Als im August das Hamburger „Harbour Front Literaturfestival“ bekannt gab, die aus der Steiermark stammende Kabarettistin Lisa Eckhart auszuladen, weil – und da gehen die Begründungen auseinander, wir aber geben wieder, was der Veranstalter verlautbart hatte – man aus der Nachbarschaft Warnungen gehört habe*, dass es Proteste geben könne, ging eine Empörungswelle durch Deutschland und auch gleich durch Österreich. Nun gut, es kann schon sein, dass Proteste in Hamburg auch zu gröberen, gewalttätigen Auseinandersetzungen führen, aber aus dem „aus der Nachbarschaft gehört“, machten zuerst der Spiegel „Drohungen“, die FAZ Drohungen des „Schwarzen Blocks der Antifa“ und der Tagesspiegel schraubte das nicht Existente gar zum „selbsternannten Scharfrichter” hoch.
Eckhart hatte ihren erst mit erheblicher Verzögerung wahrgenommenen großen Auftritt 2018 im WDR mit der humorigen Frage,
ob #MeToo nicht antisemitisch sei, weil Polanski und Weinstein Juden sind. „Am meisten enttäuscht es von den Juden, da haben wir immer gegen den Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld.“ (juedische-allgemeine.de, 30.4.20)
Bei „Stöckl“ nun versicherte uns die standfeste Künstlerin, es gerne noch einmal so gemacht zu haben, nämlich als „ein paar schwindlige Rowohlt-Autoren** gegen die Biografie von Woody Allen gewettert haben. (…) Eigentlich werfe ich ja Antisemitismus in dieser Nummer vor“, weil im „MeToo-Furor“ „Schutzbefohlene“ – eben wie Polanski und Weinstein – Opfer geworden wären.
Lachen wir jetzt? Nein! Aber das liegt an uns und den Juden, denn, so Eckhart ungehindert im ORF, das sei „eine Humorlosigkeit, die fast an Antisemitismus grenzt“. Und es seien „sehr viele mutwillige Missverständnisse passiert“.
Sekundiert wurde Eckhart bei „Stöckl“ von Michael Niavarani und Niki Popper, denn der eine muss wissen, was Humor darf, und der andere hat immerhin jüdische Vorfahren. Vertreter der jüdischen Community in Österreich fanden den ORF-Beitrag trotz der Eckhart’schen Aufklärungsversuche allerdings noch immer nicht lustig, aber lasst Euch gesagt sein: Selbst schuld, das liegt an Eurer Humorlosigkeit!
„An allem sind die Juden schuld. Auch am Antisemitismus.“
Medien, Verlage und Veranstalter, die solchen judenfeindlichen Botschaften eine Plattform bieten, sind für die Verbreitung von Antisemitismus verantwortlich. https://t.co/4HcRucF9qA
— Oskar Deutsch (@DeutschOskar) September 6, 2020
Grottenschlechte Kunst, die folglich unappetitlich Aufmerksamkeit sucht. Ekelhaft, wem und was Bühne gegeben und hinter künstlerischer Freiheit cachiert wird. — Das darf nicht hingenommen werden. https://t.co/fJ4MzTGpNw
— Elie Rosen (@ElieRosen) September 6, 2020
P.S.: Nun ist Eckhart doch ins brandgefährliche Hamburg gereist, wie kürzlich zu lesen war. Und so darf „Die Welt“, verlässliche Schutzfrau politisch „inkorrekter“ Trolle, zufrieden vermelden: „Bei ihrem Auftritt im Literaturhaus, das an der Außenalster und weit weg von den linken Kiezen liegt, blieb es rund um den Auftritt ruhig.“ War der „Schwarze Block der Antifa“ also zu faul, um die paar Kilometer an die Außenalster zu pilgern?
* Stellungnahme des Hamburger „Nochtspeicher“ zu den kolportierten Ausladungsgründen:
Wir haben keine „Drohungen“ erhalten und das auch nicht gesagt. Wir haben Warnungen bezüglich einer Störung oder Sprengung der Veranstaltung erhalten, die uns plausibel schiennen [sic!]. Eine Location, die eine störungsfreie und sichere Veranstaltung nicht garantieren kann – wozu Einhaltung des Corona-Schutzes gehört –, handelt unseres Erachtens verantwortungslos, zumal uns eine Verlegung in eine geeignetere Location seitens der Veranstalter problemlos schien.
** hier der Brief der „schwindligen“ Rowohlt-Autor*innen