Lothar Höbelt ist außerordentlicher Professor für neuere Geschichte an der Uni Wien. Seine politische Haltung ist seit Jahren bekannt: Er publiziert regelmäßig in rechtsextremen Zeitschriften, liebäugelt mit revisionistischen Positionen, gilt als Haus- und Hofhistoriker der FPÖ. Höbelt beherrscht das Spiel, an der Grenze des Sagbaren zu wandeln. Im Gefolge der Proteste gegen ihn an der Universität letzten Winter, hat der Historiker Martin Tschiggerl die rhetorische Strategie Höbelts in einem Kommentar treffend auf den Punkt gebracht:
Höbelt [flüchtet sich] gern in Relativierungen, vermeidet feste Positionen und bedient sich einer bunten Bricolage an Codes und Andeutungen. Er weiß genau, wo die straf- und vor allem auch dienstrechtlichen Grenzen des Sagbaren im Umgang mit der NS-Zeit liegen, und spielt ein wissenschaftlich unwürdiges Spiel mit angedeuteten Tabubrüchen. (derstandard.at, 20.1.20)
Lothar Höbelt ist seit vielen Jahren bestens eingebettet in das publizistische Netz der extremen Rechten in Österreich: Artikel von ihm erschienen etwa in der „Aula“ oder in Mölzers „Zur Zeit“. In diesen Zusammenhang gehört auch die 1997 gegründete „Genius-Gesellschaft“, deren Vorsitzender Höbelt ist. Diese versteht sich laut dem Leitbild auf ihrer Homepage „als Plattform für die geistige Auseinandersetzung mit Zeitfragen aus freiheitlicher Sicht“. Die als Verein registrierte Gesellschaft veröffentlicht alle zwei Monate den „Genius-Brief“, wobei es sich stets um jeweils etwa zehn Artikel handelt, die auf der Website erscheinen (bis 2007 gab es eine Printausgabe). Als Herausgeber dieser „Lesestücke“, wie die einzelnen Artikel eines „Genius-Brief“ genannt werden, fungiert der ehemalige FPÖ-Politiker Gerulf Stix.
Neben anderen umtriebigen Schreibern aus dem Umfeld der FPÖ betätigt sich auch Höbelt als regelmäßiger Autor für die Plattform. Wir werfen in Teil 1 dieses Beitrags einen genauen Blick auf seinen letzten Artikel, um dem Höbelt‘schen Spiel mit gewitzten Andeutungen auf den Zahn zu fühlen.
Rassismus in Anführungsstrichen
In seinem aktuellsten Artikel (1) geht es um Rassismus in den USA und die Proteste dagegen. Der Titel des Textes (”Rassismus” und Radaubrüder) gibt die Linie bereits vor: Der ernstzunehmende Begriff – Rassismus – wird in Anführungsstriche gesetzt, die vulgäre Zuschreibung – „Radaubrüder“ – nicht. Unter dem Titel folgt ein langes Zitat von Donald Trump (2), in dem vom Aufkommen eines „linken Faschismus“ die Rede ist. Der Begriff Faschismus wird auch in einem Teaser zu dem Artikel bereits bedient, dort heißt es: Höbelt durchleuchte „geschichtskundig und zugleich augenzwinkernd eines der modernen Vokabel des heutigen ‚Meinungsfaschismus‘.“ (Er selbst verwendet die historisch völlig absurde Analogie dann nicht in seinem Text; für solche Direktheiten ist der Geschichtsprofessor offenbar nicht zu haben.)
Höbelts Text zielt darauf, gegenwärtige Proteste gegen Rassismus zu desavouieren und lächerlich zu machen. Wir folgen seiner Argumentation ein Stück weit ganz genau. Folgendermaßen leitet er sein Hauptthema ein:
Damit kommen wir zu einem der Probleme mit dem Begriff „Rassismus“. Es wurde darunter wohl landläufig meist die unterschiedliche Behandlung von Bürgern auf Grund von Hautfarbe und/oder Abstammung verstanden. Die Negersklaverei in den frühen USA (es durften eben ausschließlich Schwarze versklavt werden), dann die Diskriminierung, später dann Vertreibung und schließlich Ermordung von Weißen mit jüdischen Großeltern durch Hitlers Regime waren besonders eklatante Fälle.
Die (historische) Existenz von Rassismus wird hier nicht einfach festgestellt, sondern relativierend umschrieben: „Es wurde darunter wohl landläufig meist … verstanden.“ Anschließend werden zwei „besonders eklatante Fälle“ benannt. Ersteren, die Sklaverei, nennt Höbelt einfach so „Negersklaverei“. Im Gegensatz zu Rassismus setzt er diese rassistische Vokabel nicht in Anführungsstriche. Und den Holocaust – der auch zum „eklatanten Fall“ reduziert wird – bezeichnet er als die „Ermordung von Weißen mit jüdischen Großeltern“, ohne diese groteske Formulierung weiter zu erklären. Was will Höbelt uns damit sagen? Bekanntlich wurden nicht bloß die Enkel von Juden und Jüdinnen ermordet. Ist es folglich ein weniger „eklatanter Fall“, wenn Menschen mit jüdischen Eltern ermordet werden? Oder einfach Juden und Jüdinnen? Was soll die Bezeichnung „Weiße“ überhaupt in diesem Zusammenhang? Soll das heißen Juden und Jüdinnen seien eigentlich keine Weißen, sondern bestenfalls deren Enkel? Was ist mit nicht-weißen Juden und Jüdinnen? Oder geht es ihm um den Kontrast zur Sklaverei – etwa nach dem Motto: Einmal werden Schwarze unterdrückt, dann wieder Weiße, so ist das halt in der Geschichte?
Wie auch immer, diese dümmlich-infame Formulierung soll offensichtlich provozieren. Denn in jedem Fall ist das eine schnoddrige Verharmlosung von Rassismus und Antisemitismus, und eine Verhöhnung von jenen, die davon betroffen sind.
„Lueger lässt grüßen“
So geht der Text unmittelbar weiter:
In manchen Teilen Europas gab es vorher auch schon Bestrebungen, den Zugang von Juden zu Universitäten zu beschränken: Ihr Anteil an den Studenten sollte – unabhängig von Interesse und Begabung – nicht höher sein als ihr Anteil an der Bevölkerung. Lueger hat mit solchen Ideen geliebäugelt, aber seine Partei hat derlei Regelungen nie eingeführt, auch nicht, als sie an der Macht war.
Dieser Satz gesteht also ein, dass der Ermordung Praktiken der Diskriminierung vorangegangen waren. Als Beispiel wird der Wiener Bürgermeister und antisemitische Hetzer Karl Lueger angeführt. Wiederum haben die Formulierungen eine stark relativierende Stoßrichtung: Höbelt spricht von „manchen Teilen Europas“, wo es angebracht wäre, vom eskalierenden Antisemitismus in Deutschland und Österreich zu sprechen; und Höbelt führt zwar Lueger – der bekanntlich Hitlers großes Vorbild war – als Beispiel an, aber nur um ihn gleich wieder in Schutz zu nehmen: Er habe mit „derlei Regelungen“ lediglich „geliebäugelt“. Die zahlreichen durch Lueger tatsächlich umgesetzten antisemitischen Politiken werden mit keinem Wort erwähnt. Es geht Höbelt bei seiner Beispielwahl um etwas ganz anderes:
Für derlei Paragraphen regt sich heute keine Stimme mehr, oder doch? In den USA bezeichnen sich viele Universitäten ausdrücklich als ”Equal opportunity”-Anstalten. Damit ist freilich keineswegs gemeint: Freie Bahn dem Tüchtigen, woher er auch kommt. Sondern ganz im Gegenteil: Der Anteil mancher ethnischer Gruppen an den Studenten und Professoren soll unbedingt auf ihren Prozentsatz in der Gesamtbevölkerung gesteigert, der anderer folglich notwendigerweise vermindert werden. Lueger lässt grüßen (nicht bloß, weil es dabei um ”Schwarze” geht).
Hier zeigt sich, auf was Höbelt eigentlich hinaus möchte: Er vergleicht aktuelle Gleichstellungspolitiken in den USA – er spricht verächtlich von „Equal opportunity-Anstalten“ – mit dem Antisemitismus des Hitler-Idols Karl Lueger: Dieser habe bereits angestrebt den Zugang von Juden zur Universität einzuschränken und heute, so der unmissverständliche Subtext, würde Ähnliches mit Weißen passieren. Wobei Höbelt – wiederum unmissverständlicher Subtext – nahelegt, was schlimmer ist: Lueger hat ja mit „solchen Ideen“ nur „geliebäugelt“.
Kurz: Gegenwärtige antirassistische Politiken, die auf Chancengleichheit zielen, vergleicht Höbelt ganz direkt mit dem Lueger-Antisemitismus, den er gleichzeitig verharmlost. Das kommt mit Nonchalance daher und kulminiert in einem rassistischen Kalauer: „Lueger lässt grüßen (nicht bloß, weil es dabei um „Schwarze“ geht).“
Derartige Witzchen sind eine Spezialität von Höbelt: Der Historiker gefällt sich als lustig und provokant. Seine Texte weisen eine auffällige Affinität für Kalauer auf, die einerseits eine schnelle Relativierung des transportierten Inhalts ermöglichen, andererseits eben diesen Inhalt für rechte Schenkelklopfer aufbereiten. Die Provokationen kommen dabei oftmals als augenzwinkernde Vagheiten daher, die schnell als politisch unkorrekte Witzchen abgetan werden können.
Antirassismus als Rassismus
Vor dem Hintergrund dieser Konstruktion einer angeblichen Benachteiligung von Weißen, kommt Höbelt zu der entscheidenden Umdeutung, auf die sein Text abzielt. Er erklärt, ausgerechnet mit Verweis auf den tschechischen Präsidenten und Rechtspopulisten Milos Zeman, dass der Slogan „Black Lives Matter“ rassistisch sei:
Umso mehr, wenn man bedenkt, dass der harte Kern antirassistischer Theoretiker ja überhaupt der Meinung ist, dass es keine Rassen gibt, sondern es sich dabei bloß um ”eingebildete Gemeinschaften” handelt. Sprich: es gibt zwar keine Rassen, aber die ”richtigen” müssen dennoch gefördert werden. Derlei Paradoxien, die jeder Karnevalssitzung zur Ehre gereichen, firmieren dann unter den Rubriken ”Aufklärung und Vernunft”.
Höbelt kommt also zu dem Schluss, dass die Förderung von jenen, die von Rassismus betroffen sind, bedeutet, dass man diese Betroffenen dadurch wiederum als „Rasse“ behauptet. Diese hanebüchene Verdrehung kommt mit Hohn und der Verve eines finalen Schlags daher. Tatsächlich ist es eine simple Verächtlichmachung, die nicht nur implizit nahelegt, dass es tatsächlich „Rassen“ gibt, sondern in dieses Weltbild offensichtlich derart verstrickt ist, dass auch Antirassismus nur als die Förderung einer vermeintlich „richtigen Rasse“ in Frage kommt.
Kein Rassismus nirgends, linker Umsturz überall
Dem für Rechtsextreme typischen Kleinreden und Abtun von Fakten und evidenten, gut erforschten gesellschaftlichen Verhältnissen und Phänomenen (wie Rassismus), folgt das Abgleiten in tatsächlich absurde Katastrophenszenarien oftmals direkt auf dem Fuß. Auch der Höbelt-Text ist dafür ein gutes Beispiel. Am Ende heißt es mit Bezug auf die US-Wahlen im Herbst:
Die nächsten Monate werden Aufschluss darüber geben, ob es sich beim unverhältnismäßigen Hochspielen dieses Themas um einen Wahlkampfgag handelt, der möglicherweise etwas aus dem Ruder gelaufen ist, oder um den Beginn einer ”Kulturrevolution” nach dem Muster Maos, die dazu bestimmt ist, alle Überlieferungen und Traditionen ihrer jeweiligen Kultur unter Generalverdacht zu stellen und über Bord zu werfen.
Bei diesem wahnhaften Befund fehlt das Höbelt‘sche Augenzwinkern nun völlig, geht es doch scheinbar um etwas Ernstes: Die möglicherweise bevorstehende maoistische Kulturrevolution in den USA.
Rechtsextremes Gepolter gewitzt verpackt
Was Höbelt gut beherrscht, ist das Spiel mit Relativierungen und Andeutungen. Der zitierte Text bildet da keine Ausnahme. Das gewitzt Formulierte erweist sich bei näherer Betrachtung inhaltlich als das übliche rechtsextreme Gepolter: Höbelt vergleicht emanzipatorische Praktiken mit jener antisemitischen Hasspolitik, die der Shoah den Weg geebnet hat; er spielt mit historisch schon auf den ersten Blick grotesken Faschismus-Analogien (zitiert sogar die rechte Fake-News-Vokabel vom „linken Faschismus“ aus dem Mund von Donald Trump); er redet dem Phantasma einer maoistischen Revolution in den USA das Wort; er setzt den Begriff Rassismus in Anführungsstriche, während er einen rassistischen Begriff – ohne Anführungsstriche – einfach bedient.
Zur Erinnerung: Diese Zeilen stammen aus der Feder eines Universitätsprofessors für Geschichte im Jahr 2020. Das wäre alles ziemlich unglaublich, wäre es nicht schon seit vielen Jahren so.
➡️ Teil 2: Rechtsextreme „Briefe“: Revisionistisches, Antisemitisches und Antifeministisches
➡️ Der außerordentliche Professor Höbelt
Fußnoten
1 Alle Höbelt-Zitate stammen von: „”Rassismus” und Radaubrüder“, Genius-Brief Juli-August 2020 / Lesestück Nr. 01, erschienen auf der Website der „Genius-Gesellschaft“, zuletzt eingesehen: 09.09.2020
2 „In our schools, our newsrooms, even our corporate board rooms there is a new far left fascism that demands absolute allegiance. If you do not speak its language, perform its rituals, recite its mantra, and follow its commandments, then you will be censored, banished, blacklisted, persecuted and punished. It’s not going to happen to us.” – Donald Trump am 4. Juli 2020