MCC – Orbáns Propaganda-Fabrik

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Das Polit­ma­ga­zin der ARD, Kon­tras­te, hat sich in sei­ner Sen­dung vom 16.5.22 mit den engen Bezie­hun­gen der CDU-nahen Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung zur rech­ten Pro­pa­gan­da-Fabrik von Vik­tor Orbán, dem „Mathi­as Cor­vi­nus Col­le­gi­um” (MCC), beschäf­tigt. Das MCC ist das ideo­lo­gi­sche Schmuck­stück für Orbáns auto­ri­tä­re Poli­tik der illi­be­ra­len Demo­kra­tie. Auch eine öster­rei­chi­sche Poli­ti­ke­rin der ÖVP hilft dabei mit, sie zum Glän­zen zu bringen.

Eine patrio­ti­sche unga­ri­sche Eli­te soll das MCC nach den Vor­stel­lun­gen von Vik­tor Orbán her­an­bil­den. Nicht nur in Ungarn, son­dern in allen Län­dern, in denen noch eine unga­ri­sche Min­der­heit lebt. 1996 wur­de das MCC gegrün­det, aber erst in den letz­ten Jah­ren, seit Vik­tor Orbáns Regie­rung gewal­ti­ge Sum­men an öffent­li­chen Gel­dern für die pri­va­te Stif­tung abge­zweigt hat, boomt das MCC mit zahl­rei­chen Zweig­stel­len, Kon­fe­ren­zen, Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tun­gen und auch einem drei­tä­gi­gen jähr­li­chen Som­mer­fest, bei dem der eigent­li­che Zweck des MCC, die Bil­dung einer patrio­ti­schen Eli­te, im Ver­bor­ge­nen bleibt.

MCC-Fest (Screenshot Website MCC)

MCC-Fest (Screen­shot Web­site MCC)

1,4 Mil­li­ar­den Euro stell­te die unga­ri­sche Regie­rung dem MCC bzw. der betrei­ben­den Stif­tung in den letz­ten Jah­ren zur Ver­fü­gung – das ent­spricht nach ver­schie­de­nen Quel­len dem Bud­get aller unga­ri­schen Hoch­schu­len. Zehn Pro­zent des unga­ri­schen Ölkon­zerns MOL und Antei­le des Phar­ma­rie­sen Gede­on Rich­ter gin­gen dabei an MCC, und 2021 hat die Stif­tung auch eine Min­der­heits­be­tei­li­gung an Ungarns größ­tem Buch­han­dels­kon­zern Libri-Book­li­ne erwor­ben, wobei die­ser Erwerb einem Orbán-typi­schen Mus­ter folgt. Der Vor­be­sit­zer Zol­tán Spé­der war über vie­le Jah­re ein Günst­ling und Pro­fi­teur von Orbáns Poli­tik gewe­sen, der sich aber zuse­hends von des­sen Rechts­ruck distan­zier­te und nach dar­auf fol­gen­der mas­si­ver staat­li­cher Repres­si­on sei­ne Unter­neh­men und Betei­li­gun­gen ver­kau­fen muss­te – zuletzt eben sei­ne Betei­li­gung an Libri-Book­li­ne an MCC (APA, 15.10.2020, Zol­tán Spé­der auf Wiki­pe­dia).

Das MCC hat also sehr viel Geld zur Ver­fü­gung, um eine unga­ri­sche Eli­te im Sin­ne Orbáns aus­zu­bil­den bzw. „anzu­füt­tern“. Dier Inten­ti­on ist klar: Das MCC soll ein natio­na­lis­ti­sches rech­tes Gegen­pro­jekt zur Cen­tral Euro­pean Uni­ver­si­ty (CEU) des Geor­ge Sor­os wer­den, der zwar Vik­tor Orbán einst ein Sti­pen­di­um ver­dank­te, von sei­ner Regie­rung aber aus Ungarn ver­trie­ben wur­de. Den Stu­die­ren­den am MCC ste­hen Gra­tis­woh­nun­gen in einem chi­cen Buda­pes­ter Quar­tier und exklu­si­ve Netz­wer­ke mit der poli­ti­schen Eli­te zur Ver­fü­gung, wie das Schwei­zer Radio und Fern­se­hen (SRF) berich­tet. Joz­sef Palin­kas, der ein­mal Orbáns Bil­dungs­mi­nis­ter war und jetzt sein Kri­ti­ker, beur­teilt das MCC so: „Das MCC ist eher eine Pro­pa­gan­da­ma­schi­ne als eine Eli­te­schu­le.“ (SRF)

Website MCC

Web­site MCC

Um zu ver­ste­hen, wel­che Inten­tio­nen Vik­tor Orbán mit dem MCC ver­folgt, muss man eigent­lich nur sei­ne Rede bei der Eröff­nungs­fei­er des MCC-Stu­di­en­jah­res am 9. Sep­tem­ber 2021 her­an­zie­hen. Da schwur­belt Orbán von einem Ame­ri­ka, in dem mitt­ler­wei­le der „Woke“ genann­te Neo­mar­xis­mus domi­nie­rend sei, wäh­rend „mus­li­mi­sche Men­schen­mas­sen“ mitt­ler­wei­le auch den Nor­den Euro­pas flu­ten und auf „offe­ne“ Gesell­schaf­ten ohne jede Wer­te­ori­en­tie­rung tref­fen wür­den. Nur ein Land bzw. eine Nati­on (die über den Staat hin­aus­geht) leis­te da Wider­stand: Ungarn, das Orbán mit Mit­tel­eu­ro­pa gleich­setzt: „Wir sind hier in Mit­tel­eu­ro­pa der Ansicht, dass wir ohne eine Mis­si­on zum Schei­tern ver­ur­teilt sind.“

Die Mis­si­on besteht für Orbán in sei­ner ziem­lich wir­ren Rede dar­in, dem rei­chen, aber schwa­chen „Wes­ten“ dies­seits und jen­seits des Oze­ans („nen­nen wir ihn der Ein­fach­heit hal­ber Brüs­sel“) das Sen­dungs­be­wusst­sein einer unga­ri­schen Natio­nal­kul­tur ent­ge­gen­zu­set­zen, die allen Anstür­men von außen (da kom­men neben Tata­ren, Nazis und Kom­mu­nis­ten natür­lich auch die Mus­li­me wie­der vor) stand­ge­hal­ten und sich aus ihren Anfän­gen in der Step­pe vor Jahr­tau­sen­den zu einer wahr­haf­ten und wehr­haf­ten christ­li­chen Nati­on ent­wi­ckelt habe, die das Kar­pa­ten­be­cken eben­so ver­tei­digt und schützt wie die christ­li­che Vater-Mut­ter-Kind-Fami­lie: „Jedes Kind ist ein wei­te­rer Wach­pos­ten, jede anstän­dig ver­rich­te­te Arbeit und jedes pro­duk­ti­ve Leben ist ein Bei­trag zur gro­ßen gemein­sa­men unga­ri­schen Unter­neh­mung, zur Erfül­lung unse­rer vie­le Jahr­hun­der­te alten Mis­si­on.

Wer bei die­ser Orbán-Mis­si­on und beim MCC mit­macht, unter­stützt eine reak­tio­nä­re, gegen eine offe­ne Gesell­schaft (und gegen die EU) gerich­te­te natio­na­lis­ti­sche Poli­tik. Wenn also die ÖVP-Abge­ord­ne­te Gud­run Kug­ler am 25. Mai beim MCC ihre The­sen zum The­ma: „Mei­nungs­frei­heit, Grund­rech­te und Frei­hei­ten in Euro­pa aus der Sicht einer Poli­ti­ke­rin“ vor­stellt, dann geht es, wie in den Erläu­te­run­gen ange­deu­tet, bei der Kri­tik an den „illi­be­ra­len Nar­ra­ti­ven“, den Sprach­re­gu­la­ti­ven und der Can­cel Cul­tu­re nicht um eine Kri­tik an den unga­ri­schen Zustän­den, der „illi­be­ra­len Demo­kra­tie“ des Vik­tor Orbán, der Ver­trei­bung und Zen­sur kri­ti­scher Wissenschafter*innen und Kul­tur­schaf­fen­der von öffent­li­chen Auf­trä­gen, der Gleich­schal­tung von unga­ri­schen Medi­en, dem mas­si­ven Druck auf die Jus­tiz oder der rabia­ten Ver­si­on der unga­ri­schen Can­cel Cul­tu­re, son­dern um die angeb­li­che Bedro­hung der Reli­gi­ons­frei­heit im EU-Europa.

Gut zu wis­sen, wohin es die ÖVP-Abge­ord­ne­te Kug­ler zieht!

ÖVP-NRAbg. Gudrun Kugler am MCC (Screenshot Website MCC)

ÖVP-NRAbg. Gud­run Kug­ler am MCC (Screen­shot Web­site MCC)

Die Gast­do­zen­tu­ren des MCC: Männ­lich und ziem­lich rechts
Einen wich­ti­gen Bestand­teil der Arbeit und Prä­sen­ta­ti­on des MCC nach außen bil­den die Gast­do­zen­tu­ren („Visi­ting Fel­lows“). 33 lis­tet die Web­site des MCC auf. 33 Män­ner, kei­ne ein­zi­ge Frau! Neben dem männ­li­chen Geschlecht dürf­te eine rechts­kon­ser­va­ti­ve bis extrem rech­te Gesin­nung ein wei­te­res Kri­te­ri­um für die Aus­wahl der Gast­do­zen­tu­ren sein. Bis zu 10.000 Euro monat­lich erhal­ten die Visi­ting Fel­lows als Sti­pen­di­um und sind dafür meh­re­re Mona­te bis zu einem Jahr tätig.

Der eme­ri­tier­te Dresd­ner Uni­ver­si­täts­leh­rer Wer­ner Pat­z­elt, der zwar ein CDU-Mit­glied ist, sich aber ger­ne am extrem rech­ten Rand tum­melt, wie der Blog „Doku­men­tie­ren gegen Rechts“ in umfang­rei­chen Recher­chen doku­men­tiert, ist aktu­ell einer die­ser Fel­lows. Die „Säch­si­sche Zei­tung“ vom 3.9.21 schreibt, dass Pat­z­elt im Rah­men sei­nes gut dotier­ten Sti­pen­di­ums eine Vor­le­sung über das poli­ti­sche Sys­tem in Deutsch­land und ein Semi­nar zur deut­schen Poli­tik hal­ten will. Pat­z­elt war auch einer der Spea­k­er bei der Natio­nal Con­ser­va­tism Con­fe­rence (NCC) in Brüs­sel im März die­ses Jah­res. Dort traf er nicht nur sei­nen obers­ten Chef vom MCC, den Stif­tungs­rats­vor­sit­zen­den Balázs Orbán, der dort eben­falls als Spea­k­er fun­gier­te. Bei die­sen seit 2020 in Euro­pa jähr­li­chen Kon­fe­ren­zen ver­sam­meln sich nicht Kon­ser­va­ti­ve, son­dern geeich­te Rech­te und auch Rechts­extre­me. Die Kon­fe­ren­zen sind also rechts­of­fen. Die Schwe­den­de­mo­kra­ten sind eben­so ver­tre­ten wie die rechts­extre­me spa­ni­sche Vox oder Gior­gia Melo­ni von den Fratel­li d‘ Ita­lia. Auch Vik­tor Orbán war schon dort. Peter Thiel, der Arbeit­ge­ber von Sebas­ti­an Kurz, dürf­te ein gro­ßer För­de­rer von NCC in den USA sein. Tucker Carlson, der extrem rech­te Mode­ra­tor von Fox News, war 2019 Spea­k­er bei der NCC in Washing­ton D.C. und durf­te dann 2021 auf Ein­la­dung des MCC in Ungarn ein gro­ßes Lob­lied auf das Ungarn von Vik­tor Orbán hal­ten. Eini­ge der regel­mä­ßi­gen Refe­ren­ten bei NCC tau­chen denn auch als Gast­do­zen­ten beim MCC auf: z.B. Rod Dre­her, des­sen wich­tigs­tes Opus, „Die Bene­dikt-Opti­on“, den Kul­tur­kampf von Chris­ten in einer „nach­christ­li­chen“ Gesell­schaft abhan­delt. Fran­ces­co Giu­bilei, der es mit sei­nen 30 Jah­ren schon zu einer außer­or­dent­li­chen Pro­fes­sur an einer pri­va­ten ita­lie­ni­schen Online-Uni­ver­si­tät gebracht hat, brach­te sei­ne Gast­do­zen­tur beim MCC schon hin­ter sich. Giu­bilei hat sich mög­li­cher­wei­se durch sein Buch über „Gior­gia Melo­ni“, die Che­fin der ita­lie­ni­schen Post­fa­schis­ten, für sei­ne Gast­do­zen­tur qualifiziert.

Natcon 2019 mit Tucker Carlson und Peter Thiel

Nat­con 2019 mit Tucker Carlson und Peter Thiel