Nationalrat: Auslieferung nach Angelobung
FPÖ-Spesenaffäre: Ermittlungen gegen 14 blaue Beschuldigte
Nationalrat: Für FPÖ-Abgeordnete ist Gesetz ein „Exkrement“
FPÖ-Engagement für Sellners Bankkonto?
FPÖ-Vilimsky als Türöffner der Klimaleugner
Graz: FPÖ, Steirischer Herbst und Wiederbetätigung
FPÖ Wien: Ein Hetzer meldet sich zurück
Nationalrat: Auslieferung nach Angelobung
Auch beim gehobenen FPÖ-Personal gibt es immer wieder Probleme mit der Justiz. War es in der Vorvorwoche der Landtagsabgeordnete und Landesparteisekretär der FPÖ-Oberösterreich, gegen den Ermittlungen wegen des Verdachts der Verhetzung eingeleitet wurden, so konnte sich in der Vorwoche der vorherige FPÖ-Bundesrat Markus Leinfellner nur sehr kurz über seine Angelobung als Nationalratsabgeordneter (in der letzten regulären Sitzung vor den Wahlen am 29.9.) freuen: Eine Stunde später wurde er nämlich „ausgeliefert“. „Auslieferung“ bedeutet, dass der Nationalrat strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn wegen seiner dümmlichen und hetzerischen Äußerungen über Schweinefleischkonsum, der vor Terrorismusneigung schützen soll, zugestimmt hat. Der Beschluss des Nationalrats erfolgte ohne die Stimmen der FPÖ. Schon 2022 hatte die Staatsanwaltschaft Graz die Auslieferung von Bundesrat Leinfellner beantragt, weil er auf Facebook den hetzerischen Spruch „Zuwanderung tötet“ gepostet hatte. Damals wurde seine Auslieferung vom steirischen Landtag abgelehnt.
Fragt sich: Zählt Leinfellner, der vermutlich auch dem nächsten Nationalrat angehören wird, für die ÖVP bzw. deren Chef Karl Nehammer auch zu den „sehr vielen Vernünftigen“ in der FPÖ?
FPÖ-Spesenaffäre: Ermittlungen gegen 14 blaue Beschuldigte
In der Spesenaffäre der Wiener FPÖ mit Ausläufern in den aktuellen blauen Parlamentsklub wird mittlerweile gegen 14 Beschuldigte ermittelt. Die Liste der Delikte ist gleichermaßen imposant wie die Anzahl derer, die mutmaßlich involviert sind: Verdacht auf Nötigung, Veruntreuung, Betrug, Untreue, Förderungsmissbrauch, falsche Beweisaussage, Verleumdung und Missbrauch der Amtsgewalt. Das ergab die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von Julia Herr (SPÖ) an Justizministerin Alma Zadić. Es gehe um eine Schadenssumme von mehr als einer Million Euro.
Die Ermittler haben jedenfalls viel zu tun. So soll die vermutete Betrugsmasche unter anderem darin bestanden haben, fremde Restaurantrechnungen einzusammeln und diese dann als Spesen geltend zu machen. Vereinfacht gesagt: Eine unbeteiligte Familie geht essen, lässt die Rechnung auf dem Tisch liegen, und ein FPÖ-Mitarbeiter schnappt sie sich, um sie als Geschäftsessen einzureichen. (…) So fanden Ermittler etwa die Rechnung eines fremden Leichenschmauses im Spesentopf der FPÖ. Die Tochter der Verstorbenen gab an, mit den Blauen nichts zu tun zu haben. (derstandard.at, 20.9.24)
Dem vorausgegangen war eine Aktenvernichtung der Wiener FPÖ: Die Finanzverantwortliche Ulrike Nittmann ließ Buchhaltungsunterlagen bis zum Jahr 2019 schreddern – mit dem gerade für eine Juristin bemerkenswerten Argument, dass sie nichts von der siebenjährigen Aufbewahrungspflicht der Belege gewusst habe. Soviel Engagement muss belohnt werden: Nittmann hat mit Platz 7 auf der Wiener Landesliste Chancen, in den kommenden Nationalrat einzuziehen.
Nationalrat: Für FPÖ-Abgeordnete ist Gesetz ein „Exkrement“
Einen weiteren Tiefpunkt in ihrer politischen Arbeit lieferte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. In einer Pressekonferenz bezeichnete sie eine Novelle des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes, mit der Menschen im öffentlichen Dienst vor Diskriminierung wegen geschlechtlicher Identität geschützt werden sollen und die der Nationalrat am 19. 9. beschlossen hat (mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen), als „Exkrement“ (APA zit. nach diepressse.com, 20.9.24). Die Novellierung laufe auf die „Abschaffung der biologischen Geschlechter“ hinaus, der ÖVP-Klubobmann Wöginger würde „vielleicht als Weiberl“ zurück nach Oberösterreich kommen, auch wenn er als Mann vorher nach Wien gefahren sei. Die ÖVP zeigte sich über die Gesetzesnovelle, die sie selbst mitbeschlossen und vorberaten hatte, bestürzt und versprach Änderung, obwohl die Novelle gültigem europäischem Recht entspricht, wie der „Standard“ (20.9.24) klarstellt.
FPÖ-Engagement für Sellners Bankkonto?
Einen bislang unbeachteten Punkt aus dem FPÖ-Wahlprogramm erörtert das Online-Magazin „Zackzack“ in dem Beitrag „FPÖ fordert ‚Recht auf Bankkonto‘ – für Martin Sellner?“
Im Wahlprogramm 2024 heißt es nämlich unter dem Punkt „Recht auf Bankkonto“ sehr kämpferisch:
Der Ausschluss aus dem ökonomischen Leben stellt so etwas wie einen „zivilen Tod“ dar. Wer über kein Bankkonto verfügt und auch nicht die Möglichkeit hat, mit Bargeld zu zahlen, kann am ökonomischen Leben in keiner Weise mehr teilnehmen. Daher fordern wir ein Grundrecht auf ein Bankkonto. (S. 18)
Forderung und Begründung sind überraschend, denn seit 2016 gibt es – auch wegen einer EU-Richtlinie – in Österreich das Recht auf ein Basisgirokonto. Beschlossen mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und auch FPÖ. Die FPÖ stieß sich allerdings sehr heftig daran, dass auch Asylwerber*innen und Asylberechtigte diesen Zugang zu den Basisfunktionen eines Girokontos erhalten sollten: Für diese Gruppe forderte die FPÖ damals das, was sie jetzt als „zivilen Tod“ bezeichnet.
Wenn es also schon ein Basiskonto als Grundrecht gibt, für wen fordert die FPÖ denn dann eigentlich das Recht auf ein Komplett-Konto? Einer jubelt über die FPÖ-Forderung und zeigt auch ganz laut auf: Martin Sellner. Der Oberidentitäre hat ja immer wieder Schwierigkeiten mit seinem Bankkonto. Sellner, der mittlerweile laut eigener Angabe 85 Bankkonten verloren haben soll, ist mit einem Basiskonto natürlich nicht geholfen, denn um die Kohle von potenten Spendern aus aller Welt abzuschöpfen und zu geschäftlichen Zwecken zu nutzen, ist ein gewerbliches Geschäftskonto notwendig. Sellner weiß das aus eigener Erfahrung, und er weiß auch, dass die FPÖ genau das anscheinend will. Deshalb jubelt er auch über die „großartige Gesetzesinitiative“ der FPÖ. Ob das so stimmt, wollte „zackzack“ von der FPÖ wissen:
Eine Antwort blieb wie eingangs erwähnt aus. So muss angenommen werden, dass die FPÖ offenbar die Vertragsfreiheit von Banken ändern will – ein erstaunlicher Ansatz für eine wirtschaftsliberale Partei, die um konservative Wähler buhlt.
Außer Sellners Fall, der auf seinen Kanälen seit Jahren lautstark gegen Kontoschließungen trommelt, ist das von ihm bekrittelte “De-Banking” ein Kampfthema in der weit rechts stehenden Medienblase. So betrafen gewerbliche Kontokündiungen noch die Plattform AUF1, die der Verfassungsschutz rechtsextrem nennt, oder das von Identitären betriebene Medium “Heimatkurier”.(zackzack.at)
FPÖ-Vilimsky als Türöffner der Klimaleugner
In einer kurzen Würdigung der bemerkenswerten Lebensstationen und Kontakte des EU-Abgeordneten Harald Vilimsky vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni hat „Stoppt die Rechten“ auch auf seine seltsame Beziehung zum „Heartland Institute“, einer libertären Lobby-Organisation der Klima-Leugner, hingewiesen.
Wir konnten uns damals nicht so wirklich einen Reim darauf machen, wofür das Heartland Institute ausgerechnet Harald Vilimsky brauchen könnte. Der „Standard“ (20.9.24) hat sich in einer Recherche der Lösung dieser offenen Frage angenommen: „Recherchen des STANDARD belegen, wie eng die FPÖ mit dem berüchtigten Heartland Institute verbandelt ist. Die US-Organisation beeinflusst Politik im Sinne der Ölkonzerne“, und Vilimsky spielt den Türöffner. Der Präsident von Heartland ist jedenfalls von Vilimsky und dessen FPÖ-Kollegen Roman Haider ganz begeistert:
Taylor schildert, wie die beiden FPÖ-Mandatare ihn mit anderen EU-Abgeordneten vernetzten, Vier-Augen-Gespräche zwischen ihm und den Mandataren organisierten. Es sei vor allem darum gegangen, die Ungarn auf FPÖ-Linie zu bringen, dazu hätten die Blauen auch dafür gesorgt, dass ungarische Journalisten bei seinem Vortrag anwesend waren. Nachsatz: „Es war eine ganz tolle Zeit.” (derstandard.at)
Wofür genau „mein Freund Harald“ (Taylor) Heartland im Europäischen Parlament die Tür geöffnet hat, ist in der Recherche nachzulesen: „Mein Freund Harald”: FPÖ ebnete Klimaleugner-Lobby den Weg ins EU-Parlament
Graz: FPÖ, Steirischer Herbst und Wiederbetätigung
Die ausgewiesenen Kenner der NS-Wiederbetätigung bzw. ihrer strafrechtlichen Bestimmungen, die Experten von der FPÖ, waren zutiefst entsetzt, als sie mit dem in der Grazer Altstadt aufgestellten Großplakats des japanischen Künstlers Yoshinori Niwa konfrontiert wurden. Der hatte das Plakat, ein Unikat, für den „Steirischen Herbst“ angefertigt.
Das Plakat wirkt – gerade jetzt in Zeiten des Wahlkampfs – wie eine Botschaft einer Partei: „Jedem das Unsere” steht darauf – ähnlich dem Zitat „Jedem das Seine”, das mit der NS-Zeit in Verbindung steht. Im (sic!) einem Eck des Plakats prangt das Logo einer fiktiven Partei, der EPÖ, „Ehrlichste Partei Österreichs”. Der Spitzenkandidat trägt den Namen Dr. Paul Steinapfel, die überwiegend verwendete Farbe ist Blau. (derstandard.at, 18.9.24)
Ein anonymer „besorgter“ Bürger hat in dem Slogan „Jedem das Unsere“ die Ähnlichkeit mit der zynischen KZ-Inschrift von Buchenwald erkannt und die Grazer Polizei alarmiert, die – anders als bei den zahlreichen Nazi-Sprüchen und ‑Symbolen während der Pandemie („Impfung macht frei“, Davidstern mit „Ungeimpft“ usw.) – bei der Kunstaktion sofort total sensibilisiert war und im Kunstwerk-Plakat den Verdacht der NS-Wiederbetätigung gerechtfertigt sah. Weil das Plakat nicht so einfach zu entfernen war, wurde es von der Polizei verhüllt – passenderweise mit blauer Folie.
Der blaue Kultursprecher und Bundesheeroffizier Marco Triller trat auf den Plan und zeigte sich „brüskiert“ über das Plakat. Der auch mathematisch hochbegabte Kultursprecher rechnete vor, dass „über drei Millionen Euro Steuergeld pro Jahr für solche Plakate“ (Kleine Zeitung, 18.9.24 ) verschleudert würden. Die drei Millionen sind zwar die Fördersumme für insgesamt 400 Events des „Steirischen Herbst“, aber so genau wollte es die FPÖ ja ohnehin nicht wissen, sondern eine Subventionskürzung nach ihrer Schnellrechnung einfordern.
Die Grazer Polizei musste nach einer schnellen Prüfung durch die Grazer Staatsanwaltschaft zurückrudern und das Plakat von der blauen Plane befreien. Der Jurist Christian Bezemek vom Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Uni Graz lieferte für die „Kleine Zeitung“ (18.9.24) eine Kurz-Expertise, der nichts hinzuzufügen ist:
„Das Sujet spielt zwar offenbar auf eine wahlwerbende Partei und deren Ideologie an – ist aber stark überzeichnet, satirisch und weist kritisch auf die Thematik, die für den Urheber eine Problematik ist, hin“. Daher sei es für ihn ein „politisch-künstlerischer Diskurs, der als freie Meinungsäußerung gilt“. In diesem Zusammenhang sei die „offenkundige Intention keine Wiederbetätigung, sondern eine warnende Überzeichnung“. Das sei im Grunde das Gegenteil von Wiederbetätigung.
FPÖ Wien: Ein Hetzer meldet sich zurück
Der von „Stoppt die Rechten“ noch unter seinem Geburtsnamen beschriebene Leo Gabriel Kohlbauer will als verheirateter Leo Lugner seinen Vorzugsstimmenwahlkampf für die NR-Wahl mit der von ihm bekannten rassistischen Hetze insbesondere gegen afrikanische Menschen etwas anfeuern und so für Öffentlichkeit sorgen.
In einem TikTok-Video hetzt er aktuell mit dem Spruch „Ein illegaler Afrikaner ist mehr wert als Du“ und bezeichnet das für den von Wiener Polizisten zu Tode gebrachten Marcus Omofuma errichtete Denkmal als „Schandmal“, das ebenso illegal sei wie der getötete Asylwerber Omofuma. Der Gedenkstein, der am Platz der Menschenrechte steht, wurde 2023 unter Denkmalschutz gestellt.
In einem Porträt, das ihm „profil“ (11.9.24) unter dem Titel „Das knallrechte Weltbild des Leo Lugner“ widmet, wird von einem „recht nuancenarmen Weltbild“ berichtet und dabei auch ein Vorfall aus dem 2020 geschildert:
Leo (damals noch) Kohlbauer erregte Aufsehen, als er 2020 in seinem Bezirk Regenbogenfahnen in einen Mistkübel donnerte, sich bei diesem Akt der Verachtung filmen ließ und den Clip in den sozialen Medien postete. Auch heute sagt er zu dieser Aktion: „Recht so! Wenn ich das Wort queer höre, kriege ich alle Zustände.