Insgesamt ist es bei den rechtsextrem motivierten Tathandlungen (1) 2020 im Vergleich zum Vorjahr zu einem Rückgang gekommen: Mit 853 Tathandlungen ist die geringste Anzahl seit 2014 zu verzeichnen; der Wert liegt aber noch deutlich über dem Niveau von vor 2015, jenem Jahr, als mit der großen Fluchtkrise auch die Zahl der rechtsextremen Straftaten in die Höhe schnellte. Ein Anstieg ist allerdings in den Unterkategorien „rassistisch/fremdenfeindlich“, „antisemitisch“ und „islamophob“ zu verzeichnen.
Die Statistik – gemessen an der Zahl der Einwohner*innen – führen einmal mehr die Bundesländer Salzburg und Oberösterreich an. An dritter Stelle reiht sich die Steiermark ein. Diese drei Bundesländer liegen auch im Durchschnitt der letzten acht Jahre voran.
Bei Anzeigen nach dem Verbotsgesetz wurde 2019 die Tausendermarke überschritten (1.037), sie viel im letzten Jahr auf 801– auch hier ist der niedrigste Wert seit 2014 zu vermerken.
Auffällig dabei ist der deutliche Rückgang vor allem in Niederösterreich (von 221 auf 98) und dass Wien und Kärnten – hier nur leicht – die einzigen Bundesländer sind, in denen ein Anstieg zu verzeichnen ist. Bei beiden allerdings auf ein Niveau, das unter den Höchstwerten von 2015 bis 2018 liegt. Voran liegen wie bei den Tathandlungen Salzburg und Oberösterreich. Salzburg verzeichnet über den Schnitt der letzten acht Jahre gerechnet die dreifache Anzahl an Anzeigen vom Burgenland, das Bundesland mit der geringsten Zahl.
Bei Anzeigen nach dem § 283 StGB (Verhetzung) ist wiederum ein deutlicher Anstieg zu bemerken, die kletterten österreichweit von 169 auf 224 hinauf. Hier stechen Oberösterreich, Vorarlberg und Wien hervor, wo es jeweils mehr als eine Verdoppelung gab.
Anzeigen nach dem Abzeichengesetz fallen in die Zuständigkeiten von Bezirksbehörden. Sie sind selten – für 2020 sind nur sechs Anzeigen vermerkt – und werden, wie es aussieht, nicht einmal dann verlässlich erfasst, wenn es sie gegeben hat. Im November hat die Grüne Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer zwei Ex-Politiker nach dem Abzeichengesetz bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau angezeigt, weil die beiden auf dem Eingangstor zu ihrem Areal Runen angebracht haben – und zwar deutlich sichtbar für jede vorbeikommende Person. Einmal abgesehen davon, dass die Runen noch immer dort sind, ist in Nehammers Statistik die Anzeige nicht vermerkt, denn für Kärnten wird die Zahl 0 ausgewiesen.
Die NS-Meldestelle im BVT
Interessant wird es auch bei der Antwort zur Frage nach den Kennzahlen zur im BVT beheimateten NS-Meldestelle. Im Jahr 2019 gingen (laut Verfassungsschutzbericht 2019) insgesamt 3.081 Meldungen an die Stelle ein. Laut Anfragebeantwortung wurden daraus 95 Verdachtsmeldungen rausgefiltert und an die jeweils zuständigen Landesämter für Verfassungsschutz weitergeleitet. 68 führten schließlich zu Anzeigen. Das waren die Zahlen, die in der Beantwortung zur Anfrage über den Zeitraum 2019 seitens des BMI bekanntgegeben wurden. Nun schreibt der Innenminister, dass zudem „59 Anzeigen und 50 Berichte gem. § 100 Abs. 3a StPO an die zuständigen Staatsanwaltschaften übermittelt“ (2) worden seien.
Wie ergibt sich nun die gewaltige Differenz zwischen den eingelangten Meldungen und jenen, die, wie oben beschrieben, weiterbehandelt werden? Dazu der Innenminister: „In weiterer Folge wurden die Eingänge gesichtet und irrelevante Meldungen (beispielsweise Spam-Nachrichten) aussortiert bzw. Doppel- bzw. Mehrfachmeldungen zusammengeführt.“
Im Jahr 2020 führten die Meldungen zwar zu deutlich mehr als einer Verdoppelung der Verdachtsmeldungen gegenüber 2019 (216), die daraus resultierenden Anzeigen blieben allerdings auf dem exakt gleichen Stand wie 2019, nämlich bei 68.
Anzeigen aus Meldungen an die NS-Meldestelle:
2013: 63 | 2014: 158 | 2015: 238 | 2016: 274 |
2017: keine Daten | 2018: 164 | 2019: 68 | 2020: 68 |
Das alles wirft Fragen zur Effizienz der NS-Meldestelle auf, bei der nur via E‑Mail (oder per Post) Meldungen eingegeben werden können. Das Innenministerium liefert auch keinerlei Anhaltspunkte, wie diese Meldungen aussehen sollten, was dabei zu beachten ist. Im Jahr 2021 wäre eine Eingabe über ein Onlineformular – auch in anonymer Form – eine Mindestanforderung, die der Staatsschutz bieten sollte. Es ist zu hoffen, dass das Innenministerium im Zuge der Reformierung des BVT sich auch in dem Bereich zeitgemäß(er) aufstellt.
➡️ Rechtsextreme Straftaten 2019 – Entwicklung und Bundesländervergleich
➡️ Rechtsextreme Straftaten 2018: Entwicklung, Bundesländervergleich und eine Frage
➡️ Rechtsextrem motivierte Straftaten im Jahres- und Bundesländervergleich
1 Tathandlungen können aus mehreren Delikten bestehen: z.B. bei einer NS-Schmiererei Sachbeschädigung und Wiederbetätigung
2 100 Abs. 3a StPO: Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft auch zu berichten, wenn aus ihrer Sicht kein Anfangsverdacht vorliegt, oder sie Zweifel hat, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, zu dessen Aufklärung sie berechtigt und verpflichtet wäre, Ermittlungen zu führen.
Anfragebeantwortungen des Innenministeriums, die den hier dargelegten Zahlen zugrunde liegen:
2020: Anfrage/Beantwortung Stögmüller: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_04895/index.shtml
2020: Anfrage/Beantwortung Schatz: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_04833/index.shtml
2019: Anfrage/Beantwortung Stögmüller: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_00737/index.shtml
2019: Anfrage/Beantwortung Schatz: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_00513/index.shtml
2018: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/AB-BR/AB-BR_03352/imfname_746617.pdf
2017: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_00356/imfname_691641.pdf
2016: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_11453/imfname_630786.pdf
2015: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_03782/imfname_404559.pdf
2014: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_03782/imfname_404559.pdf
2013: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_00369/fname_342212.pdf