Wien: „HH“ und gar nicht „Haha“
Salzburg: Braune Gefälligkeitsbotschaften
Kärnten: Vaters NS-Sammlung
Flachgau/Sbg.: U‑Haft wegen Hasspostings und was noch?
Telfs/Tirol: Blut und Boden-Antrag im Gemeinderat
Wien/Graz: Pandemieleugner*innen auf Österreich-Tour
Wien: „HH“ und gar nicht „Haha“
S. ist Mitarbeiter bei der Polizei, was eigentlich – auch ohne Tragen einer Uniform – eine gewisse Reife zur Voraussetzung haben sollte. Der heute 23-Jährige hatte aber – „als jugendlichen Blödsinn“ (Verteidiger) – über mehrere Jahre hinweg gar nicht witzige NS-Witze in einer WhatsApp-Gruppe mit dem klingenden Namen „Surenhohn“ verbreitet. Zuletzt, als er bereits bei der Polizei tätig war, beispielsweise das für „Heil Hitler“ stehende Kürzel „HH“.
Bei seiner ersten Einvernahme durch die Exekutive behauptete er noch, „HH” stehe für „Haha”, vor Gericht gibt er nun zu, dass es die Abkürzung für „Heil Hitler” ist. Was sich harmonisch in den Chatverlauf einfügt: Ein anderer Teilnehmer hatte auf „HH” mit „Sieg” reagiert, worauf S. mit „Heil” antwortete und ein weiterer „Ein Volk, ein Reich, ein Führer” beisteuerte. (derstandard.at, 1.9.20)
„Haha“ ist daran nichts, dafür aber „Heulheul“, umso mehr vor dem Hintergrund, dass der junge Mann eine Matura, noch dazu in Geschichte absolviert haben soll. S. blieb aber dabei, dass alles nur Humor und Belustigung gewesen sein soll. Die durch den Einspruch der Staatsanwaltschaft nicht rechtskräftige Strafe: Sechs Monate bedingt: „Man habe vom außergewöhnlichen Milderungsrecht Gebrauch gemacht und die geringstmögliche Strafe ausgesprochen, begründet Hautz, da inhaltlich die Milderungs- die Erschwerungsgründe bei weitem überwiegen würden.“ (derstandard.at)
Salzburg: Braune Gefälligkeitsbotschaften
Eine Eingangsbemerkung zum § 3g des Verbotsgesetzes des Salzburger Staatsanwalts Marcus Neher sollte hier an den Anfang gestellt werden, denn das sehen nicht alle Gerichte so: „Es braucht keine nationalsozialistische Gesinnung, es reicht aus, wenn man Einzelhandlungen setzt, die als typisch nationalsozialistisch wahrgenommen werden.“ (salzburg24.at, 2.9.20)
Zwei Angeklagte, einer 58, der andere 45, mussten sich nach dieser Belehrung durch den Staatsanwalt anhören, was angeklagt worden war: Ausgetauscht wurden via WhatsApp diverse Botschaften wie „eine alte Frau, die ein Schnapsglas auf Hitler leerte, und auch spärlich bekleidete Frauen in Dessous und nationalsozialistischen Uniformen“ (salzburg24.at). Der Ältere hatte offenbar auch ein Tattoo mit einer Schwarzen Sonne öffentlich zur Schau getragen.
Der „45-Jährige [habe] dem 58-Jährigen eine Filmdatei weitergeleitet, auf der eine männliche Person einen länglichen, braunen Schokoladekuchen anschneidet. „In der Füllung des Kuchens kam ein Hakenkreuz zum Vorschein”, schilderte Neher.“ (salzburg24.at,)
Was kam zur Verteidigung? Der Jüngere habe nur aus Gefälligkeit dem Älteren gegenüber, der sein Vorgesetzter war, mitgemacht, außerdem sei er im Kosovo in die Schule gegangen und wisse daher nichts vom Nationalsozialismus. Der 58-Jährige wiederum sei in deiner depressiven Phase gewesen. Ein auf seinem Handy ausgefundenes pornografisches Video, auf dem Minderjährige zu sehen waren, „habe sich der derzeit arbeitslose Mann nicht einmal angesehen“.
Die nicht rechtskräftigen Urteile: 15 Monaten bedingter Haft für den 58-Jährigen, Freispruch für den Jüngeren.
Es war bereits 2018, als bei der Klagenfurter Staatsanwaltschaft eine anonym Anzeige eintrudelte. Im Visier war ein Kärntner Gemeinderat der FPÖ, der in seinem Haus NS-Devotionalien gehortet und Besucher*innen auch vorgeführt haben soll. Die Polizei hielt dort Nachschau und wurde tatsächlich fündig. Die Ermittler seien in drei versperrten Räumen „auf Relikte aus der Zeit des Nationalsozialismus wie Hakenkreuzfahnen, Puppen in Uniform oder NS-Orden und Schmuck“ (kleinezeitung.at, 3.9.20) gestoßen.
Die Ermittlungen sind jedoch mit Anfang 2020 eingestellt worden. „Für den Tatbestand der Wiederbetätigung reicht der alleinige Besitz nicht aus. Die Stücke müssen auch anderen Personen zugänglich sein oder ihnen gezeigt werden. Das konnte nicht nachgewiesen werden“ (kleinezeitung.at), heißt es aus der Staatsanwaltschaft. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Devotionalien dem FPÖ-Politiker auch tatsächlich gehören, denn der gab an, „das Zeug“ zu verabscheuen, aber es gehöre seinem Vater, der die Räume vertraglich festgehalten nützen dürfe. Was mit Vaters Sammlung passiert ist, ob sie im Haus des Gemeinderats verblieben ist und ob auch gegen den Vater ermittelt wurde, wird im Bericht der Kleinen Zeitung nicht erwähnt.
Flachgau/Sbg.: U‑Haft wegen Hasspostings und was noch?
Ein 56-jähriger Flachgauer sitzt seit einigen Tagen in Untersuchungshaft – wegen Hunderter Hasspostings, die er ab 2018 auf dem russischen FB-Pendant vk abgelassen haben soll.
Internationale und nationale Ermittler waren dem Mann sei längerer Zeit auf der Spur, Ende August wurde er schließlich ausgeforscht und an seinem Wohnort verhaftet. Zur Last gelegt werden ihm nationalsozialistische Wiederbetätigung, Verhetzung, Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung von mit Strafe bedrohter Handlungen sowie Herabwürdigung religiöser Lehren. (APA, via derstandard.at, 3.9.20)
Seitens der Polizei heißt es, die Festnahme sei „aufgrund Tatbegehungsgefahr“ erfolgt. Da es zumindest ungewöhnlich erscheint, dass jemand in Österreich wegen des bloßen Absetzens von Hasspostings in Haft genommen wird, kann vermutet werden, dass hier noch mehr dahinter steckt. Ein Hinweis darauf ist auch, dass sich laut Polizeiaussendung gleich eine ganze Armada auf die Fersen des Flachgauers geheftet hatte, nämlich die Staatsanwaltschaft Salzburg, das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Salzburg, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sowie Interpol. Auf diesen Prozess darf man gespannt sein.
Telfs/Tirol: Blut und Boden-Antrag im Gemeinderat
Während sich im Programm von Gernot Blümels ÖVP für die Wien-Wahl de facto wortgleich die Übernahme von einstigen FPÖ-Forderungen finden, bekam die Tiroler VP-Gemeinderätin Angelika Mader wenigstens ablehnende Reaktionen samt Rücktrittsaufforderugen aus ihrer eigenen Fraktion. Denn die hatte einen nach Blut- und Boden-Ideologie riechenden Antrag „Telfer Blut – für Telfs heißt aus Telfs“ gestellt, worin sie die Entlassung eines Gemeindemitarbeiters forderte, weil der nicht aus Telfs stammt. Sie habe das nicht so gemeint, reagierte sie auf die Anfrage des „Standard“,
Publik gemacht hatte den Vorfall der Grüne Vizebürgermeister Christoph Walch aus Telfs. Wäre interessant zu wissen, was passiert wäre, hätte er das nicht getan.
Wien/Graz: Pandemieleugner*innen auf Österreich-Tour
Nachdem am 29. August Berlin Hauptschauplatz der Pandemieleugnerszene war – inklusive Erstürmung des Berliner Reichtags durch Reichsbürger*innen und andere Rechtsextreme – ist am letzten Samstag ein Teil der in Deutschland aktiven Truppe auf Österreich-Tournee gegangen.
Im Line-up der Veranstaltungen in Wien und Graz waren u.a. der in Deutschland lebende Schweizer Samuel Eckert, der HNO-Arzt Bodo Schiffmann, der Reichsbürger Frank Radon (der just 11. November 2019, also am Jahrestag der Novemberpogrome, in Berlin bei einer Kundgebung behauptete, wir alle wären von Zionisten regiert) und die Münchner Anti-Corona-Aktivistin Alexandra Motschmann. Die jammerten über die angeblichen Repressionen des Staates und über die Abschaffung der Meinungsfreiheit – und das völlig unbehelligt in aller Öffentlichkeit. In Graz wurde frei von jeglichen Fakten sogar das Ende der Pandemie verkündet, denn, so die krude These, es gäbe ja keine Toten mehr.
Etwa 1.000 Teilnehmer*innen am Wiener Karlsplatz konnten auch miterleben, wie Jennifer Klauninger und Manuel Cornelius Mittas eine Regenbogenfahne zerrissen. „Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft. Wir müssen unsere Kinder vor Kinderschändern schützen! Wir alle sind dafür verantwortlich“, schrie Klauninger unter tosendem Applaus durch das Publikum von der Bühne herab.
Wie schon berichtet, fand heute in #Wien eine Kundgebung der „Querdenker” statt. Hier ein kurzer Videoabschnitt in dem zu sehen ist, wie auf der Bühne unter tosendem Beifall eine Regenbogenfahne zerrissen wird, da sie als Symbol für „Kinderschänder” verunglimpft wird. pic.twitter.com/csGFFtOehm
— Presse Service Wien (@PresseWien) September 5, 2020
Wegen des Verdachts auf Verhetzung wurden Anzeigen angekündigt, u.a. von der Wiener Hosi-Obfrau Ann-Sophie Otte und dem Grünen Gemeinderatsabgeordneten Peter Kraus.