St. Pölten-Krems: Razzien in der Neonazi-Szene
Graz: Gutachten zu FPÖ-Finanzskandal
Klagenfurt-EU: FPÖ-Kandidatin zur EU-Wahl droht Anklage
Wien: ÖVP und FPÖ liefern sich antifeministisches Wettrennen
Wien: Antisemitismus bei „Free-Palestine“-Kundgebung an der Kunstuni
Wien: FPÖ als Cashcow für „Zur Zeit“
St. Pölten-Krems: Razzien in der Neonazi-Szene
Bei Hausdurchsuchungen in Niederösterreich wurden Waffen, Munition, Datenträger und zahlreiche NS-Devotionalien beschlagnahmt. Auf veröffentlichten Fotos der sichergestellten Objekte sind neben Neonazi-Propagandamaterial mehrere Lang- und Kurzwaffen, Messer und Äxte zu sehen. Die Hausdurchsuchungen fanden im Rahmen einer von Europol koordinierten, europaweiten Polizeiaktion statt, von der insgesamt 209 Zielpersonen betroffen waren, acht davon in Niederösterreich. Warum die Aktion nur in Niederösterreich stattfand, erklärte bedauerlicherweise niemand, auch zu den betroffenen Personen gab es keine näheren Informationen. Die Maßnahmen, die von den Staatsanwaltschaften St. Pölten und Krems angeordnet wurden, zielten auf die Bekämpfung von Hasskriminalität und rechtsextremen Straftaten ab.
Graz: Gutachten zu FPÖ-Finanzskandal
Als der Journalist und Publizist Hans-Hennig Scharsach vor kurzem in Wels über die „unglaubliche Zahl und die unglaubliche Vielfalt krimineller Aktivitäten von FPÖ-Politikern” referierte, zählte der juristisch noch unabgeschlossene Finanzskandal um die Grazer FPÖ zu den aktuellsten – und möglicherweise auch heftigsten – Beispielen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt hier gegen sieben hohe FPÖ-Funktionäre, die im Verdacht stehen, Steuer- und Parteigelder in Millionenhöhe veruntreut zu haben (es gilt die Unschuldsvermutung). Unter den sieben Beschuldigten ist auch der ehemalige Grazer Vizebürgermeister und Finanzprüfer der Bundes- und Landes-FPÖ, Mario Eustacchio, bezüglich dessen Causa nun ein durch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt beauftragtes Gutachten von einem Wirtschaftsprüfer vorliegt. Dieser prüfte mehrere Konten,
von denen offenbar große Summen in der Regel in bar behoben worden sein könnten. Seit mehr als zwei Jahren laufen die Ermittlungen gegen die ehemalige Parteispitze rund um Eustacchio, Armin Sippel und Matthias Eder wegen Untreue und Fördermissbrauch. Eder hatte Ende 2021 mit einer Selbstanzeige die Ermittlungen ins Laufen gebracht und dabei auch 710.000 Euro Schadenswiedergutmachung bei der Justiz hinterlegt. (orf.at, 12.12.23)
Der Gutachter bezog dubiose Transaktionen von insgesamt etwa 300 000 Euro seit 2014 ein und geht davon aus, dass zumindest eine zweite Person an ihnen beteiligt gewesen sein müsse. Außerdem zitiert ihn die „Kleine Zeitung“ mit folgender Schlussfolgerung:
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen muss vermutet werden, dass ein Großteil der Mittel, die der FPÖ Graz und dem FPÖ-Gemeinderatsklub Graz zur Verfügung standen, nicht entsprechend dem im Parteiengesetz definierten Zweck, sondern für private Zwecke verwendet wurde. (kleinezeitung.at, 10.12.23)
Etliche Fragen seien noch offen, weil es an Buchungsbelegen fehle – so der Gutachter.
Klagenfurt-EU: FPÖ-Kandidatin zur EU-Wahl droht Anklage
Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt nahm Ermittlungen gegen die FPÖ-Kandidatin zur EU-Wahl, Elisabeth Dieringer-Granza, erneut auf, weil diese mit ihrem Ausscheiden aus dem Kärntner Landtag die Immunität verlor. Dabei geht es um einen Vorfall aus dem November 2021: Dieringer-Granza hatte Covid-erkrankt an einer Landtagssitzung teilgenommen, woraufhin mehrere Abgeordnete positiv getestet worden waren. Ein entsprechendes Testergebnis per SMS hatte sie zwar erhalten, aber, so ihre Aussage damals, übersehen und dann gelöscht.
Die StA begann nach einer Anzeige wegen des „Verdachts der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“ zu ermitteln. Weil der Landtag die Abgeordnete mit Verweis auf ihre Immunität nicht auslieferte, musste die Behörde die Ermittlungen vorübergehend einstellen. Nach Dieringers Ausscheiden aus dem Landtag wurden sie jedoch fortgeführt. (kleinezeitung.at, 13.12.23)
Die Verdächtige aus Villach dürfte davon ausgegangen sein, dass ihre Immunität bestehen bleibt. Ein entsprechender Einstellungsantrag ihres Anwalts wurde aber vom Landesgericht Klagenfurt abgelehnt. Nun wird die Entscheidung über eine Anklage erwartet. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu drei Jahre Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Quelle: kleinezeitung.at)
Wien: ÖVP und FPÖ liefern sich antifeministisches Wettrennen
Während der Nationalratssitzung am 13.12. lieferten sich Abgeordnete von ÖVP und FPÖ einen Schlagabtausch der besonders reaktionären Art: Die ÖVP-Abgeordnete Bettina Zopf führte die Geburtenrate innerhalb der eigenen Partei vor und kontrastierte sie mit jener der Grünen und dem Durchschnitt der Bevölkerung. Stolz inszenierte sie die ÖVP als „Familienpartei“, mit dem klaren Subtext, dass es besser sei, wenn Frauen viele Kinder bekommen. Darauf reagierte der FPÖ-Abgeordnete Peter Wurm mit einer Überbietung, die FPÖ sei ja der „eindeutige Sieger Familienpartei“ mit der noch besseren Zahl. Dafür gab es Gelächter aus den eigenen Reihen.
ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler hat die Geburtenrate je Partei ausgerechnet, ihre Parteikollegin Zopf präsentiert sie. 2,05 ist sie bei der ÖVP — die FPÖ hat nachgerechnet und ist die „echte Familienpartei“. Was dabei untergeht ist das Bild der Frau als Geburtenmaschine. #OeNR pic.twitter.com/XhBwg1MZTC
— Raffaela (@DieRaffa) December 13, 2023
Ausgegangen war diese quantitative Erhebung in frauenfeindlicher Mission von der katholischen Fundamentalistin Gudrun Kugler. Diese würde ob ihres Hangs ins Rechtsextreme auch gut zur FPÖ passen, bespielt aber stattdessen den rechten Rand der ÖVP, und zwar als Nationalratsabgeordnete und Menschenrechts-Sprecherin. Kugler ist Anti-Abtreibungs-Aktivistin und nimmt jährlich am christlichen Fundi-Event „Marsch des Lebens“ teil. Sie propagiert die Thesen des ultrareaktionären kanadischen Psychologen Jordan Peterson, eines reichweitenstarken Stichwortgebers für rechtsextreme Aktivisten, insbesondere aus der „neurechten“ und der Alt-Right-Szene. Kugler referierte im Mai 2022 an der als Eliteschule getarnten ungarischen Propagandafabrik „Mathias Corvinus Collegium” (MCC), an der der rechtsautoritäre Viktor Orbán seine „patriotische Elite“ formiert.
Die plumpe Reduktion von Frauen auf Gebärmaschinen passt offenkundig weiterhin in das christlich-reaktionäre sowie das völkische Weltbild der beiden Rechtsparteien in Österreich. Dass so ein Schlagabtausch im Jahr 2023 im österreichischen Parlament passieren kann, ist einerseits peinlich, verweist aber andererseits einmal mehr darauf, wie zugkräftig rückwärtsgewandte Geschlechterpolitik gegenwärtig für die (extreme) Rechte ist. Dass das außerdem mit den realen politischen Herausforderungen einer modernen Familienpolitik rein gar nichts zu tun hat, hat Beate Hausbichler treffend in einem „Standard“-Kommentar beschrieben.
Wien: Antisemitismus bei „Free-Palestine“-Kundgebung an der Kunstuni
Bei einer Kundgebung im Foyer der „Universität für angewandte Kunst“ in Wien kam es zu Hamas-verherrlichenden Äußerungen. Darunter auch die Forderung einer Rednerin, das antisemitische Massaker nicht länger als „Aggression“ zu bezeichnen, weil es keine Aggression gewesen sei: „Stop mentioning the fact that there was an aggression against Israel on the 7th of October. There was no aggression!“
Studierende der „Jüdischen öst. Hochschüler*innen“ (JöH) filmten die antisemitischen Äußerungen, bis sie von Kundgebungsteilnehmer*innen handgreiflich daran gehindert wurden, begleitet von mehreren Stimmen, die „leave now“ skandierten.
#Hamas-Verherrlichung und #Antisemitismus an der Universität für Angewandte Kunst #Wien: »Stop mentioning the fact that there was an aggression against Israel on the 7th of October. There was no aggression!« Es folgte ein körperlicher Angriff auf die @joehwien. Unfassbar. https://t.co/RgTBdyAL67
— Isolde Vogel (@Isolde__Vogel) December 15, 2023
Der Vorfall sorgte für Aufsehen und empörte Reaktionen, die Universität sprach von „inakzeptablen“ Aussagen in dem Video und distanzierte sich.
Wien: FPÖ als Cashcow für „Zur Zeit“
Eine Recherche der Wiener Wochenzeitung „Falter“ belegte detailliert, in welchem Ausmaß Andreas Mölzers rechtsextremes Wochenblatt „Zur Zeit“ sich seit Jahren um Finanzierung durch die FPÖ bemüht (durch Sammel-Abos und Inserate) und dafür im Gegenzug abgesprochene Inhalte anbietet – darunter auch Schmutzkübelkampagnen.
Da war zum Beispiel die Zur Zeit-Sondernummer „Schwarzbuch Van der Bellen“, günstig im Ausland gedruckt. Dieses Heftchen, in dem Zur Zeit warnt, dass ein Bundespräsident Van der Bellen eine Gefahr für Österreich sei, wurde vor der Stichwahl im Mai 2016 gezielt an 100.000 Haushalte in Wien verteilt. Genau in jenen Gegenden, in denen die Kandidaten Andreas Khol von der ÖVP und Irmgard Griss von den Neos im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten hatten. (Falter, Nr. 50/23, S. 23)
Bezahlt hatte dafür, laut den „Falter“-Unterlagen, die FPÖ, allerdings ohne dass das irgendwo transparent gemacht worden wäre. Und das ist nur eines von mehreren Beispielen, die der „Falter“ mit Zitaten aus „Zur Zeit“-Korrespondenzen belegen konnte.
Mit diesem Geschäftsmodell einer Andienung an die FPÖ dürfte Andreas Mölzers völkisches Blatt nochmals deutlich mehr an Steuergeldern erhalten, als dies ohnehin durch die jährliche Presseförderung (etwa 45 000 Euro) der Fall ist. Überraschend ist es freilich nicht, denn „Zur Zeit“ veröffentlicht ausschließlich blau gefärbte Meinungsartikel, die manchmal auch ins Bräunliche gehen, jedenfalls aber immer die rechtsextreme Ideologie der FPÖ repräsentieren (1).
Allerdings hatte „Zur Zeit“ dennoch schon bessere Zeiten, wie der „Falter“ festhält:
Trotz dieser langjährigen finanziellen Unterstützung blauer Freunde läuft nicht alles rund. Zur Zeit gilt mittlerweile sogar in Teilen der rechtsextremen Szene als antiquiert. Im November 2020 kündigte die stramm deutschnationale Burschenschaft Germania Graz ihr Abo. Die Begründung: Man möchte nur mehr rechtsextreme Medien „mit metapolitischem Mehrwert“ unterstützen. (Ebd.)
Das Stichwort „Metapolitik“ verweist auf eine verspätete Entwicklung der österreichischen Szene in Richtung „neurechter“ Positionen, die in Deutschland etwa durch das Netzwerk um Götz Kubitschek teilweise medial erfolgreich reüssieren konnten und in Österreich u.a. von dem „Aula“-Nachfolgemagazin „Freilich“ (seit 2018) repräsentiert werden. Vor diesem Hintergrund schaut das Mölzersche Blatt tatsächlich etwas altbacken aus. Sein Wille, sich als intellektueller Statthalter des „dritten Lagers“ zu positionieren, scheitert sowohl an der boulevardesken Aufmachung als auch an dem niedrigen intellektuellen Niveau der Artikel. Auch ein Podcast-Format, in dem Mölzer selbst Kurzreferate hält, ändert an diesem Befund nichts.
Mölzer wies den Vorwurf journalistischer Käuflichkeit zurück, gab aber zu, dass „Großabos der FPÖ“ eine „gewisse Tradition“ hätten, und früher etwa 15% des Budgets so erwirtschaftet worden seien, was sich allerdings unter Kickl geändert habe. (Siehe auch online: kurier.at, 13.12.23)
Fußnoten:
1 „Stoppt dir Rechten“ hat im Jahr 2020 ein inhaltlich weiterhin gültiges Dossier zu „Zur Zeit“ veröffentlich, um den antisemitischen, NS-relativierenden und völkisch-illiberalen Charakter des Blattes detailliert zu belegen.