Bez. Ried/OÖ: „Kleiner Bub“ vor Gericht
Wien: Neonazi-Patches und Runen auf der Hand
Kufstein-Innsbruck: In der NS-Ideologie „verirrt“
Ö: Rechtsaußen gegen den Pride Month
Bez. Ried/OÖ: „Kleiner Bub“ vor Gericht
Er ist zwar erst 23 Jahre alt, aber um sich als „kleiner Bub“ zu verkaufen, der an nichts schuld habe, wie es der Angeklagte aus dem Bezirk Ried versuchte, war er doch ein paar Jahre zu alt, und die Beweismittel – Dateien an eine WhatsApp-Gruppe mit dem vielsagenden Namen „Ku-Klux-Klan“ und eine Sprachnachricht – waren zu eindeutig.
Am 14. August 2021 schickte der Beschuldigte zwei Dateien an eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Ku-Klux-Klan”. Ein Foto, auf dem der Hitlergruß mit dem Text „Anstatt Händeschütteln wird wieder normal gegrüßt” zu sehen ist. Eine geschmacklose Anspielung auf die Abstandsregeln in Coronazeiten.
Zudem nahm der Angeklagte noch eine Sprachnachricht („Sieg Heil, Heil, Heil, Heil”) auf. Da bei einem anderen Mitglied der besagten WhatsApp-Gruppe bei einer Hausdurchsuchung wegen Drogenbesitzes das Handy beschlagnahmt wurde, kamen die Ermittler dem 23-Jährigen auf die Schliche. (nachrichten.at, 2.06.22)
Es sei aus Spaß gewesen, dass er diese Nachrichten verschickt habe, er sei als Kind von ägyptischen Eltern gut erzogen und kein Nazi und überhaupt, verstehe er nicht, warum er wegen solcher Dinge, die andere ungestraft machen könnten, nun vor Gericht stehe, meinte der Innviertler.
Geholfen haben dürfte ihm nicht, dass er bereits 2019 wegen einer Beitragstäterschaft bei einem schweren Raub eine Vorstrafe kassiert hatte. „Die Geschworenen sprechen den Angeklagten wegen der Sprachnachricht schuldig, für das Versenden des Fotos wird er freigesprochen. Das Strafmaß: 18 Monate bedingt, zudem wird Bewährungshilfe angeordnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.“ (nachrichten.at)
Wien: Neonazi-Patches und Runen auf der Hand
Bericht von prozess.report via Twitter
Am 24.05.2022 beobachteten wir einen Verbotsgesetz-Prozess im Wiener Landesgericht. Angeklagt war ein bulgarischer Mann, der zeitweise in Wien lebte. Am 23.12.2019 stellte man eine Postsendung mit 124 Patches der neonazistischen Black-Metal-Band „Absurd” sicher, die er bestellte. Arrangiert habe die Versendung der Absurd-Patches ein Mann aus Mexiko: Die Patches würden in Mexiko gefertigt und anschließend an Abnehmer*innen verschickt. Über eine Facebook-Seite, die der Angeklagte administriert haben soll, wurden diese dann zum Verkauf angeboten. Außerdem war er angeklagt, weil er auf seinem linken Mittelfinger eine Odal- und Pfeilrune tätowiert hatte. Die Odalrune stellte das Symbol der neonazistischen deutschen „Wiking Jugend” dar, welche 1994 verboten worden ist.
Bei einer Hausdurchsuchung am 23.05.2020 fand man mehrere einschlägige T‑Shirts, CD’s, Bücher, einen Schal von Blood & Honour, sowie unzählige entsprechende Dateien und Chatverläufe auf seinen elektronischen Datenträgern. In einem Chatverlauf soll der wegen gemeinschaftlich geplanten Mordes verurteilte Neonazi, Plattenproduzent und Gründer von „Absurd” Hendrik Möbus ihm sogar angeboten haben, für ihn im Vertrieb zu arbeiten.
In Kontakt sei der Angeklagte mit neonazistischen Inhalten, Musik und Akteur*innen erstmalig in Bulgarien gekommen, dort habe er u. a. einschlägige Konzerte der Metal-Szene besucht.
Des Weiteren konnten zwei Fotos des Angeklagten sicher gestellt werden, die ihn beim Zeigen eines Hitlergrußes sowie beim Tragen eines Blood & Honour-Schals abbilden.
Urteil: 22 Monaten bedingte wegen teilw. versuchter Wiederbetätigung nach 3gVG wegen der Runen am Mittelfinger & Import der Patches — Freispruch für eine 2. Bestellung von Patches & die sichergestellten Devotionalien, da ein öffentliches zur Schau stellen nicht nachgewiesen wurde.
Kritisch zu sehen ist die Aussage des Richters, er habe keine Zeug*innen geladen, da er „auch nicht wüsste wen”. Weder wurden möglich Abnehmer*innen, noch konkrete Kontakte des Angeklagten ermittelt. Erneut wurde so ein Einzeltäter herbei konstruiert, dessen vorhandenes Netzwerk im Hintergrund & Kontakte zu Szenegrößen nicht weiter beleuchtet worden sind. Zu den Aktivitäten in Bulgarien gab es lediglich Schutzbehauptungen des Angeklagten, denen nichts entgegengesetzt wurde.
Abgesehen von uns fanden sich keine Medienvertreter*innen oder Beobachter*innen vor Ort ein: So blieb der Prozess medial unkommentiert, obgleich der Prozess einen raren Einblick in das Vertriebsnetz einer der bekanntesten neonazistischen Black-Metal-Bands erlaubte.
➡️ Belltower zur Neonazi-Band „Absurd“
Kufstein-Innsbruck: In der NS-Ideologie „verirrt“
Den Holocaust leugnen, den NS und Hitler verherrlichen, die Juden als Verantwortliche für alles Übel der Welt – Corona inklusive – diffamieren und kein Nazi sein wollen? Diese Argumentation ist sich für die Verteidigerin des zwischen Spanien und Österreich pendelnden Tirolers Richard K. (54) offenbar ausgegangen, aber wohl nur bei ihr. Dass K. gleich zwei einschlägige Websites im Dezember 2020 ins Netz stellte, erklärte die Verteidigerin damit, K. habe in der Pandemie Antworten gesucht und sich dabei in der nationalsozialistischen Ideologie verirrt. K. selbst, der im Dezember 2021 in Kufstein verhaftet wurde, wollte zu alledem im Prozess nichts sagen, er ließ eine schriftliche Erklärung verteilen und bekannte sich schuldig.
Aufmerksam war die Polizei geworden, weil K. im Raum Kufstein bis ins bayerische Kiefersfelden hinein Plakate anbrachte und Visitenkarten samt seiner Wohnungsadresse verteilte, um Werbung für seine Nazi-Websites zu machen. Der nachfolgende Hausbesuch der Exekutive endete mit der Verhaftung.
Nachdem der Verhaftete noch bei der Ermittlungsrichterin am Landesgericht dabei geblieben war, dass Holocaust und Corona eine Erfindung des Judentums und der Freimaurer seien, und er zudem die Herausgabe der Zugangscodes für seine Internetseiten verweigerte, wurde über den 54-Jährigen bis zum nunmehrigen Prozess wegen NS-Wiederbetätigung Untersuchungshaft verhängt. Erst Verteidigerin Eva Kathrein konnte den Mandanten zur Herausgabe der Codes bewegen. (Tiroler Tageszeitung, 4.6.22, S. 5)
K. wurde in allen Anklagepunkten einstimmig schuldig gesprochen und zu 24 Monaten Haft, davon sechs unbedingt unter Anrechnung der Untersuchungshaft, verurteilt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, kann K. heute, 7.6.22, das Gefängnis verlassen.
Im Prozess wurde wie so oft nicht erörtert, ob der Angeklagte vernetzt war und Kontakte in die Neonazi-Szene hatte.
Ö: Rechtsaußen gegen den Pride Month
Sie marschieren und mobilisieren Hand in Hand aus Anlass des Pride Months gegen die LGBTQI-Bewegung: Neonazis, Identitäre, katholische Fundis, Coronaleugner und weitere Rechtsextreme. Mit dabei an vorderster Front findet sich die FPÖ vor allem mit ihren Jugendorganisationen, von denen sich insbesondere die freiheitliche Jugend in der Steiermark und in Tirol mit Hetzsujets hervorgetan hatten. Mehrere Politiker*innen von Grünen und Neos kündigten eine Anzeige an.
Sichtbar wurde die Rechtsaußen-Allianz auch in der Hetze gegen eine Lesung für Kinder, zu der von den Büchereien Wien die Dragqueen Candy Licious geladen war. Nachdem über diverse Kanäle tagelang Stimmung gegen die Veranstaltung gemacht wurde, fanden sich am Tag der Lesung zuerst ein angeblich von Neonazis angebrachtes Hetzbanner und danach eine von Identitären aus Ytong-Ziegeln errichtete Barriere am Eingang der Stadtbücherei Mariahilf. Die Lesung von Candy Licious konnte nur unter Polizeischutz abgehalten werden.
Nachdem drei Identitäre wegen ihrer Störaktion bei der Vienna Pride 2021 freigesprochen wurden, ist mit weiteren Attacken auch bei der Parade am 11. Juni zu rechnen.
Der Journalist Markus Sulzbacher berichtet in seinem Newsletter vom 3.3.22:
Mindestens 215 “vorurteilsmotivierte Verbrechen” gegen LGBTQ-Personen haben allein im dritten Quartal 2021 in Österreich stattgefunden, wie das Innenministerium in einer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ schreibt. Darunter schwere Körperverletzungen, Nötigung und Sachbeschädigungen. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.