Wien: Freispruch trotz NS-Tattoo über dem ganzen Rücken
Graz: Mildes Urteil für mehrfache Vergehen nach dem Verbotsgesetz
Wien: Petition und Mahnwachen für in Afghanistan inhaftierten Neonazi-Freund Herbert Fritz
Wien: Eklat im Bundesrat nach rechtsextremer Provokation durch FPÖ-Abgeordneten
Wien-Favoriten: Aggressiver Mann nach Verbotsgesetz angezeigt
Wien: Kein Reisepass für Neonazi Küssel?
Millstadt/K: Wirt kocht „arisch”
Wien: Freispruch trotz NS-Tattoo über dem ganzen Rücken
Gegen den 38-jährigen Christopher K. fand am 5.12. ein Gerichtsprozess nach dem Verbotsgesetz statt. Verhandelt wurden einschlägige Tattoos, die den kompletten Rücken des jungen Mannes umfassten: Ein Eisernes Kreuz, ein rot-weiß-rotes Wappen samt Bundesadler sowie der Schriftzug der neonazistischen Kleidungsmarke „Troublemaker” in Fraktur. K. gab an, das Tattoo seit 2005 zu haben. Bei dem Prozess sollte auch der Vorwurf des versuchten Diebstahls verhandelt werden, es blieb aber bei den Tattoos. Christopher K. ist bereits vier Mal vorbestraft, u.a. wegen Vergewaltigung und nach dem Waffengesetz, allerdings nie im Zusammenhang mit Neonazismus.
Weder das Eiserne Kreuz, noch der Schriftzug der Modemarke sind für sich verboten. Ein Tatbestand nach dem Verbotsgesetz wäre erfüllt, wenn der Mann seine Tattoos – die sich klar durch NS-Ästhetik auszeichnen – mit Vorsatz öffentlich zur Schau stellte. Dem widersprachen der Angeklagte und seine Verteidigung. Er habe es nie bewusst öffentlich gezeigt, das sei lediglich beim Schwimmen und wenn es heiß war passiert. Stechen habe er sich das Tattoo lassen, weil er stolz auf Österreich sei, ohne vom NS-Bezug des Eisernen Kreuzes (das Hitler als Ehrenzeichen vergab) oder dem Neonazi-Hintergrund der Marke „Troublemaker“ zu wissen. Angezeigt wurde er während seiner letzten Haftstrafe von einem Zellengenossen, mit dem es einen Konflikt gegeben habe. Die Anmerkung des Staatsanwaltes, dass auch bedingter Vorsatz, also das In-Kauf-Nehmen davon, dass NS-verherrlichende Tattoos öffentlich gesehen werden, bereits für einen Straftatbestand ausreichen würde, hat bei den Geschworenen nicht verfangen. Das Urteil entfiel einstimmig für einen Freispruch; es ist nicht rechtskräftig.
Dieser Freispruch am Wiener Landesgericht in einem Verbotsgesetzverfahren reiht sich in eine bemerkenswerte Serie: Am 27.11. endete ein Verfahren gegen eine Frau mit einem Freispruch, die wegen rassistischer Beschimpfungen und eines „Heil Hitler”-Rufs angeklagt war, ebenfalls am 27. November wurde ein Mann freigesprochen, der auf Social Media einen Holocaust-leugnenden Text und wüsten Antisemitismus verbreitete, und am 29.11. ging ein Mann frei, der am Rücken ein 88-Tattoo trägt,
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Graz: Mildes Urteil für mehrfache Vergehen nach dem Verbotsgesetz
Am 5.12. wurde in Graz gegen den 42-jährige Wolfgang H. nach dem Verbotsgesetz verhandelt. Der ÖBB-Security wurde beschuldigt, mehrere NS-verherrlichende Inhalte via WhatsApp geteilt zu haben: darunter ein Foto von sich mitsamt Hakenkreuz auf einem rot-weiß-roten Tuch, Hitler-verherrlichende Memes und Inhalte der Neonazi-Band „Lunikoff-Verschwörung“. Zudem hatte er einen SS-Totenkopf am rechten Oberarm tätowiert und bei einer Hausdurchsuchung wurden u.a. NS-geschichtsrevisionistische Bücher, Tonträger von Neonazi-Bands und ein Foto, auf dem der Angeklagte mit Freunden den Arm zum Hitlergruß hebt, gefunden.
Auf Nachfrage zu einzelnen Inhalten stellte sich der Angeklagte als „unpolitischen Menschen“ dar, der die Verbreitung solcher Inhalte „lustig“ gefunden habe, nun aber wisse, „dass das mit Humor gar nichts zu tun hat“.
Der Verteidiger forderte ein mildes Urteil, wegen der vorgebrachten Reue. Der Staatsanwalt hingegen betonte, dass jedes der einzelnen Delikte für sich strafbar sei und mit Humor nichts zu tun habe, was er an einem Beispiel nochmals bekräftigte: „Hitler zum Geburtstag zu gratulieren ist huldigend, gedenkend oder ähnliches – zweifellos tatbildend“.
Das Urteil der Geschworenen fiel auf 12 Monate bedingte Haft, dazu eine dreijährige Probezeit und die Übernahme der Kosten des Verfahrens.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wien: Petition und Mahnwachen für in Afghanistan inhaftierten Neonazi-Freund Herbert Fritz
Das braune Urgestein Herbert Fritz war deutschnationaler Südtirol-Aktivist, Gründungsmitglied der neonazistischen NDP in den 1960er-Jahren, Alter Herr der rechtsextremen Burschenschaft Olympia, und er tauchte über die Jahrzehnte hinweg immer wieder bei einschlägigen Events auf. Seit vergangenem Juni sitzt er in Haft, und zwar im afghanischen Terrorregime der Taliban. Fritz hatte das Land davor bereits mehrmals bereist und Anfang des Jahres als „Nahost-Experte“ in einem Schwurbelmedium als sicheres Urlaubsland angepriesen. Zuletzt hatte er für das rechtsextreme Magazin „Info-Direkt“ berichtet, freilich auch mit dem Motiv, die Diktatur als sicheren Ort für Abschiebungen darzustellen. Im Frühjahr 2023 bewarb Info-Direkt auf Telegram den Reisebericht von Fritz aus dem Herbst 2022 mit den Worten: „Afghanistan ist wieder sicher — trotzdem fliegt die deutsche Bundesregierung jeden Monat 4.000 Afghanen ein und treibt so den Bevölkerungsaustausch voran.“ (zitiert nach endstation-rechts.de, 8.12.23)
Im September war eine FPÖ-Delegation, von der die Parteiführung aber nichts gewusst haben wollte, zu Besuch bei den Terroristen. Kurze Zeit darauf gab Reiseteilnehmer Andreas Mölzer gegenüber der „Krone“ zu, dass es bei der blauen Mission darum ging, Fritz zu befreien. Mölzer verharmloste das Terrorregime der Taliban bei dieser Gelegenheit auch gleich grob.
Fritz sitzt trotz dieser Bemühungen weiter in Haft. Das FPÖ-nahe Hetz- und Desinformationsportal „unzensuriert“ setzte sich in einem Text vom 5.12. zum wiederholten Mal für ihn ein, sprach wegen der unwürdigen Haftbedingungen von „akuter Lebensgefahr“ und bewarb eine Petition für seine Freilassung sowie zwei Mahnwachen am Ballhausplatz (23.11.) und vor dem Außenministerium (4.12.). Der ehemalige 3. Nationalratspräsident und jetzt FPÖ-Abgeordnete Martin Graf (wie Fritz „Alter Herr“ bei der Olympia) war bei beiden Mahnwachen dabei – und für die erste hat er sogar eine Nationalratssitzung verlassen.
Der FPÖ-Abgeordnete Martin Graf ist bei einer Mahnwache für den Rechtsextremen Herbert Fritz vor dem Bundeskanzleramt in Wien. Fritz wurde in Afghanistan von den Taliban verschleppt & befindet sich in Haft. Es geht um Lösegeld. Fritz & Graf sind bei der Burschenschaft Olympia pic.twitter.com/a7TeF3F6AF
— Markus Sulzbacher (@msulzbacher) November 23, 2023
An der zweiten Mahnwache nahm neben Graf auch Harald Schmidt teil, ein Vertrauter von Österreichs bekanntestem Neonazi Gottfried Küssel. Die wenig erfolgreiche Petition wurde von NPD-Funktionären, Neonazis und FPÖ-Politikern unterschrieben.
Freilich verweist dieser selektive Einsatz für Menschenrechte, sobald es um einen braunen Kameraden geht, auf den vollständigen moralischen Bankrott der blau-braunen Szene. Aber das unterstreicht die Worte des DÖW-Mitarbeiters Bernhard Weidinger gegenüber der antifaschistischen Plattform „Endstation Rechts“ (8.12.23) nur noch deutlicher:
So weit entfernt man Fritz weltanschaulich sein mag, und so ironisch seine Inhaftierung im ihm zufolge sicheren Afghanistan auch ist: Niemand sollte ohne fairen Prozess im Gefängnis sitzen, schon gar nicht in einem der Taliban, und schon gar nicht gesundheitlich beeinträchtigte, alte Menschen.
Unter den Teilnehmer*innen war FPÖ-Nationalratsabgeordneter Martin Graf. Auch Harald Schmidt, Vertrauter des Neonazis Gottfried Küssel, nahm an der Kundgebung teil. pic.twitter.com/GYgOBrJqWW
— Presseservice Wien (@PresseWien) December 6, 2023
Wien: Eklat im Bundesrat nach rechtsextremer Provokation durch FPÖ-Abgeordneten
In der Bundesratssitzung vom 5.12. sorgte der FPÖ-Abgeordneten Christoph Steiner mit völkischem Jargon für Aufregung. Zudem entbrannte eine heftige Debatte um den Begriff „Volkskanzler“, den Blaue gerne für Kickl verwenden, in der vorauseilenden Hoffnung, er werde bald Chef der Nation und bleibe nicht bloß der Schmalspur-Orbán der eigenen Reihen.
So ging die Debatte los:
Der Bundesrat hat am Donnerstag einstimmig eine geänderte Struktur und neue Aufgaben für den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus beschlossen. Eine Aussage von FPÖ-Bundesrat Christoph Steiner sorgte für eine Sitzungsunterbrechung und starken Protest von ÖVP, SPÖ und Grünen. (puls24.at, 7.12.23)
Steiner hatte während der Debatte von einem „Volksaustausch“ in Österreich fabuliert. Damit knüpfte der blaue Provokateur freilich an den gegenwärtig beliebtesten Slogans seines völkischen Lagers an – jenen vom angeblichen „Bevölkerungsaustausch“, der im identitären Jargon auch als „Großer Austausch“ bezeichnet wird. Diese Chiffre verbindet Rassismus mit einer antisemitisch untermalten Verschwörungsideologie, wonach mächtige Eliten gezielt die Substanz der Völker durch Einwanderung zersetzen würden. Der grüne Bundesrat Marco Schreuder qualifizierte die Wortwahl zurecht als „Nazi-Jargon“ und die Präsidiumsvorsitzende Margit Göll (ÖVP) erteilte Steiner einen Ordnungsruf. Während der Diskussion kam es dann auch zu einem Schlagabtausch um den Begriff „Volkskanzler“, ausgelöst durch die SPÖ-Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner, die sich daraufhin von Andreas Arthur Spanring (FPÖ) folgende Empfehlung anhören musste: „Wenn Sie immer und überall Nazis sehen, gehen Sie zum Arzt, der kann Ihnen helfen, weil normal ist das nicht.“ (derstandard.at, 7.12.23)
Das entschiedene Engagement der anderen Parteien gegen die rechtsextremen FPÖ-Ausfälle im Bundesrat ist zu begrüßen, zumal dies keine Selbstverständlichkeit ist. Denn derselbe FPÖ-Mann Spanring, der anderen vorwirft, dass sie von Nazis halluzinieren, sah im November 2021 selbst welche, als er bei einer Sondersitzung des Bundesrats in kaum zu unterbietendem Niveau den damaligen Gesundheitsminister wohl in Anspielung auf den KZ-Mörder Mengele als „Dr. M.“ und die Bundesregierung wegen der Pandemie-Maßnahmen mit weiteren NS-Anspielungen beschimpfte. So klang der widerwärtige Sermon dieses Rechtsextremen, der tatsächlich von Nazis halluziniert und den NS dabei freilich grob verharmlost, im O‑Ton:
Was passiert dann bei der Impfpflicht? (…) Schicken Sie mir dann die geheime Impfpolizei nach Hause? Kommen die dann mit einer Armbinde, wo zwei überkreuzte Impfungen drauf sind, zwei Spritzen? Treten mir die dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Tür ein und zerren mich aus dem Bett? Bringen die mich raus, und hauen sie mich nieder und drücken mir die Spritze rein, die ich nicht will? Passiert das? Ist das der Plan? Und rufen sie dann vielleicht zum Abschluss „Impf Heil“? (Zit. nach derstandard.at, 24.11.21)
In Richtung der SPÖ, deren Mandatarin er jetzt untergriffig empfahl zum Arzt zu gehen, sagte er damals: „Jetzt, wo es um etwas geht, was ist denn jetzt mit ‚Wehret den Anfängen’, wo sind die ganzen Rufer?“ (ebd.)
Wien-Favoriten: Aggressiver Mann nach Verbotsgesetz angezeigt
Ein 41-jähriger Mann wurde in Favoriten wegen des Verdachts auf Ladendiebstahl und wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz festgenommen und mehrfach angezeigt:
Beamte des Stadtpolizeikommandos Favoriten wurden von einem Ladendetektiv eines Drogeriemarktes wegen eines Ladendiebes alarmiert. Als die Polizisten eintrafen, verhielt sich der 41-Jährige bereits sehr aggressiv. Er beschimpfte die Beamten mehrmals und forderte diese zum Kampf auf. Weil sich der gebürtige Ungar partout nicht beruhigen wollte, kam es zu einer verwaltungsrechtlichen Festnahme. Daraufhin soll der 41-Jährige, laut Polizeibericht, nationalsozialistische Parolen geäußert und diese mit einer Geste untermauert haben. (heute.at, 6.12.23)
Wien: Kein Reisepass für Neonazi Küssel?
Die Stadt Wien könnte Gottfried Küssel, dem bekanntesten Aktivisten der österreichischen Neonazi-Szene, die Ausstellung eines Reisepasses verweigern. Die dafür zuständige MA 62 ist dazu berechtigt:
In ihren Stellungnahmen verweist die Passbehörde auf eine Bestimmung im Passgesetz, die vorsieht, dass einem Passwerber das Dokument dann zu versagen ist, wenn davon auszugehen ist, dass dieser bei einem Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit Österreich gefährden würde. (derstandard.at, 7.12.23)
Küssel wurde zuletzt im Jahr 2013 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt und verbrachte fast acht Jahre in Haft. Seit seiner Entlassung im Jänner 2019 hat er keine Möglichkeit, legal ins Ausland zu reisen, da ihm der Reisepass 2016 entzogen wurde. Die Passbehörde ließ auch eine Stellungnahme der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) einholen, die insbesondere Küssels Aktivismus im Kontext der Proteste gegen die Covid-19-Maßnahmen betonte und auf die dort virulente verschwörungsideologische und antisemitische Propaganda verwies. Außerdem pflege Küssel weiterhin Kontakte zur rechtsextremen Szene.
Küssels Anwalt, Michael Dohr, sieht das naturgemäß anders und erklärte in einer möglicherweise ungewollt passenden Formulierung, Küssel sei „seit Jahren ein rechtstreuer österreichischer Staatsbürger“ (derstandard.at). Tatsächlich ist Küssel dem Rechtsextremismus treu geblieben – dagegen halfen auch die vielen Jahre Haft nicht. Die endgültige Entscheidung der Behörden steht noch aus.
Millstadt/K: Wirt kocht „arisch“
Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DNS) prüft, ob die Kulinarik-Veranstaltung des Kärntner Wirts Stefan Lercher den Straftatbestand der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz erfüllen könnte: Der Mann bewarb via Instagram ein „Arisches Gourmet-Festival“, das ab Jänner monatlich stattfinden sollte.
Der Wirt des Restaurants „Peppino“ ist kein Unbekannter – SOS-Mitmensch hatte Lercher bereits im Mai diesen Jahres wegen rassistischer Diskriminierung angezeigt. Er rückt seither nicht von seinem Rassismus ab, wie die „Kleine Zeitung“ (7.12.23) berichtete; eine Verhandlung vor der Gleichbehandlungskommission ist noch anhängig.
Nun dürfte die mediale Aufmerksamkeit zum arischen Kochereignis inklusive einer Gesprächsanfrage durch die Zeitung, den Wirten zum Umkehrschwung gebracht haben. Er will sich die „Hitler-Keule“ nicht umhängen lassen, wie er der „Kleinen Zeitung“ sagte, er habe erst
nach seinem Posting „gegoogelt“ (…), welche Bedeutung „arisch“ habe: „Für mich bedeutete arisch einfach einheimisch“, erklärt er. Jetzt sei ihm klar, dass es „missverstanden“ werden könne. Das Posting tue ihm nun leid, es sei „nicht glücklich ausgedrückt“ gewesen, aber er stehe immer zu dem, was er tue, und werde auch die Konsequenzen dafür tragen. (kleinezeitung.at, 8.12.23)
Lercher betonte mehrmals, dass er nichts gegen Juden habe, auch Schwarze würde er bedienen, aber, so beharrte er, „ich mag die Araber, die Libanesen, die Islamisierung und Flüchtlinge nicht, so wie sie sich aufführen, deshalb will ich sie nicht in meinem Lokal bedienen“ (ebd).