Konterrevolution macht Pause

Als bei dem NS-Wieder­betä­ti­gung­sprozess rund um einige Aktivis­ten der Europäis­chen Aktion aus abge­hörten Tele­fonge­sprächen zitiert wurde, war ziem­lich klar, dass sich der Angeklagte Peter H. damit als ein­er der bis­lang geheimen Grün­der des recht­sex­tremen Nachricht­en­por­tal „Unser Mit­teleu­ropa“ geoutet hat­te. Jet­zt liefert eine aus­geze­ich­nete Recherche von „netzpolitik.org“ Belege dafür, dass das Por­tal auch nach einem Besitzer­wech­sel von Öster­re­ich­ern dirigiert wird. Der eine ist Mitar­beit­er der Kom­mu­nika­tion­s­abteilung des Kli­maschutzmin­is­teri­ums, das ihn aus der blauen Ära geerbt hat.

Die Recherche von netzpolitik.org, die den beze­ich­nen­den Titel „Desin­for­ma­tion aus Öster­re­ich „Ver­trauen Sie Profis!“ trägt, ist erst seit weni­gen Tagen online. Aus ihr geht her­vor, dass Eric Hugo Wein­han­dl gemein­sam mit Cor­nelius R. die Fir­ma „New Net­work Com­mu­ni­ca­tions Ltd.“ (NNC) in Lon­don besitzt. Die, am 15.3.2019 in Eng­land angemeldete Fir­ma ist auch die Medi­en­in­hab­erin des Por­tals „Unser Mit­teleu­ropa“, das 2016 von ungarischen und öster­re­ichis­chen Recht­sex­tremen gegrün­det wurde. 2020 wurde das Por­tal dann von NNC übernommen.

Eine aus­führliche Beschrei­bung von „Unser Mit­teleu­ropa“ liefern wir an dieser Stelle nicht, son­dern ver­weisen auf die Recherche von netzpolitik.org und auf Beiträge von „Stoppt die Recht­en“, in denen wir uns mit diesem Por­tal beschäftigt haben. Vielle­icht noch ein Detail zur Einord­nung: „Unser Mit­teleu­ropa“ zitiert häu­fig und gerne aus so ver­lässlichen Quellen wie „unzen­suri­ert“, „epochtimes“, „Rus­sia Today“ oder „Tichys Ein­blick“, präsen­tiert aber auch zusät­zlich Medi­enko­op­er­a­tionspart­ner, die deut­lich machen, woher der Wind weht: „Zur Zeit“, „Philosophia Peren­nis“ zählen da eher noch zum soft­en Ange­bot; „La Voce del Patri­o­ta“ ist ein Organ der ital­ienis­chen Recht­sex­tremen bzw. Post­faschis­ten um Gior­gia Mel­oni, „Boule­vard Voltaire“ und „eurolib­ertes“ kön­nen der extremen Recht­en in Frankre­ich zugerech­net werden.

Medienpartner von "Unser Mitteleuropa": rechtsextreme und faschistische Medien

Medi­en­part­ner von „Unser Mit­teleu­ropa”: recht­sex­treme und faschis­tis­che Medien

Von den zwei Geschäfts­führern von NNC, denen auch jew­eils 50 Prozent der Fir­ma gehören, hat ein­er Erfahrung als Geschäfts­mann. Auf Face­book posiert Cor­nelius R., ein 67-Jähriger mit schüt­terem Haar, vor einem Tyran­nosaurus Rex. Anfang der Nuller­jahre betrieb der Öster­re­ich­er einen Edel­stein­laden in einem West­ern­er­leb­nis­park südlich von Wien, später in einem Einkauf­szen­trum in der Stadt“, beschreibt netzpolitik.org mit einem Anflug von Ironie den einen der bei­den Geschäftsführer.

Der zweite Geschäfts­führer ist Eric Hugo Wein­han­dl, ein ziem­lich umtriebiger Men­sch, denn er betätigt sich nicht nur bei der NNC, son­dern auch in einem öster­re­ichis­chen Min­is­teri­um. Im Kli­maschutzmin­is­teri­um ist er in der Abteilung Prä­sid­i­um 2‑Kommunikation tätig; direkt zuvor war er par­la­men­tarisch­er Mitar­beit­er des FPÖ-Abge­ord­neten Mar­tin Graf, von wo er unter Nor­bert Hofer ins dama­lige Verkehrsmin­is­teri­um geholt wurde.

Weinhandls Arbeitsplatz im Ministerium

Wein­han­dls Arbeit­splatz im Ministerium

Neben­bei ist Wein­han­dl auch noch Autor bei „eigen­tüm­lich frei“, ein­er Pub­lika­tion, die bei Wikipedia zwis­chen rechts und recht­sex­trem verortet wird. „eigen­tüm­lich frei“ gibt dann auch einen Hin­weis auf ein weit­eres Arbeits­feld von Wein­han­dl: Dem­nach betreibt er den Blog „konterrevolution.at“. Im dor­ti­gen Impres­sum ist der Seit­en­be­treiber nicht namentlich, aber von sein­er Aus­bil­dung her genan­nt: „studiert­er Poli­tik­wis­senschaftler“. Bei den AGB für die Bestel­lung von Büch­ern wird der Seit­en­be­treiber (samt Adresse) ange­führt: Eric Hugo Wein­han­dl, BA, MA, Abs­berg­er­gasse …, 1100 Wien.

Weinhandl auf konterrevolution.at

Wein­han­dl auf konterrevolution.at

Für einen Min­is­teri­umsmi­tar­beit­er wäre ein Blog mit diesem Namen nicht bloß ein etwas wider­sprüch­lich­es Pro­jekt, son­dern auch ziem­lich gewagt. Die let­zte Kon­ter­rev­o­lu­tion auf deutschsprachigem Boden war 1920 der Ver­such von recht­sex­tremen Mil­itärs und Paramil­itärs um Kapp und Lüt­twitz, die Weimar­er Repub­lik und mit ihr die erste deutsche Demokratie niederzuputschen. Ein ander­er nahe­liegen­der und ver­wandter Anknüp­fungspunkt wäre die „Kon­ser­v­a­tive Rev­o­lu­tion“, eine anti­demokratis­che, elitäre und recht­sex­treme Strö­mung in der Weimar­er Repub­lik, auf die heute die „Neue Rechte” ref­eren­ziert.

Auf „konterrevolution.at“ wird jeden­falls in dieser Denk­tra­di­tion die Demokratie als „nichts anderes als eine abgeschwächte Vari­ante, qua­si eine Ver­suchs­form von vie­len, des Kom­mu­nis­mus“ denun­ziert: „Die Demokratie dient als massen­haftes Blendw­erk, um Plu­tokra­tien, Oli­garchien und andere Autokra­tien zu tar­nen, ihnen eine humane und herzeig­bare Fas­sade zu ver­passen.“ (aus „Demokratie, eine Farce!“)

konterrevolution.at: Demokratie eine Farce (Screenshot wayback)

konterrevolution.at: Demokratie eine Farce (Screen­shot wayback)

Es sind in der Erzäh­lung von „konterrevolution.at“ die verkomme­nen Eliten, die Demokratie als beson­ders raf­finiertes Herrschaftsin­stru­ment nutzen, um die „Gesellschaften und ihre Bürg­er (…) umfassend in entwurzelte, indok­trinier­bare und ablenkungs­getriebene Befehlsempfänger, qua­si post­mod­erne Sklaven“ umzu­mod­el­lieren. Und wer sind diese Eliten? Im Beitrag „Elite und wir: Die Nor­ma­tiv­ität der sozialen Seg­re­ga­tion“ wird ein klein­er Anhalt­spunkt dafür gegeben, ein Code­wort, das von den Eingewei­ht­en natür­lich ver­standen wird: „Ein seit Jahren bekan­nter pädophiler Mil­liardär (Jef­frey Epstein)“, hin­ter dem aber Auf­tragge­ber stün­den, die auch „kon­ter­rev­o­lu­tion“ nur andeuten will und in fataler Weise an QAnon erinnern:

Es ist dies wohl der offen­sichtlich­ste Fall der ver­gan­genen Jahrzehnte, welch­er verdeut­licht, dass Eliten in pädophile und satanis­che Ver­brechen aktiv involviert sind, die dem gewöhn­lichen Beobachter schon bei den ober­fläch­lich­sten Infor­ma­tio­nen über diese Machen­schaften schlaflose Nächte und Trau­ma­ta bescheren. Es sind dies ver­schworene und einem nicht näher bekan­nten Ziel ent­ge­gen­strebende Seilschaften, die sich der grausam­sten Ver­brechen bedi­enen und aus diesem Mix der Abar­tigkeit, Bru­tal­ität und Macht unseren Plan­eten kontrollieren.

Als Ser­vice für das tra­di­tionell eher deutschtümel­nde recht­sex­treme Pub­likum ist wohl ein ander­er Beitrag auf „kon­ter­rev­o­lu­tion“ gedacht: „Deutsch­land im Som­mer: Das Ende eines Volkes“ In dieser ein­deutig ras­sis­tis­chen Erzäh­lung wird von ein­er „völ­lig aus der Hand laufende[n] migrantisch[n] Gewalt“ schwadroniert, über die ange­bliche „Ver­teufelung der Weißen“ und schließlich, dass ver­sucht werde, „mit Hass auf Weiße die West­liche Gesellschaft in Brand zu set­zen”. Das ras­sis­tis­che Mas­sak­er von El Paso, bei dem ein weißer Recht­sex­trem­ist 22 Men­schen ermordete und weit­ere schw­er ver­let­zte, wird so entschuldigt:

Man muss aber auch fra­gen, inwieweit der Boden für solche Tat­en bere­it­et wird, wenn man jun­gen Men­schen von der Schule bis in Stream­ing­for­mate hinein ständig erk­lärt, wie böse sie nicht eigentlich sind, ein­fach weil sie existieren und wenn schon nicht aktiv, dann zumin­d­est pas­siv in Form von “Priv­i­legien” und ähn­lichen Kon­struk­ten, um eine klare, unan­fecht­bare Hier­ar­chie aus Opfern und Tätern zu etablieren.

Faz­it: Auf „kon­ter­rev­o­lu­tion“ find­et sich ein Amal­gam aus anti­demokratis­chen, ras­sis­tis­chen und ver­schwörerischen Ele­menten, die mut­maßlich von einem Min­is­teri­umsmi­tar­beit­er bedi­ent wer­den. Jet­zt hat die „kon­ter­rev­o­lu­tion“ aus Wien jedoch eine Pause ein­gelegt. Wartungssar­beit­en wer­den da vor ein­er majestätis­chen Gebirgskulisse angekündigt. Ein Zusam­men­hang mit den Recherchen von netzpolitik.org darf wohl ver­mutet wer­den. Aber zum Glück gibt es ja die way­back-Mas­chine und Google Cache!

konterrevolution.at macht Pause: Wartungsarbeiten (24.3.21)

konterrevolution.at macht Pause: Wartungsar­beit­en (24.3.21)

➡️ Viele Löschun­gen und andere Merkwürdigkeiten
➡️ netzpolitik.org: Desin­for­ma­tion aus Öster­re­ich – „Ver­trauen Sie Profis!“
➡️ netzpolitik.org: Rechte Desin­for­ma­tion – Öster­re­ichs Kli­mamin­is­teri­um stellt Kli­maleugn­er frei