Ein gutes und aktuelles Beispiel für das, was Vizekanzler Kogler (Grüne) unlängst in angebrachter Klarheit als die „Lügenpropaganda Kickls“ bezeichnete, hat wieder einmal mit Weihnachten zu tun. Oder besser: mit dem FPÖ-Fetisch um vermeintlich bedrohte christlich-autochthone Traditionen. Seinen Ausgang nahm diese Falschbehauptung bei dem FPÖ-Spitzenkandidat für die kommende EU-Wahl, Harald Vilimsky: Der teilte ein Video, in dem der Unsinn verbreitet wurde, ein Weihnachtsmarkt in Karlstadt (Bayern) sei durch den Ruf des muslimischen Muezzins eröffnet worden. Was so abwegig klingt, als könne es nur rechte Propaganda sein, ist auch genau das, wie ein Faktencheck der Wochenzeitung „profil“ (6.12.23) darlegt. Das Video entstammt dem deutschen Medienportal „Nius“, das ein Neuzugang in der rechten Kulturkampf-Szene ist und sich selbst mit der Zuschreibung „Stimme der Mehrheit“ schmeichelt, während es von dem rechten Milliardär Frank Gotthardt finanziert wird.
Nach Vilimsky verbreitete auch Kickl das Video auf seiner Facebook-Seite und lukrierte damit innerhalb weniger Tage hunderte Kommentare und Likes.
Dann brachte der Faktencheck von „profil“ Folgendes zutage:
Das Video ist zwar echt, der Bürgermeister der Kleinstadt, Michael Hombach von der CSU (Christlich-Soziale Union), widerspricht der Darstellung von Kickl und Vilimsky allerdings auf profil-Anfrage: „Der Andreasmarkt ist kein Weihnachtsmarkt und liegt nicht in der Adventszeit.“ Der Markt findet jedes Jahr im November unter einem anderen Motto statt. 2022 lautete es „Oh du schöne… Herbstzeit“ – und 2023 „Orient trifft Okzident“.
(…)
Fazit: Beim Andreasmarkt handelt es sich weder um einen Weihnachtsmarkt, wie Vilimsky auf Twitter schreibt, noch wurde der Markt durch einen Muezzin-Ruf oder islamische Gebetsgesänge eröffnet – sondern durch den Karlstädter Bürgermeister Michael Hombach (CSU). Die Postings von Vilimsky und Kickl und die Headline von „Nius“ sind falsch. (profil.at)
Vilimsky und „Nius“ bezogen dazu keine Stellung gegenüber „profil“, aus dem freiheitlichen Parlamentsklub hieß es allerdings zu Kickls Posting, dass man eine Ergänzung nicht für notwendig halte. Inhaltliche Korrekturen sind im Rahmen von „Kickls Lügenpropaganda“, um die Wortwahl von Kogler noch einmal aufzugreifen, eben nicht vorgesehen.
Keine Akteneinsicht im Spesenskandal
Vilimsky hat zudem ganz andere Probleme, als beim Weihnachtsfest von muslimischem Gesang gestört zu werden. Schließlich wird der ehemalige Vertraute von Ibiza-Star Heinz-Christian Strache in der „Spesenaffäre“ um die Wiener FPÖ als Beschuldigter geführt.
Nun verweigerte ihm die Justiz in Wien die vollständige Akteneinsicht mit der Begründung, er könne die Ermittlungen beeinträchtigen. Vilimsky, dessen Immunität bereits 2021 durch das EU-Parlament aufgehoben wurde, wird im Zuge des Spesenskandals rund um den früheren Parteichef Strache vorgeworfen, Parteigelder für private Zwecke wie Internetkäufe und Restaurantbesuche missbraucht zu haben sowie Handyrechnungen von Straches Kindern mit Parteigeldern beglichen zu haben. Trotz eines vorübergehenden Erfolges bei einer Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Wien, das eine detailliertere Begründung für die Einsichtsverweigerung forderte, bestätigte das Landesgericht in einem neuen Beschluss die Entscheidung mit einer detaillierten Begründung und dem Hinweis auf Verdunkelungsgefahr. Vilimsky hat die Vorwürfe zurückgewiesen und bestritt, weiterhin Kontakt zu Strache zu haben. Der Beschluss scheint rechtskräftig zu sein, da Vilimsky keine weiteren rechtlichen Schritte eingeleitet hat. (Quelle: derstandard.at, 9.12.23)