Der außerordentliche Professor Höbelt

Wie erträglich ist es, wenn jemand vom „soge­nan­nten Holo­caust“ spricht? Oder dass die Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus nur eine „für ganz wenige, die im Gefäng­nis saßen“, aber für „uns Deutsche“ eine Nieder­lage gewe­sen sei? Wie akzept­abel ist es, wenn so jemand als öster­re­ichis­ch­er His­torik­er an ein­er öster­re­ichis­chen Uni­ver­sität lehrt?

Immer­hin, es gibt hierzu­lande ver­mut­lich nicht viele aktuell an ein­er Uni­ver­sität aktive His­torik­erIn­nen, gegen die ein­mal wegen des Ver­dachts auf nation­al­sozial­is­tis­che Wieder­betä­ti­gung ermit­telt wurde. Lothar Höbelt hat das geschafft, was wenig bekan­nt ist. Das hat ihm jedoch nicht weit­er geschadet. Er wird medi­al und bei Ver­anstal­tun­gen herumgere­icht, der Herr Uni­ver­sität­spro­fes­sor, der ein außeror­dentlich­er ist, in zweifach­er Hin­sicht: Höbelt ist ao. Univ.-Prof., was er ein­er Ernen­nung durch die Uni­ver­sität Wien zu ver­danken hat. Ein Beru­fungsver­fahren musste er dazu nicht durch­laufen. Außeror­dentlich ist auch weniger, was Höbelt im Laufe der let­zten Jahrzehnte geleis­tet hat, son­dern vielmehr das, was er sich geleis­tet hat.

Aber vielle­icht erk­lären die Ermit­tlun­gen gegen ihn auch seine aller­gis­che Hal­tung zum Ver­bots­ge­setz? „Jed­er, der sich als lib­er­al ein­stuft, weist darauf hin, dass das Ver­bots­ge­setz in ein­er Demokratie sys­temwidrig ist, weil es der Mei­n­ungs­frei­heit wider­spricht“, wird Höbelt 2010 zitiert. (1) Das ist doch außeror­dentlich, wenn ein Wis­senschafter, der doch ein­er gewis­sen Fak­ten­treue verpflichtet wäre, etwa die Leug­nung des Holo­caust oder jen­er zur Schuld am Zweit­en Weltkrieg als „Mei­n­ung“ bezeichnet.

Und damit wären wir im Jahr 1995: Höbelt hat­te zusam­men mit Andreas Mölz­er für die FPÖ-Parteiakademie das „Jahrbuch für poli­tis­che Erneuerung“ (2) her­aus­gegeben. Darin enthal­ten ist ein Beitrag des Poli­tolo­gen Wern­er Pfeifen­berg­er (3). Zitate daraus:

„Der wech­sel­seit­ige Haß saß so tief, daß ‚Judea’ in der britis­chen Tageszeitung ‚Dai­ly Express’ bere­its am 24. März 1933, also kurz nach Amt­santritt der nation­al­sozial­is­tis­chen Regierung, nicht nur dieser, son­dern ganz Deutsch­land den Krieg erklärte.” 

„Gemäß den Ergeb­nis­sen der let­zten freien Reich­stagswahl im März 1933 dachte die Mehrzahl der Deutschen damals immer­hin noch nicht nation­al­sozial­is­tisch, wurde aber gle­ich­wohl aber in die jüdis­che Kriegs­dro­hung mit eingeschlossen.“ (4)

Dieser Krieg brach nicht im Sep­tem­ber 1939 aus und endete nicht im Mai 1945. Er ist viel älter und wird als all­ge­gen­wär­tiger Nachkriegskrieg bis zum heuti­gen Tage aus­ge­tra­gen.” (5)

Die Juden sollen es also gewe­sen sein, die Deutsch­land, den ange­blich nicht ein­mal nation­al­sozial­is­tisch denk­enden Deutschen den Krieg erk­lärt hat­ten. Ken­nen wir doch von irgend­woher! Das brachte Pfeifen­berg­er fol­gerichtig eine Anzeige nach dem Ver­bots­ge­setz ein und ihm, Höbelt und Mölz­er Ermit­tlun­gen durch die Staat­san­waltschaft (vgl. APA, 22.5. 2000). Und dem Jour­nal­is­ten Karl Pfeifer, der dem Autor vor­warf, „Nazi-Töne“ zu spuck­en, eine Klage durch Pfeifen­berg­er, die der Kläger in allen Instanzen verlor.

All dies ist längst aktenkundig und gericht­sno­torisch. Das Lan­des­gericht Wien hat bere­its am 6. Okto­ber 1980 fest­ge­hal­ten, dass die Behaup­tung der jüdis­chen Kriegserk­lärung sowie die Leug­nung der nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­ant­wor­tung für den Zweit­en Weltkrieg als Schreib­weise in nation­al­sozial­is­tis­chem Sinn zu werten sei. Der ange­bliche Poli­tologe Pfeifen­berg­er bewegt sich mit seinen The­sen also auf einem gefährlichen Grat.” (6)

Den­noch, die ersten Ermit­tlun­gen gegen das Jahrbuch-Trio wur­den eingestellt, jene gegen Pfeifen­berg­er im Jahr 1999 jedoch wieder aufgenom­men. Und die führten zu ein­er recht­skräfti­gen Anklage. Kurz vor dem Prozess soll Pfeifen­berg­er, dem zuvor schon seine Lehrbefug­nis an der Fach­hochschule Mün­ster ent­zo­gen wor­den war, Selb­st­mord verübt haben, worauf es zu wilden Vor­wür­fen (Pfeifer habe Pfeifen­berg­er in den Tod getrieben) und Ver­schwörungs­the­o­rien (Zweifel an der Selb­st­mord­ver­sion) aus der recht­sex­tremen Ecke kam.

Jahrbuch 1995 antiquarisch zu erweben, Kommentar des Verkäufers: "! BRAUNER MIST ! - Wird nur an nachweislich wissenschaftlich Interessierte abgegeben - nicht an neofaschistische Hohlköpfe." (Screenshot zvab.com)

Jahrbuch 1995 anti­quar­isch zu erwer­ben, Kom­men­tar des Verkäufers: „! BRAUNER MIST ! — Wird nur an nach­weis­lich wis­senschaftlich Inter­essierte abgegeben — nicht an neo­faschis­tis­che Hohlköpfe.” (Screen­shot zvab.com)

Wo Höbelt ide­ol­o­gisch verortet ist, war und ist bekan­nt, seit er öffentlich durch Pub­lika­tio­nen und Auftritte in Erschei­n­ung getreten ist. Aber das, seine Her­aus­ge­ber­schaft, die nach­fol­gen­den Ermit­tlun­gen haben die Uni­ver­sität Wien offen­bar nicht weit­er gestört, im Gegen­teil: Sie hat Höbelt 1997 zum außeror­dentlichen Pro­fes­sor ernannt.

Höbelt laviert wie ein Chamäleon durch die poli­tis­chen Strö­mungen, die sich Rich­tung rechter Rand ori­en­tieren – mal als „Nation­al­lib­eraler“, als „Deutschna­tionaler“ bis zum harten recht­sex­tremen und auch (neo)nazistischen Kern. „Höbelt ist seit Jahrzehn­ten regelmäßig bei recht­sradikalen Tagun­gen zu sehen. Er pub­liziert in revi­sion­is­tis­chen Zeitschriften und Ver­la­gen. Genau­so lange schon sitzen Studierende mit ‚Nazi raus’-Plakaten in seinen Vor­lesun­gen und warten, bis Höbelt ein­mal zu weit geht. Doch das passiert nicht.“, schreibt das pro­fil (5/26.1.20, S. 23).

Protest bei Höbelts Vorlesung am 3.12.2019 (© Presseservice Wien)

Protest bei Höbelts Vor­lesung am 3.12.2019 (© Press­eser­vice Wien)

Warten, bis Höbelt ein­mal zu weit geht? Im April 2005 war er – wie oft davor und danach – Gast bei ein­er recht­sex­tremen Ver­anstal­tung, damals bei der Burschen­schaft Brix­ia Inns­bruck. Anlass: Der 8. Mai, den die Disku­tan­ten – neben Höbelt der einst ide­ol­o­gisch unverbesser­liche ehe­ma­lige SA-Sturm­führer Otto Scrinzi sowie der Ver­leger von NS-Lit­er­atur Her­bert Fleiss­ner – unisono als Tag der Nieder­lage betrauerten.

Hier zwei Zeitungsmeldungen:

Die bei­den Zeitzeu­gen bre­it­eten ihre Erin­nerun­gen aus, von Gräueltat­en der Nazis hät­ten sie bis Kriegsende nichts gewusst. Scrinzi will bei der These vom ‚gerecht­en Krieg’ bleiben, so lange ihn nicht wis­senschaftliche Fak­ten vom Gegen­teil überzeu­gen wür­den. Das ‚Bild der Sieger übernehmen, wäre falsch.’ Die Haup­tar­beit revi­sion­is­tis­ch­er Betra­ch­tun­gen blieb Höbelt über­lassen. Etwa gelte ‚Befreiung’ nur „für ganz wenige, die aus den Gefäng­nis­sen befre­it wur­den”, anson­sten sei der „Zusam­men­bruch” für „uns Deutsche” eine Nieder­lage gewe­sen. (derstandard.at, 21.4.05)

„Während draußen die Demon­stran­ten gegen das Fen­ster pumpern, erzählt Höbelt vom ‚Begriff der ‚Befreiung’, der immer rel­a­tiv ist’. Der trainierte Red­ner im Tra­cht­en­janck­er wirft als Randbe­merkung ein, ‚es ist eine gute Idee, dass wir weit­er­hin einen weißen Papst haben’. ‚Bra­vo!’, sagt Fleiss­ner, klopft mit den Fin­gerge­lenken auf den Tisch — und der Saal klopft mit. (…) Höbelt spricht vom ‚so genan­nten Holo­caust’, übergibt das Wort an Scrinzi. Dieser erzählt ‚von diesem schreck­lichen 8. Mai’; die Nieder­lage habe ihn tief getrof­fen. Fleiss­ner sagt, er habe an jen­em Tag geheult. Von Buchen­wald, Dachau, Mau­thausen und Ein­satz­grup­pen habe Scrinzi so gut wie nichts gewusst. ‚Nur von meinem Lehrer wusste ich, dass er in Dachau saß. Und ich war froh darüber.’” (Tirol­er Tageszeitung, 21.4.05, S. 5)

Der „so genan­nte Holo­caust“ – Offen­bar ist Höbelt selb­st hier nicht weit genug gegan­gen, son­st hätte sich 15 Jahre danach und zugle­ich min­destens 15 Jahre zu spät das Insti­tut für Geschichte an der Wiener Uni­ver­sität nach iden­titärem „Saalschutz“ für Höbelts Vor­lesung nicht diese Dis­tanzierung abrin­gen müssen: Vor allem öster­re­ichis­che Uni­ver­sitäten sind in der Verpflich­tung, der schle­ichen­den Nor­mal­isierung von recht­sex­tremen Gedankengut ent­ge­gen­zutreten. Recht­sex­tremen Auftreten seit­ens der Hörer*innen darf in Hörsälen nicht nochmals eine Bühne geboten wer­den.“ Aber scheint ja alles in rechter Ord­nung zu sein, solange der außeror­dentliche Pro­fes­sor selb­st noch weit­er auftreten darf.

Protest bei Höbelts Vorlesung am 3.12.2019 (© Presseservice Wien)

Protest bei Höbelts Vor­lesung am 3.12.2019 (© Press­eser­vice Wien)

Quellen

1 zitiert nach „Ist das NS-Ver­bots­ge­setz noch zeit­gemäß?“, unter: https://oe1.orf.at/artikel/216438/Ist-das-NS-Verbotsgesetz-noch-zeitgemaess (abgerufen am 4.2.20).
2 Lothar Höbelt, Andreas Mölz­er, Brigitte Sob (Hg.), Frei­heit und Ver­ant­wor­tung. Jahrbuch für poli­tis­che Erneuerung 1995, Eigen­ver­lag, Frei­heitlich­es Bil­dungswerk, Poli­tis­che Akademie der FPÖ, Wien 1994.
3 ebda.: Wern­er Pfeifen­berg­er, Inter­na­tion­al­is­mus gegen Nation­al­is­mus — eine unendliche Tod­feind­schaft? Geschichtlich­er Werde­gang und heutige Gestalt.
4 zitiert nach Karl Pfeifer, Die Fol­gen von 1995: Frei­heitlich­es Jahrbuch mit Nazi-Tönen, unter: http://www.hagalil.com/archiv/2001/03/pfeifer.htm (abgerufen am 4.2.20).
5 zitiert nach Andreas Koller, Sind die Juden schuld an Weltkrieg und Holo­caust, in: Salzburg­er Nachricht­en 24.5.1995
6 ebda.

Andreas Koller: Sind die Juden schuld an Weltkrieg und Holocaust, in: Salzburger Nachrichten 24.5.1995 (aus einer parlamentarischen Anfrage betreffend das freiheitliche "Jahrbuch für politische Erneuerung 1995" und der Verdacht des Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz)

Andreas Koller: Sind die Juden schuld an Weltkrieg und Holo­caust, in: Salzburg­er Nachricht­en 24.5.1995 (aus ein­er par­la­men­tarischen Anfrage betr­e­f­fend das frei­heitliche „Jahrbuch für poli­tis­che Erneuerung 1995” und der Ver­dacht des Ver­stoßes gegen das NS-Verbotsgesetz)