Schon, wenn man den Wiener Querdenker-Sprecher Brejcha sprechen hört, könnte man sich denken, dass die Querdenker mehr mit der Querfront zu tun haben als mit dem Denken. „Diese Faschisten schützen nicht unsere Alten, sie töten sie“, tönte er bei der Demo am 5.9. und erhielt dafür Szenenapplaus. Den nächsten holte er sich für den Satz: „Wir werden Euch zur Rechenschaft ziehen, ihr Verbrecher!“ Gemeint war damit die Bundesregierung. Aber was haben solche rechtsextremen Sprüche von selbsternannten Querdenkern mit „Querfront“ zu tun?
„Querfront“ ist ein historischer Begriff und bezeichnet eine Strategie der extremen Rechten bzw. der Nazis, mit der unter Berufung auf angeblich gemeinsame nationale Interessen ein Bündnis mit (nationalistischen) Linken gegen die Demokratie und gegen das „System“ propagiert wurde.
Schon vor den Nazis versuchten sich Vertreter der „Konservativen Revolution“ in einer Querfrontpropaganda, die neben ihrer antidemokratischen und nationalistischen Grundpositionen nur einige Umdeutungen von Begriffen der Arbeiterbewegung im Repertoire hatte, zumeist vermischt mit antisemitischen und rassistischen Positionen. So wie dann später bei den Nazis war die Querfront(-strategie) immer eine klar rechtsextrem fixierte ideologische Position, in deren Zentrum durchgängig ein vorgeblich gemeinsames völkisches, nationales Interesse und der – lagerübergreifende – Kampf gegen das „System“ standen. Rechtsextremen und (Neo-)Nazis ging es dabei immer um das Herausbrechen von Gruppen und Personen bzw. die Schwächung der demokratischen Linken.
In einer Querfront-Strategie übte sich erfolglos die von dem Neonazi Michael Kühnen gegründete Aktionsfront Nationaler Sozialisten (mit Gottfried Küssel), später dann Gruppen der Autonomen Nationalisten, die über die Globalisierungsbewegung den Einstieg versuchten. Vor knapp einem Jahrzehnt gründete der rechtsextreme Burschenschafter und Publizist Michael Vogt den Internet-Sender „Quer-Denken.TV“ als Organ der „Wahrheitsbewegung“ – ganz offensichtlich eine Referenz für die „Querdenken“- Initiativen.
In den Corona-„Querdenkern“ von heute steckt ohnehin schon genügend rechtsextreme „Querfront“-Strategie; in Wien kommt aber noch die „Corona-Querfront“ extra dazu. Sie nennt sich auch tatsächlich so! Die „Corona-Querfront“ ist nicht nur auf Facebook, Telegram und YouTube präsent, sondern war bei der „Querdenken“-Demo am 29.8. gleich mit zwei Rednern präsent. Und mit was für welchen!
Dietmar Mühlböck hat den einen Querfrontler, Mag. Lucas Tuma, schon im Frühjahr auf einer Corona-Demo entdeckt und ihn als Küssel-Intimus bezeichnet. Wie kommt er darauf? Nun, Lucas Tuma war in der Wiener akademischen Ferialverbindung, die sich nicht zufällig „Reich“ nannte, der Vorsitzende. 2011 erfolgte die Auflösung dieser stramm rechten Truppe, die in Küssels Keller loziert war (Gottfried Küssel war der Schriftführer und Kassier). Der Verbindung „Reich“ folgte die fast ebenso strahlende Ferialverbindung „Imperia“, der zwar das schmückende „akademisch“ fehlt, nicht aber die Lokalität in Küssels Wohnhaus. Die „Imperia“ hat auch nicht mehr einen Vorsitzenden Lucas Tuma, sondern einen Imperator – und der heißt auch Lucas Tuma.
Bei der „Querdenken“-Demo wurde Tuma aber nicht als Imperator vorgestellt, auch nicht als Küssels Intimus oder als Begleiter von THC-Kandidatin Kohl, als den ihn schon wieder Dietmar Mühlböck entdeckt hat, sondern einfach als Magister Tuma. Und der sollte, so die Ankündigung, über die Hintergründe dessen, was man der „lieben aufgebrachten Menge“ (Tuma) antun will, aufklären. Das war dann aber nicht so, denn Tuma, der das Wirtschaftssystem vor dem Zusammenbruch sieht, verlor sich in Erörterungen über den bei Rechtsextremen sehr beliebten Zins und die Banken.
Da war der zweite Redner der „Corona-Querfront“ schon ein anderes Kaliber. Die Nähe zu Küssel ist bei ihm anders eingeschrieben, denn vor zehn Jahren werkte er noch als „Athanarich“ in Küssels Alpen-Donau-Forum „alinfodo“, wo er seine Einträge immer mit einem markigen Hitler-Spruch beendete. 2015 widmete ihm die neonazistische Aktionsgemeinschaft für Politik eine lange Sondernummer „AfP-Information“, weil er – da schon wieder unter seinem Klarnamen – als Dr. Harald Schmidt gegen das Verbotsgesetz klagte. Bei der Demo am 29.8. wurde er allerdings weder als Gotenkönig noch als Kläger gegen das Verbotsgesetz, sondern als Wirtschaftsjurist präsentiert, der sich aber kaum mit der Wirtschaft und der Juristerei aufhielt und gleich in die Vollen ging.
„Am Abend einer politischen Zeitenwende“, so Schmidt, befänden wir uns. Und klar sei, dass die Regierung ausgewechselt werden müsse. Durch wen, wollte Schmidt noch nicht verraten, aber wir haben da so eine Ahnung, denn in der Folge klagte Schmidt das „gesamte verkommene System“ an, das zusammen mit der „Lügenpresse“ die FPÖ-ÖVP-Koalition zu Fall gebracht habe. Natürlich stütze auch der Verfassungsgerichtshof die „Systemparteien“ ÖVP und SPÖ – wie im Übrigen so ziemlich alles in Österreich seit Jahrzehnten durch diese beiden „Systemparteien“ bestimmt und beherrscht sei.
Die Betrachtungen zu Corona gingen bei den beiden Querfrontlern angesichts der Systemfrage ziemlich unter, dafür ist sonst alles klar über „Querdenken“ und seine „Querfront“. Nur der Küssel hat noch gefehlt!