Nebelgranaten vom Verfassungsschutz

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„Sys­te­ma­ti­sche Ver­harm­lo­sung des Rechts­extre­mis­mus“ war­fen Maut­hau­sen-Komi­tee und Anti­fa-Netz­werk OÖ dem Ver­fas­sungs­schutz vor, der am Diens­tag sei­nen Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2014 prä­sen­tier­te. Im neu­en Bericht lässt sich der Vor­wurf der Ver­harm­lo­sung beson­ders gut nach­voll­zie­hen.

Schon der Titel des Berich­tes ist irre­füh­rend, denn natür­lich wird nicht das Jahr 2014, sondern2013 abge­han­delt. Der Jah­res­sprung wur­de von Innen­mi­nis­ter Stras­ser ein­ge­führt – eine sei­ner harm­lo­sen Neue­run­gen. Rele­van­ter ist da schon, dass seit Stras­ser alle direk­ten Ver­wei­se auf Rechts­extre­mis­mus bei Bur­schen­schaf­ten und in der FPÖ aus den Berich­ten ver­schwun­den sind. Die Berich­te wur­den aber nicht nur inhalt­lich von allen poli­tisch heik­len Ver­bin­dun­gen befreit, son­dern auch im Umfang ent­schlackt. Die „Erkennt­nis­se“ des Ver­fas­sungs­schut­zes wer­den jetzt auf rund 90 Sei­ten prä­sen­tiert, wäh­rend man frü­her 120 bis 140 Sei­ten brauchte.


Comic, der den deut­schen Ver­fas­sungs­schutz und sein Ver­hält­nis zum Rechts­extre­mis­mus thematisiert
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Ein schlan­ker Bericht müss­te ja nicht nach­tei­lig sein – wenn die knap­pen Sei­ten mit Inhalt und nicht mit ÖVP-Ideo­lo­gie und for­mel­haf­ten Wie­der­ho­lun­gen (z.B. das Leit­bild des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz — BVT) gefüllt wären. Die Selbst­be­schrei­bung der ÖVP als Par­tei der Mit­te, die den gol­de­nen Weg (der Mit­te) dadurch fin­det, dass sie lin­ke und rech­te „Extre­mis­men“ ablehnt, fin­det ihre Ent­spre­chung und Fort­set­zung in einer Lage­be­schrei­bung des BVT , die das angeb­li­che Span­nungs­feld zwi­schen Links- und Rechts­extre­mis­mus in den Mit­tel­punkt stellt und den BVT-Chef dazu bringt, von einem dar­aus resul­tie­ren­den „gro­ßen Gefah­ren­po­ten­zi­al“ für die Zukunft zu schwadronieren.

Die Sta­tis­tik muss dazu her­hal­ten, das angeb­li­che „Gefah­ren­po­ten­zi­al“ glaub­haft zu machen. Eine geeig­ne­te Vor­aus­set­zung dafür scheint dem Innen­mi­nis­te­ri­um der Ver­gleich der ange­zeig­ten Straf­ta­ten aus dem rechts- bzw. links­extre­men Spektrum.

Für 2013 kon­sta­tiert der Bericht einen star­ken Anstieg von ange­zeig­ten Straf­hand­lun­gen bzw. Per­so­nen im links­extre­men Spek­trum . Dass die­ser Anstieg fast aus­schließ­lich durch Anzei­gen im Zusam­men­hang mit dem Bur­schen­schaf­ter-Ball zustan­de kommt, wird nur in Fuß­no­ten ver­schämt ausgewiesen.


Deut­scher Ver­fas­sungs­schutz und NSU
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Dem Bur­schen­schaf­ter-Ball wid­met der Bericht sogar ein eige­nes Kapi­tel („Wie­ner Aka­de­mi­ker-Ball“). In dem es nicht ein­mal in einer Sil­be um Erkennt­nis­se des Ver­fas­sungs­schut­zes über den Auf­trieb von bekann­ten und weni­ger bekann­ten Rechts­extre­mis­ten und auch Neo­na­zis geht, son­dern aus­schließ­lich um eine Beschrei­bung der Akti­vi­tä­ten gegen den Ball. Gibt es kei­ne Erkennt­nis­se über Rechts­extre­mis­ten beim Bur­schi- Ball oder hält das BVT Dugin, Faust, Häh­nel, die Le Pens, Ravel­lo usw. usf. nicht für Rechts­extre­mis­ten oder nicht für berichtenswert?

Im Bereich Rechts­extre­mis­mus stellt der Bericht einen ver­gleichs­wei­se mode­ra­ten Anstieg der Straf­an­zei­gen von 920 auf 1.027 fest. 529 ( 2012: 466) davon betref­fen das NS-Ver­bots­ge­setz, 152 (2012: 83) den Ver­het­zungs­pa­ra­gra­phen ( §283 StGB). Die „Pres­se“, die in ihrer Bericht­erstat­tung der poli­ti­schen Linie des Innen­mi­nis­te­ri­ums am deut­lichs­ten folgt („Links gegen rechts: Der Kampf wird här­ter“), rech­net ein­fach das „Gesin­nungs­de­likt“ der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung aus den Anzei­gen wegen Rechts­extre­mis­mus her­aus, um dann fest­zu­stel­len, dass sich die ver­blei­ben­den Straf­an­zei­gen wegen Rechts­extre­mis­mus mit denen im links­extre­men Bereich annä­hernd die Waa­ge hal­ten: eine Betrach­tung des rechts­extre­men Sek­tors, bei der die Neo­na­zis zum Groß­teil aus­ge­klam­mert bleiben!

Zurück zum Ver­fas­sungs­schutz­be­richt: in einem Neben­satz wird erwähnt, dass bei der Inter­net-Mel­de­stel­le „NS-Wie­der­be­tä­ti­gung“ 1900 Infor­ma­tio­nen und Hin­wei­se (2012: 940) ein­ge­gan­gen sind – eine Ver­dop­pe­lung, für die der Bericht nur ziem­lich bana­le Erklä­run­gen fin­det. Sonst nix –kei­ne wei­te­re Aus­ein­an­der­set­zung mit der Mel­de­stel­le – ein deut­li­cher Hin­weis, wie wich­tig das BVT die­se Stel­le findet!

Eine mar­kan­te Dif­fe­renz gibt es bei den Anzei­gen nach dem NS- Ver­bot­ge­setz und wegen Ver­het­zung zwi­schen den Zah­len des BVT und denen des Justizministeriums.

529 (2012: 466) Anzei­gen nach § 3 Ver­bots­ge­setz und 152 (2012: 83) wegen Ver­het­zung wer­den im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt für 2013 ange­führt. Das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um hat in einer Anfra­ge­be­ant­wor­tung Albert Stein­hau­ser ande­re, weit­aus höhe­re Zah­len bekannt­ge­ge­ben. Dem­nach wur­den bei den Staats­an­walt­schaf­ten 909 (2012: 767) Anzei­gen nach dem Ver­bots­ge­setz und 241 (2012: 185) Anzei­gen wegen Ver­het­zung regis­triert. Der Unter­schied ist ekla­tant, der Anstieg bei den Zah­len des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums viel deut­li­cher! Was stimmt nun?

Forst­set­zung folgt sicher!