Streckenweise liest sich der Fachbeitrag über „rechtsextremistische Indoktrinierung am Beispiel einschlägiger Musik“ (S. 63 ff.) durchaus interessant, obwohl sich der Verfassungsschutz bezeichnenderweise bei österreichischen Bands und SolistInnen diskret ausschweigt – sie kommen einfach nicht vor. Dafür brüstet sich der Verfassungsschutz damit, dass „in Österreich das öffentlich abgehaltene rechtsextreme Konzertgeschehen von den Sicherheitsbehörden nach Maßgabe rechtlicher Möglichkeiten sukzessive immer mehr unterbunden werden konnte“.
Das haben wir anders in Erinnerung: Vor allem die diversen Konzerte und „Balladenabende“ im Umfeld von „Objekt 21”, aber auch das Open Air „Castle Invasion‘ 2012 in Mining zeigten nicht unbedingt einen in der Sache orientierten und engagierten Verfassungsschutz. Und der „Reichstrunkenbold“ alias Philip Tschentscher, dem ein Gutteil des Fachberichts gewidmet ist, war den Sicherheitsbehörden schon einige Zeit vor dem Juni 2013 als fester Nazi und fahrender Händler von NS-Devotionalien bekannt. Im Zuge der Ermittlungen zu „Objekt 21”, die im Jänner 2013 zur Festnahme von etlichen Neonazis führten, waren sein Klarname und auch seine Aktivitäten im Umfeld von Objekt 21 etliche Male genannt worden.
Womit wir bei dem wären, was im Verfassungsschutzbericht auffällig fehlt: das Neonazi-Netzwerk von „Objekt 21”. Immerhin handelt es sich um die größte neonazistische und kriminelle Gruppe der letzten Jahrzehnte in Österreich auch nach polizeilichen Kriterien: Zahl der Neonazi-AktivistInnen (mehrere Dutzend) und Vereinsmitglieder (rund 200), Zahl der Straftaten (mehrere Brandanschläge, Dutzende Einbruchsdiebstähle, Raub, Körperverletzung, Waffen und Suchtgiftdelikte usw.).
Warum es mehrere Jahre dauerte, bis die kriminelle Struktur des Neonazi-Netzwerkes durch die Verhaftungen Anfang 2013 zerschlagen werden konnte, warum die Anzeigen nach dem Verbotsgesetz nicht schon viel früher zu Anklagen und Urteilen wegen NS-Wiederbetätigung geführt haben – darüber und über die nach wie vor existenten Verbindungen zum Unterstützerkreis des NSU in Thüringen hätten wir gerne etwas gelesen im aktuellen Verfassungsschutzbericht.
Stolz und blöd. Solidarität für Küssel
Im Herbst 2013 ging das Nachfolgeprojekt von alpen-donau.info, die Neonazi-Homepage „stolzundfrei“ offline. Im Dezember 2011 hatte der Verfassungsschutz dazu einen Anfallsbericht an die Staatsanwaltschaft erstellt und Anzeige wegen Wiederbetätigung und Verhetzung erstattet. Seit diesem Zeitpunkt ist in den Medien nur mehr davon die Rede, dass der Verfassungsschutz ermittle.
Ähnlich ist die Sache bei „kreuz.net“. Die rechtsextreme Hetzseite mit schwer antisemitischen und homophoben Beiträgen verschwand im Dezember 2012 aus dem Netz. Viele Indizien, aber auch Ermittlungsergebnisse deuteten auf österreichische Beteiligung hin. Eines der Nachfolgeprojekte, das seit Anfang 2013 aktiv ist (kreuz-net.at), wird von einem Österreicher betrieben.
kreuz-net.at
Auch “gloria.tv“, das seit 2013 aus Österreich betrieben wird, zeichnet sich immer wieder durch Hetze aus. Die „Süddeutsche Zeitung“ (21.2.13) schreibt dazu:
In seiner Vorgehensweise erinnert es immer häufiger an die Plattform kreuz.net, die von den anonymen Urhebern Anfang Dezember abgeschaltet wurde. Es veröffentlicht sinnentstellte Zitate und feiert homophobe Netzaktivisten mit antisemitischen Tendenzen.
Im Bericht des Verfassungsschutzes für das Jahr 2013 fehlt jeder Hinweis auf vorgeblich katholische Hass-Seiten wie kreuz.net, kreuz-net.at und gloria.tv. Auch andere Hetz-Seiten wie „sosheimat.wordpress.com“, spezialisiert auf Hetze gegen Muslime und Türken, das 2013 seinen üblen Geist aushauchte, finden keine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht.