Die Recherche von netzpolitik.org, die den bezeichnenden Titel „Desinformation aus Österreich „Vertrauen Sie Profis!“ trägt, ist erst seit wenigen Tagen online. Aus ihr geht hervor, dass Eric Hugo Weinhandl gemeinsam mit Cornelius R. die Firma „New Network Communications Ltd.“ (NNC) in London besitzt. Die, am 15.3.2019 in England angemeldete Firma ist auch die Medieninhaberin des Portals „Unser Mitteleuropa“, das 2016 von ungarischen und österreichischen Rechtsextremen gegründet wurde. 2020 wurde das Portal dann von NNC übernommen.
Eine ausführliche Beschreibung von „Unser Mitteleuropa“ liefern wir an dieser Stelle nicht, sondern verweisen auf die Recherche von netzpolitik.org und auf Beiträge von „Stoppt die Rechten“, in denen wir uns mit diesem Portal beschäftigt haben. Vielleicht noch ein Detail zur Einordnung: „Unser Mitteleuropa“ zitiert häufig und gerne aus so verlässlichen Quellen wie „unzensuriert“, „epochtimes“, „Russia Today“ oder „Tichys Einblick“, präsentiert aber auch zusätzlich Medienkooperationspartner, die deutlich machen, woher der Wind weht: „Zur Zeit“, „Philosophia Perennis“ zählen da eher noch zum soften Angebot; „La Voce del Patriota“ ist ein Organ der italienischen Rechtsextremen bzw. Postfaschisten um Giorgia Meloni, „Boulevard Voltaire“ und „Eurolibertés“ können der extremen Rechten in Frankreich zugerechnet werden.
„Von den zwei Geschäftsführern von NNC, denen auch jeweils 50 Prozent der Firma gehören, hat einer Erfahrung als Geschäftsmann. Auf Facebook posiert Cornelius R., ein 67-Jähriger mit schütterem Haar, vor einem Tyrannosaurus Rex. Anfang der Nullerjahre betrieb der Österreicher einen Edelsteinladen in einem Westernerlebnispark südlich von Wien, später in einem Einkaufszentrum in der Stadt“, beschreibt netzpolitik.org mit einem Anflug von Ironie den einen der beiden Geschäftsführer.
Der zweite Geschäftsführer ist Eric Hugo Weinhandl, ein ziemlich umtriebiger Mensch, denn er betätigt sich nicht nur bei der NNC, sondern auch in einem österreichischen Ministerium. Im Klimaschutzministerium ist er in der Abteilung Präsidium 2‑Kommunikation tätig; direkt zuvor war er parlamentarischer Mitarbeiter des FPÖ-Abgeordneten Martin Graf, von wo er unter Norbert Hofer ins damalige Verkehrsministerium geholt wurde.
Nebenbei ist Weinhandl auch noch Autor bei „eigentümlich frei“, einer Publikation, die bei Wikipedia zwischen rechts und rechtsextrem verortet wird. „eigentümlich frei“ gibt dann auch einen Hinweis auf ein weiteres Arbeitsfeld von Weinhandl: Demnach betreibt er den Blog „konterrevolution.at“. Im dortigen Impressum ist der Seitenbetreiber nicht namentlich, aber von seiner Ausbildung her genannt: „studierter Politikwissenschaftler“. Bei den AGB für die Bestellung von Büchern wird der Seitenbetreiber (samt Adresse) angeführt: Eric Hugo Weinhandl, BA, MA, Absbergergasse …, 1100 Wien.
Für einen Ministeriumsmitarbeiter wäre ein Blog mit diesem Namen nicht bloß ein etwas widersprüchliches Projekt, sondern auch ziemlich gewagt. Die letzte Konterrevolution auf deutschsprachigem Boden war 1920 der Versuch von rechtsextremen Militärs und Paramilitärs um Kapp und Lüttwitz, die Weimarer Republik und mit ihr die erste deutsche Demokratie niederzuputschen. Ein anderer naheliegender und verwandter Anknüpfungspunkt wäre die „Konservative Revolution“, eine antidemokratische, elitäre und rechtsextreme Strömung in der Weimarer Republik, auf die heute die „Neue Rechte” referenziert.
Auf „konterrevolution.at“ wird jedenfalls in dieser Denktradition die Demokratie als „nichts anderes als eine abgeschwächte Variante, quasi eine Versuchsform von vielen, des Kommunismus“ denunziert: „Die Demokratie dient als massenhaftes Blendwerk, um Plutokratien, Oligarchien und andere Autokratien zu tarnen, ihnen eine humane und herzeigbare Fassade zu verpassen.“ (aus „Demokratie, eine Farce!“)
Es sind in der Erzählung von „konterrevolution.at“ die verkommenen Eliten, die Demokratie als besonders raffiniertes Herrschaftsinstrument nutzen, um die „Gesellschaften und ihre Bürger (…) umfassend in entwurzelte, indoktrinierbare und ablenkungsgetriebene Befehlsempfänger, quasi postmoderne Sklaven“ umzumodellieren. Und wer sind diese Eliten? Im Beitrag „Elite und wir: Die Normativität der sozialen Segregation“ wird ein kleiner Anhaltspunkt dafür gegeben, ein Codewort, das von den Eingeweihten natürlich verstanden wird: „Ein seit Jahren bekannter pädophiler Milliardär (Jeffrey Epstein)“, hinter dem aber Auftraggeber stünden, die auch „konterrevolution“ nur andeuten will und in fataler Weise an QAnon erinnern:
Es ist dies wohl der offensichtlichste Fall der vergangenen Jahrzehnte, welcher verdeutlicht, dass Eliten in pädophile und satanische Verbrechen aktiv involviert sind, die dem gewöhnlichen Beobachter schon bei den oberflächlichsten Informationen über diese Machenschaften schlaflose Nächte und Traumata bescheren. Es sind dies verschworene und einem nicht näher bekannten Ziel entgegenstrebende Seilschaften, die sich der grausamsten Verbrechen bedienen und aus diesem Mix der Abartigkeit, Brutalität und Macht unseren Planeten kontrollieren.
Als Service für das traditionell eher deutschtümelnde rechtsextreme Publikum ist wohl ein anderer Beitrag auf „konterrevolution“ gedacht: „Deutschland im Sommer: Das Ende eines Volkes“ In dieser eindeutig rassistischen Erzählung wird von einer „völlig aus der Hand laufende[n] migrantisch[n] Gewalt“ schwadroniert, über die angebliche „Verteufelung der Weißen“ und schließlich, dass versucht werde, „mit Hass auf Weiße die Westliche Gesellschaft in Brand zu setzen”. Das rassistische Massaker von El Paso, bei dem ein weißer Rechtsextremist 22 Menschen ermordete und weitere schwer verletzte, wird so entschuldigt:
Man muss aber auch fragen, inwieweit der Boden für solche Taten bereitet wird, wenn man jungen Menschen von der Schule bis in Streamingformate hinein ständig erklärt, wie böse sie nicht eigentlich sind, einfach weil sie existieren und wenn schon nicht aktiv, dann zumindest passiv in Form von “Privilegien” und ähnlichen Konstrukten, um eine klare, unanfechtbare Hierarchie aus Opfern und Tätern zu etablieren.
Fazit: Auf „konterrevolution“ findet sich ein Amalgam aus antidemokratischen, rassistischen und verschwörerischen Elementen, die mutmaßlich von einem Ministeriumsmitarbeiter bedient werden. Jetzt hat die „konterrevolution“ aus Wien jedoch eine Pause eingelegt. Wartungssarbeiten werden da vor einer majestätischen Gebirgskulisse angekündigt. Ein Zusammenhang mit den Recherchen von netzpolitik.org darf wohl vermutet werden. Aber zum Glück gibt es ja die wayback-Maschine und Google Cache!
➡️ Viele Löschungen und andere Merkwürdigkeiten
➡️ netzpolitik.org: „Vertrauen Sie Profis!“
➡️ netzpolitik.org: Österreichs Klimaministerium stellt Klimaleugner frei