Die inständige Bitte von Björn K., „bitte in Tracht kommen“ wegen der „unübersehbaren Signalwirkung nach außen“, verhallte ungehört. Stattdessen gab’s als musikalisches Intro zur Eigenpräsentation viel passender „Highway to Hell“ von AC/DC. Hannes Brejcha begrüßte im Namen der Veranstalter, schimpfte auf den „korrupten Haufen Regierung“, warnte vor den Totengräbern, die unser Land vernichten und erklärte dann die Pandemie für beendet.
Der Wiener Hannes Brejcha ist ein neues Gesicht in der Szene derer, die gegen den „Corona-Wahnsinn“ demonstrieren. Die österreichische Initiative „Querdenken“ ist ein Ableger der deutschen, die Veranstalterin der völlig entgleisten Berliner Demo war. Brejcha ist nicht nur auf Facebook mit zwei Accounts präsent (in martialischer Pose etwa vor einem Panzer), sondern auch auf dem russischen Netzwerk vk.com. Dort präsentiert er sich mit nacktem Oberkörper, Schoßhündchen und als Mitglied der Gruppe „Patrioten“. Die besteht allerdings nur aus sieben Mitgliedern.
Keine echte Verstärkung bedeutete der Auftritt des Kärntners Martin Rutter, der das Mikro und die Moderation von Brejcha übernahm. Rutter (37), der seine politische Laufbahn in Kärnten bei den Grünen begonnen hatte, ist nach einem längerem Intermezzo beim Team Stronach, später Team Kärnten, mittlerweile ganz rechts außen beim BZÖ Kärnten gelandet, wo er als Spitzenkandidat für die Nationalratswahl 2019 einen beachtlichen Bauchfleck mit 0,0 % landen konnte. Das BZÖ Kärnten ist mit dem Zusatz „Allianz der Patrioten“ angetreten, hat also vermutlich den „Patrioten“ Brejcha geistig schon eingemeindet, obwohl dessen politische Vorlieben auf Facebook ziemlich deutlich bei der FPÖ liegen.
Rutter, der zwischen 2013 und 2018 Kärntner Landtagsabgeordneter war, die ersten vier Jahre für das Team Kärnten bzw. Stronach, bis er wegen seines starken Rechtsdralls 2017 ausgeschlossen wurde und die letzten Monate als wilder Abgeordneter werkte, stellte auf der Wiener Demo per Ferndiagnose fest, dass in Berlin „mehrere Millionen Menschen“ demonstrierend unterwegs seien (also die ganze Hauptstadt auf der Straße) und das „Regime“ in Berlin ausgedient habe. So verschaffte er der dürren Wiener Menge kurzfristig einen Kick.
Der als Hauptredner angekündigte Arzt aus Bad Aussee, Peer Eifler, der seit Monaten zwischen kostenlosen Corona-Demo-Auftritten und kostenpflichtigen Corona-Veranstaltungen quer durch Österreich herumgereicht wird, ist kaum politisch auffällig. Eher anders. Wie Christian Kreil auf seinem Blog „Stiftung Gurutest“ auf standard.at im Mai dieses Jahres festhielt, war Eifler „als Guru auf der ganzen Welt unterwegs und ist jetzt Arzt. Er verzückt Verschwörungsplauderer und Anhänger von Pseudomedizin mit medienwirksamen Auftritten.“
Eifler ist auch geschäftlich ganz gut unterwegs und stellte nicht nur dem wenig entzückten Blogger per Ferndiagnose ein ärztliches Attest aus, mit dem dieser vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreit und um 30 Euro „für ein Fake-Attest“ erleichtert werden sollte.
Kreil war darüber ebenso wenig entzückt oder erleichtert wie die Ärztekammer, die sich seit dem Frühjahr mit Eifler in einem Ehrengericht befasst. Das verschafft Eifler nicht nur die Möglichkeit, sich als Opfer eines „faschistoiden“ Systems zu inszenieren, sondern ganz offen für seine Fake-Atteste auf Facebook Werbung zu machen. Auch wenn seine Aussagen, wonach es täglich Tausende Anfragen gäbe, doch leicht übertrieben sein dürften: Bei 30 Euro Gebühr pro Attest läppert sich schon einiges zusammen, was den Opferstatus er- bzw. einträglich gestaltet.
Franziska Loibner, die Vorsitzende des Vereins AEGIS (Aktives Eigenes Gesundes Immun-System), machte sich in ihrem Redebeitrag gar nicht mehr die Mühe, irgendwie auf die Pandemie oder die Maßnahmen dagegen einzugehen, sondern beschäftigte sich in erster Linie mit dem Lebenswerk ihres verstorbenen Mannes Johann Loibner, der praktischer Arzt und Mitglied von Opus Dei war und in der Impfgegner-Szene Kultstatus genießt.
Am Redebeitrag von Merith Streicher, die als Rednerin der Initiative „Eltern stehen auf“ angekündigt wurde, war vor allem auffällig, dass sie ihn auch an die „lieben Ungeborenen“ adressierte, obwohl die vermutlich gar kein Interesse an dieser Demo und dem Beitrag hatten.
Das Versprechen, mit dem der Rechtsaußen Rutter den Redner Manuel Mittas einmoderierte, wurde von diesem nicht enttäuscht: Der als „Dorn im Fleisch der Systempresse“ angekündigte Journalist, offensichtlich auf Satanismus spezialisiert, hatte zwar zu „Corona“ nichts im Repertoire, dafür aber eine saftige und widerliche Drohung an seine journalistischen KollegInnen – samt einer wahnsinnig originellen Wortkreation:
Meine lieben ehemaligen Kollegen von den Mainstream-Medien, Ihr solltet Euch jetzt ganz genau entscheiden, auf welcher Seite Ihr steht. Geht tief in euch, denn es wird der Tag kommen (…). Man wird Euch vielleicht irgendwann zur Rechenschaft ziehen für Eure Verbrechen. (…) Nieder mit der Lückenpresse!
War es die Drohung oder der Burner mit der Lückenpresse‘? Das Publikum war jedenfalls enthusiasmiert und skandierte begeistert „Lückenpresse“. Wir verlassen vorzeitig die Demo – es reicht! Die weiteren Redner, den 5G-Verschwörer Whybrow und einen Juristen, ersparten wir uns.
Wir widmen uns dem „Manifest“ der „Querdenker“, in dem aber nur einige politische Grundrechte (nicht aber soziale) aufgezählt werden und ein Ehrenkodex. Dass gleich daneben auch der Bargelderhalt gefordert wird, gibt dem Ganzen eine schräge Note. Wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit mit einer Ablehnung von Maskenpflicht und Abstandsregeln vereinbar sein soll, wird natürlich auch nicht erläutert.
Auch wenn das Manifest der Initiative „Querdenken“ keine rechtsextremen bzw. rechtsoffenen Bezüge hergibt, ihre Proponenten, Redner*innen, Unterstützer*innen schaffen das in der Summe locker, da können selbst Ausnahmen nichts ändern. Dabei haben wir über die Unterstützer*innen noch gar nichts geschrieben! Da finden sich nämlich etliche unserer Bekannten aus den rechten Rändern von FPÖ und THC ebenso wie Reste von NVP, Europäischer Aktion und AFP: Die wollen keine Gelegenheit versäumen!
Wir hören und lesen immer wieder von Personen, die sich als Antifaschist*innen, Linke, Demokrat*innen oder einfach nur als Kritiker*innen von Corona-Maßnahmen bezeichnen und argumentieren, man könne ja nicht im Vorhinein wissen, dass auch Rechtsextreme und üble (zumeist antisemitische) Verschwörungsheinis bei den Demonstrationen und Kundgebungen zu Corona mitmachen: Spätestens jetzt können sie es wissen.
Eine Frage hätten wir doch noch: Klaus J., anscheinend der offizielle und sehr bedankte Demo-Filmer der „Querdenker“, warnt vor dem Mund-Nasenschutz bzw. den Masken mit der Begründung, „das [sic!] die Maske Gesundheitsschädlich ist weil man Bakterien und Keime rückeinatmet“. – Dass das Rückeinatmen gesundheitsschädlich sei, steht natürlich nicht in der „Lückenpresse“, nur, dass es sich im Prinzip um Bakterien handle, „die wir eh schon in der Lunge oder im Mund haben“. Aber einer von den „Querdenkern“ wird uns sicher erklären, warum dem nicht so ist – bei der nächsten Demo, wo dann sicher auch in Wien Millionen gesichtet werden?
Insgesamt beteiligten sich etwa 600 Personen an der Veranstaltung. Neben Neonazis, deutschnational Korporierten und Sympathisant:innen der „Identitären” traten auch zahlreiche Impfgegner:innen und Verschwörungsgideolog:innen auf. pic.twitter.com/JyPjfqd1c9
— Presse Service Wien (@PresseWien) August 30, 2020