie ein Hakenkreuz ausgesehen. Er habe schnell ein Foto gemacht und es sofort überstechen lassen. Bis auf diese absurd klingende Geschichte machte der Angeklagte von seiner Aussageverweigerung Gebrauch, bekannte sich jedoch vollinhaltlich schuldig. Der Verteidiger Rudolf Mayer argumentierte, das Tattoo sei einem Hakenkreuz so wenig ähnlich gewesen, dass Nicht-Gesinnungsgenossen es als solches nie erkennen hätten können. Auch die beiden Bild-Text-Dateien, so Mayer, seien im Vergleich zu anderen Vorfällen eher harmlos. Hinzu käme der tadellose Lebenswandel des Angeklagten.
Obwohl die Staatsanwaltschaft zu bedenken gab, dass noch mehr nationalsozialistisches Material auf P.s Mobiltelefon gefunden wurde und dies somit für seine nationalsozialistische Gesinnung spräche, votierten die Geschworenen auch beim Hakenkreuz- (oder Blumen- oder Sonnen-)Tattoo einstimmig für einen Freispruch.
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Osttirol-Innsbruck: Braunes Krixikraxi, braunes Spielzeug
Sein Schwager Patrick G. musste bereits im März am Landesgericht Innsbruck aufmarschieren. Der hatte damals eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz und nicht rechtskräftige 30 Monate unbedingt ausgefasst. Am 25. Juli folgte der Prozess gegen den bereits elffach vorbestraften Benjamin L. (31), mit dem G. ein Hakenkreuz aus Kinderspielzeug gebastelt hatte. G. teilte auch das fragwürdige Privileg, sich in L.s Gästebuch verewigen zu können, allerdings habe es sich nur um „bedeutungsloses Krixikraxi“ (kleinezeitung.at, 25.7.23) gehandelt.
Gäste, die sich ins Wohnzimmer begaben, wurden zudem auf dem Couchtisch von einem braunen Gästebuch empfangen. Die Einträge bestanden aus Hakenkreuzen, Runen, gezeichneten Hitler-Bärten und Hakenkreuzbinden. Dies alles ist dem Verfassungsschutz auch in anderen Fällen schon untergekommen. Neu ist, dass der Mann auch das Spielzeug seines Kindes zur Wiederbetätigung missbrauchte. So steckte er die Buchstabensteckplatten zu einem dreidimensionalen Hakenkreuz zusammen und baute die Worte „Sieg”,„Heil” und die Neonazi-Zahlenkombination 88 ein. (tt.com, 17.8.23)
Dazu waren noch der Versand von braunen Chatnachrichten, in denen er auch aus Hitlers „Mein Kampf“ zitiert hatte, und der Besitz von Waffen trotz eines aufrechten Waffenverbots angeklagt. L. kam dennoch deutlich günstiger davon als sein Schwager: ein nicht rechtskräftiger Schuldspruch, zwei Jahre Haft, davon 16 Monate bedingt. L. hofft, die unbedingten acht Monate mit einer Fußfessel abdienen zu können.
Bez. Hallein-Salzburg: Läuterung nach einem braunen Vierteljahrhundert?
Bereits rechtskräftig ist das Urteil gegen den im Tennengau lebenden Deutschen Markus L. (45): Der ist trotz des langen Tatzeitraums von sieben Jahren und einer längeren Liste an Anklagepunkten – wiederholte Zurschaustellung von einschlägigen Tattoos, Kleidung mit Nazi-Symbolen, braune Einrichtungsgegenstände, NS-verherrlichende Chatnachrichten – am 2. August mit einer bedingten Haftstrafe von 18 Monaten glimpflich beim Prozess am Landesgericht Salzburg davongekommen.
Die Karriere im Neonazi-Milieu hatte für den nun 45-jährigen L. bereits recht früh begonnen.
Der Zimmerer pflegte enge Kontakte zur deutschen Rechtsrockszene. Er tauschte sich mit Gleichgesinnten auch rege über Whatsapp aus, verschickte Hitler-Emojis und leitete nationalsozialistische Memes und Bilder weiter. Bereits mit 18 Jahren kam er in die Skinhead- und Hooliganszene, erklärte er am Mittwoch auf Nachfrage vor dem Geschworenengericht. Ein Konzert unter dem Titel „Rock gegen Überfremdung”, das 2017 in Thüringen stattfand und zu dem über 6.000 Neonazis kamen, brachte ihn erstmals ins Visier der Ermittler. Im Dezember 2022 kam es zur Hausdurchsuchung. (derstandard.at, 2.8.23)
Vor Gericht gab sich L. reumütig und geständig: Er habe seit einem Autounfall mit einem Todesopfer sein Leben geändert, den Alkoholkonsum eingestellt und den Kontakt in die Szene abgebrochen. Die offenbar überzeugend vorgetragene Gesinnungsänderung hat vor Gericht gewirkt und wohl zur bereits rechtskräftigen relativ milden Strafe beigetragen. Bleibt zu hoffen, dass die Läuterung nicht von situationselastischem Gehalt geprägt ist.
Bez. Waidhofen-Krems/NÖ: Nazi-Nachrichten, Reichskriegsfahnen und „Sieg Heil“-Rufe
Weniger überzeugend über seine angebliche Läuterung als der Deutsche, der in Salzburg vor Gericht stand, dürfte ein 30-jähriger Waldviertler vor dem Landesgericht Krems gewirkt haben. Die zahlreichen NS-Dateien und Chatnachrichten, die auf Handy und Laptop des Niederösterreichers sichergestellt wurden, waren ein Nebenfund – durch Ermittlungen zu einem Drogendelikt war der Waldviertler aus dem Bezirk Waidhofen ins Visier der Behörden geraten.
Zumindest 41 solcher Dateien hatte der Beschuldigte von seinem Handy über Social Media an Bekannte und Freunde versandt und somit nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet. Unter den Dateien waren Aufnahmen von Reden von Rudolf Hess, Adolf Hitler und dem „Deutschlandlied“.
Im Februar 2021 versandte der 30-Jährige vor einer Anti-Corona-Demo die Aufforderung, die Teilnehmer sollten eine Reichsfahne mitnehmen und „Sieg Heil“ schreien. (…)
Der Angeklagte bekannte sich schuldig. Er sei in einer schwierigen Lebensphase gewesen. Inzwischen habe er diese jedoch abgeschlossen. Mit NS-Gedankengut sei er vor vielen Jahren bei einer Hooligan-Gruppe eines Fußballvereines und danach auch bei Verbüßung einer Haftstrafe in Kontakt gekommen. Inzwischen habe er sich jedoch von dem Gedankengut abgewandt. (meinbezirk.at, 11.8.23)
Das noch nicht rechtskräftige Urteil: 18 Monate bedingt und eine doch recht saftige unbedingte Geldstrafe über 6.000 Euro.
Pfaffing-Wels/OÖ: Mysteriöse Postings
Es ist etwas mysteriös, was es da mit den WhatsApp-Postings, die der Pfaffinger Milchbauer und Rinderzüchter Johann Konrad abgesetzt haben soll, auf sich hat. Da stand der Vorwurf im Raum, Konrad habe im März diesen Jahres Nazi-Inhalte gepostet. Die Ermittlungen dazu wurden jedoch eingestellt. Zuvor war Konrad vom Bauernbund angezeigt worden, weil er in einem Posting den ukrainischen Präsidenten wegen dessen jüdischer Abstammung verunglimpft haben soll. Konrad hat in beiden Fällen bestritten, dass die Nachrichten von ihm gestammt hätten. „Ihm müsse dieses Posting untergejubelt worden sein. Der Milchbauer ist auch Sprecher der kammerkritischen Agrargemeinschaft Österreich (AGÖ).“ (nachrichten.at, 12.8.23)
Der Prozess in Wels wegen Verstoßes nach dem Verhetzungsparagrafen endete schließlich nach zwei Verhandlungstagen mit einer Diversion.
Konrad muss eine Geldbuße von 2500 Euro, einen pauschalen Kostenersatz von 150 Euro und 4430 Euro für die Erstellung des Handy-Gutachtens zahlen. (…) „Ich habe nicht getan, was mir vorgeworfen wurde“, sagt Konrad zu der Diversion: „Ich wollte, dass das Verfahren vorbei ist.“ (nachrichten.at)
Wien: Midlife Crisis und spezielle Hakenkreuz-Torte
Am 9. August stand Michael Sch. wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz nach § 3g vor dem Wiener Landesgericht, da er zwischen 2015 und 2017 37 Bild-Text-Kombinationen nationalsozialistischen Inhalts via WhatsApp verschickt hatte. Darunter befand sich unter anderem ein Foto von einer speziellen Geburtstagstorte für ihn: Bei Anschnitt wurde ein Hakenkreuz sichtbar.
In erster Linie seien sein Alkoholkonsum und die Midlife Crisis für den Versand der Nachrichten verantwortlich, aber auch Gruppendruck. Damals war der Sch. Mitglied des Motorradclubs Outsider, über den er auch an den bereits verurteilten Kurt D., der wiederum nach Ermittlungen gegen Andreas L. ins Visier der der Behörden geraten war. Im Motorrad-Klub sei er „eben reingekippt“. Er habe die Dateien weitergeleitet, ohne nachzudenken. Unter anderem auch an seine Ehefrau, die aus einer Sinti-Familie stamme, auch noch jüdisch sei und deren Familienmitglieder im KZ ermordet worden seien. Wegen des Verfahrens sei die Ehe fast am Scheitern. Es sei reiner Schwachsinn gewesen, damals habe er es lustig gefunden, er habe sich verleiten lassen. Dennoch: Er habe nichts gegen Ausländer, er hat ja auch Kunden jüdischer Abstammung. Und: „Bei Schindlers Liste habe ich geweint.“
Die angeblich vergossenen Tränen konnten Sch. nicht vor einem Schuldspruch bewahren. Die 20 Monate bedingt auf drei Jahre sind bereits rechtskräftig.
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Holzhausen-Wels/OÖ: Der anscheinend feine Grad zwischen Diskurs und Verhetzung
Anfang August stand ein 37-Jähriger aus Holzhausen (Bez. Wels-Land) wegen schwerer Sachbeschädigung, Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren vor dem Landesgericht Wels. Er hatte im Zeitraum zwischen Mai 2022 und Juni 23 in Linz und anderen Orten 133 Schriftzüge mit homo- und islamfeindlichen Inhalten auf diverse Wände gesprayt. Er selbst sei gläubiger Christ, gehöre einer freikirchlichen Gemeinde an und habe persönlich nichts gegen homosexuelle Menschen. Er wolle lediglich, dass sie in den Himmel kämen. Dafür müssten sie „aufhören”, er habe nur auf die Konsequenz (= Hölle) hinweisen, sie also warnen wollen.
Bei der Einvernahme durch die Polizei hat der Angeklagte allerdings an, homosexuelle Menschen und die islamische Glaubenslehre zu hassen. Darauf angesprochen, gab er auch vor Gericht zu, homophob zu sein. Beim Vorwurf der Sachbeschädigung bekannte er sich schuldig, wenn auch nicht in der vor Gericht geltend gemachten Schadenshöhe. Beim Vorwurf der Verhetzung und der Herabwürdigung religiöser Lehren, habe er, so der Verteidiger, nur den öffentlichen Diskurs anregen wollen. Er wollte nicht aufstacheln, sondern nur seine Meinung kundtun. Bei den Taten hatte sich der Angeklagte gefilmt und die Videos auf Youtube veröffentlicht, wo sie noch immer zu betrachten sind.
Der Angeklagte wurde zwar für die Sachbeschädigung schuldig gesprochen und zu (reduziertzen) Schadensersatzzahlungen in der Gesamthöhe von 17.956,18 Euro (für das Anbringen von 133 Graffitis) verurteilt. Dazu kam eine Strafzahlung über 1.920 Euro und eine bedingte Haftstrafe von vier Monaten. Einen Freispruch gab’s jedoch in den anderen beiden Anklagepunkten. Der Richter befand, es habe sich bei den Taten um keine Verhetzung und keine Herabwürdigung religiöser Lehren gehandelt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
➡️ OÖN 9.8.23 und BezirksRundschau 9.8.23
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wien: Alles nicht so schlimm
Andreas S. hatte über fünf Jahre hinweg Chatnachrichten mit nationalsozialistischen Inhalten (SS-Totenkopf, doppelte Sig-Rune, Hakenkreuz, Reichsadler, Adolf Hitler, Eiernockerl etc.) über WhatsApp und Telegram verschickt und sich somit des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz nach §3 schuldig gemacht. Am 10.8. hatte er daher ein Rendezvous am Landesgericht Wien. Zu den angeklagten Nachrichten kam nationalsozialistisches und rassistisches Material auf einer externen Festplatte, das im Zuge einer Hausdurchsuchung sichergestellt wurde. Das war allerdings mangels Verbreitung nicht Teil der Anklage war, genauso wenig wie der Teleskopschlagstock, von dem der Angeklagte nicht mehr wusste, warum er ihn gekauft hatte. Ein vorläufiges Waffenverbot wurde trotzdem ausgesprochen.
S. hatte sich mit dem Olympen Werner Tomanek einen in solchen Causen erfahrenen Verteidiger geholt. Der palaverte von aktuellen Lieblingsthemen der Rechten, vom Fall Teichtmeister, von Wokeness und „normalen“ Menschen und sogar über die Grazer KPÖ-Bürgermeisterin.
Drei Personen aus seiner Arbeitsstelle, in der S. beschäftigt ist und die von dem Verfahren nichts wisse, seien „wegen dem“ – gemeint waren wohl Delikte nach dem Verbotsgesetz – bereits gekündigt worden. Hätte er gewusst, dass er deswegen vor Gericht landen würde, hätte er es nicht gemacht. Es sei eine Dummheit gewesen, meinte der Angeklagte, er habe einfach alles, was er bekommen hatte, weitergeleitet.
Dass das alles nicht so schlimm sei, meinte auch Tomanek, es seien ja bei der Hausdurchsuchung keine NS-Devotionalien gefunden worden („ned amal an Hitler haben‘s gfundn“), und der Angeklagte fahre auch nicht besoffen mit dem Auto. Und überhaupt, der Kommunismus sei nur deshalb weniger schlimm, weil sie den Krieg halt gewonnen haben. Das noch nicht rechtskräftige Urteil: zwölf Monate bedingt auf drei Jahre und die verpflichtende Teilnahme am Programm „Dialog statt Hass“. Seine Frau wurde wegen der Nachrichten, die sie mit ihrem Gatten ausgetauscht hatte, noch freigesprochen. Da ging die Erklärung, es sei alles nur Satire gewesen, noch durch.
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Wien: „Guten Tag“ oder „Alle Menschen müssen sterben“
Michael R.s Chatpartner Peter S. stand bereits im November des letzten Jahres vor Gericht und kassierte einen Schuldspruch samt teilbedingter Haftstrafe. R. selbst hatte am 18. August das zweifelhafte Vergnügen, sich am Landesgericht Wien für acht braune WhatsApp- und Facebook-Nachrichten, die er zwischen 2019 und 2021 auch an S. verschickt hatte, erklären zu müssen. Weiteres einschlägige Dateien, die auf R.s Handy und Laptop aufgefunden wurden, waren nicht zu Anklage gekommen, da ein Beweis über deren Verbreitung nicht erbracht werden konnte.
Thema war R.s seltsame Angewohnheit, ein Doppel‑S in Großbuchstaben darzustellen. Das erklärte er dem möglicherweise doch erstaunten Gericht damit, dass er prinzipiell alle Doppelkonsonanten in Großschreibung verfassen würde, was ein Hinweis auf die richtige Schreibweise sei. Und überhaupt habe er damals eine schwere Zeit gehabt und seine Sorgen täglich mit 16 Bieren ertränkt.
R.s Gerichtsoutfit erregte die Aufmerksamkeit der beisitzenden Richter*innen: Auf dem T‑Shirt war die Aufschrift „Valar Morghulis“ zu lesen. Bei der Bedeutung waren sich der Angeklagte und die Richter*innen jedoch nicht einig: Der Angeklagte zeigte sich zwar über zum Zusammenhang mit „Games of Thrones“ kundig, übersetzte den Spruch jedoch mit „Guten Tag“ – wofür er von einem beisitzenden Richter korrigiert wurde: „Alle Menschen müssen sterben“, wäre da auf seinem T‑Shirt zu lesen. Nach dieser slapstickartigen Einlage ging’s um R.s runenartige Tattoos am linken Unterarm. Er fühle zu den Wikingern hingezogen, war zu hören.
Der Anklagepunkt 8 könnte eigentlich das Landesgericht Ried interessieren: Denn dort wurde ein Prozess zur Einholung eines Sachverständigengutachtens vertagt, weil nicht klar war, ob beim Versenden der Nachricht „Schicke diese Friedenstaube an all deine Freunde weiter, damit die Welt weiterhin harmonisch zusammenleben kann“ der angehängte Reichsadler mit Hakenkreuz zu sehen war oder nicht. Für das Wiener Gericht war diese Frage jedenfalls kein Diskussionspunkt. R. wurde dafür und in allen weiteren sieben Anklagepunkten einstimmig schuldig gesprochen und zu bereits rechtskräftigen 15 Monaten bedingt verurteilt. Zudem muss er eine Bewährungshilfe in Anspruch nehmen.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!