Dass einer wie Vilimsky, der fast sein ganzes Leben bisher in irgendwelchen Schubladen der FPÖ verbracht hat – als Pressereferent, Landesparteisekretär, Bundesrat, Nationalratsabgeordneter, Generalsekretär und schließlich EU-Parlamentarier –, sogar einen Taser-Test dafür in Kauf genommen hat, dass so einer wenig Distanz zu seiner Partei, aber auch zu seiner eigenen Geschichte hat, ist vielleicht nicht verwunderlich. Wäre Vilimsky in einer anderen Partei zuhause, würden ihn aber die FPÖler ziemlich sicher als Apparatschik und Systempolitiker beschimpfen.
So aber darf der Vilimsky in einem Gespräch mit Maximilian Krah behaupten, dass die FPÖ schon „seit sechs Jahrzehnten“ einen stringenten Kurs fahre: „Die Stringenz ist immer schon gegeben bei uns.“ (Deutschland Kurier, 24.3.23) Abgesehen davon, dass der blauen Stringenz fast alle der gar nicht so wenigen FPÖ-Parteichefs zum Opfer gefallen sind, stimmt das sogar: Das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft ist wieder bzw. noch immer Teil des FPÖ-Parteiprogramms.
Fritz, Franz und die deutsche Volksgemeinschaft
Das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft hat auch den jungen Harald erbeben lassen: „Erheben wir die Häupter, um die Sonne des Deutschtums in altem hellem Licht wieder erstrahlen zu lassen”, schrieb er Anfang der 1990er im „Völkerfreund“, dem Periodikum der rechtsextremen bzw. neonazistischen, mittlerweile längst verblichenen „Gesellschaft der Völkerfreunde“, deren Chef ein gewisser Herbert Fritz war. Der war zuletzt wegen seiner Inhaftierung bei den Taliban in Afghanistan von Neonazis und anderen Rechtsextremen beweint worden.
Erheben wir die Häupter, um die Sonne des Deutschtums in altem hellem Licht wieder erstrahlen zu lassen. (Harald Vilimsky)
Seine schwulstige Hymne an das Deutschtum hat Vilimsky später damit erklärt, dass er damals eben ein „Suchender“ (diepresse.com, 9.1.14) gewesen sei. Fritz, der Chef der „Völkerfreunde“ von damals, ist allerdings in der Freundschaftsliste seines persönlichen Facebook-Kontos hängengeblieben.
Der Franz war nur indirekt ein Freund. Als Harald Vilimsky 2015 auf seiner FB-Seite um Unterstützung für seine fremdenfeindliche Politik warb, erhielt er ein Like von Frank Franz. Wer das ist? Der Chef der neonazistischen NPD in Deutschland, die sich jetzt als Partei „Die Heimat“ tarnt. Gut, für diesen Zuspruch kann Vilimsky nur indirekt verantwortlich gemacht werden, aber Zufall ist das dennoch nicht.
Die Stringenz in Person
2008 bejubelten der damalige FPÖ-Chef Strache und sein Generalsekretär Vilimsky in einer bemerkenswerten Presseaussendung den damaligen venezolanischen Staatschef Hugo Chavez als mutigen, unkonventionellen und erfolgreichen Politiker, „der dem US-Imperialismus wacker trotze und für die ärmeren Schichten ein wahrer Hoffnungsträger sei“.
Einige Jahre später klang das ganz anders: „Wenn Sozialisten morden, stößt das auf überraschend wenig Interesse hierzulande: 8200 außergerichtliche Exekutionen in Venezuela — jenem Land, das SJ-Chefin Julia Herr schon mal als ‚Vorbild‘ bezeichnet hat.“ (Vilimsky Facebook, 21.9.18)
Höcke würde es bei uns nicht mehr geben, der wäre längst ausgeschlossen. (Harald Vilimsky 2017)
Auch im Umgang mit den rechtsextremen Brüdern von der AfD bewies Vilimsky jenes Ausmaß an Stringenz, das ihm und seinesgleichen von der FPÖ eigen ist. Als 2017 AFD-Rechtsausleger Björn Höcke einmal mehr seine Nähe zum Nationalsozialismus öffentlich demonstriert und das Berliner Holocaust-Denkmal als „Denkmal der Schande“ apostrophiert, erklärt Vilimsky im „Kurier“ (20.1.17, S. 5): „Höcke würde es bei uns nicht mehr geben, der wäre längst ausgeschlossen.“
Nur wenige Monate zuvor hatte Vilimsky noch einträchtig neben Höcke für ein Foto posiert. Mittlerweile ist die rechtsextreme Position Höckes quasi offizielle Parteilinie der AfD, der gerichtlich attestiert wurde, dass sie ein rechtsextremer Verdachtsfall ist, Höcke ist in erster Instanz wegen einer Nazi-Losung verurteilt – und Vilimsky? Nein, er schweigt nicht, sondern fordert „eine möglichst starke AfD“ (Vilimsky Facebook, 30.10.23). Stringent eben!
Vilimskys rechtsextreme Kumpel von AfD und Identitären
Höcke ist übrigens nicht in seiner Facebook-Freundschaftsliste. Dafür aber Höckes früherer Kumpel, Andre Poggenburg, der 2019 aus der AfD ausgetreten ist. Aber nicht, weil ihm die AfD zu rechts geworden wäre, sondern weil sie ihm zu wenig rechts war. Bei Vilimsky hat er nach wie vor ein Platzerl in der Freundschaftsliste. So wie Petr Bystron, der Putin-Freund, gegen den wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche ermittelt wird. Auch Markus Frohnmaier, ein weiterer Putin-Freund und AfD- Mandatar vom rechten Rand, ist gerne gelitten bei Harald. Schließlich Maximilian Krah, dessentwegen der „Rassemblement National“ von Marine Le Pen sogar Mitgliedschaft in der gemeinsamen Fraktion im Europäischen Parlament (EP) aufkündigte.
Danke, Maximilian Krah, für den Besuch in Wien! (Harald Vilimsky 2024)
Bei Vilimsky hat Putin-Freund Krah einen Stein im Brett. Als „stets interessanten Gesprächspartner“ (Video Deutschland Kurier, 24.3.23) bejubelte Vilimsky Krah im Vorjahr, worauf ihm dieser mit der Anrede „wunderbarer Kollege“ (ebd.) zurückschmeichelte. Als EP-Spitzenkandidat Krah dann im Februar 2024 bei der FPÖ-Veranstaltung mit dem bezeichnenden Titel „EU reformieren, reduzieren oder raus“ gemeinsam mit Vilimsky diskutierte, bedankte sich Vilimsky auf Facebook: „Danke, Maximilian Krah, für den Besuch in Wien!“ (Vilimsky Facebook, 16.2.24)
Als Krahs Aussagen über die SS publik wurden, beeilte sich Vilimsky, sich in einem Puls 24-Interview von Krah wieder zu distanzieren: „Die Aussagen Krahs seien ‚absolut zu verurteilen und nicht nachzuvollziehen‘ und ‚indiskutabel‘.“ (puls24.at, 22.5.24; Hervorhebungen im Original) Vilimsky betonte, mit der AfD weiter kooperieren zu wollen. Inzwischen ist Feuer am Dach der AfD und der rechtsextremen EP-Fraktion ID ausgebrochen – Vilimsky wird auch zum noch ungewissen Ausgang eine situationselastische Erklärung finden.
Nur wenige Wochen zuvor trat Krah bei der „Österreichischen Landsmannschaft“ (ÖLM) in Wien gemeinsam mit Götz Kubitschek auf – ein Ersatztermin für die krankheitsbedingt abgesagte Veranstaltung bei der identitären Tarngruppe „Die Österreicher“ im Dezember des Vorjahres. Krah, wie Martin Sellner ein Deportationsexperte, hatte eigentlich ein Verbot der Zusammenarbeit seiner Partei mit den Identitären zu beachten. Für sich löste er das Problem so, indem er behauptete, die Identitären seien seines Wissens nach in Österreich aufgelöst – was bekanntermaßen falsch ist. Vilimsky löste das FPÖ-Verbot gemeinsamer Aktionen bereits 2019 ähnlich. Auf die Frage des damaligen EP-Spitzenkandidaten Othmar Karas, „Können Sie ausschließen, dass ein Mitarbeiter in ihrem Umkreis oder im Wahlkampf ein Identitärer ist bzw. Sympathien hegt?“, antwortete Vilimsky bauernschlau: „Wenn ich draufkomme, werde ich es verhindern. Aktuell weiß ich nichts davon.“ (kurier.at, 7.4.19)
Die Frage galt nur seinen Mitarbeitern! Auf Facebook ist Vilimsky mit Thomas Sellner (und weiteren Identitären) befreundet. Martin Sellners Bruder war nicht nur der Identitären-Chef für Niederösterreich, sondern auch in der Leitung des Dachvereins. Vilimsky wird auch jetzt irgendein Spruch einfallen, warum so viele eindeutig Rechtsextreme mit ihm befreundet sind. Wie wär’s damit? „Wenn ich draufkomme, werde ich es verhindern. Aktuell weiß ich nichts davon.“
Noch eine seltsame Beziehung: das Heartland-Institut
Was aber ist mit Vilimskys Beziehungen zum Heartland-Institut? Auf der Website des EP müssen die Abgeordneten aus Transparenzgründen Treffen mit Delegationen von Drittstaaten angeben. Bei Vilimsky ist da nicht viel zu finden. Magere sechs Meetings sind es, davon aber gleich zwei mit dem Heartland-Institut, das nicht nur eine libertäre Denkfabrik, die von einigen Megakonzernen finanziert wird, ist, sondern auch eine sehr einflussreiche Lobby-Organisation für Tabak- und Erdölprodukte sowie in der Vergangenheit für das hochgiftige und gefährliche Insektizid DDT.
Wikipedia merkt dazu an, dass sich die Organisation dem Abbau von Umwelt‑, Klimaschutz- und Gesundheitsvorschriften verschrieben habe und in den letzten Jahren neben der Leugnung der Klimakrise zunehmend auch in Verschwörungserzählungen aktiv sei. Die Recherche-Plattform „correctiv“ und das ZDF-Magazin „Frontal“ haben sich 2020 sehr intensiv mit dem Heartland-Institut und seinen Ablegern in Europa beschäftigt. Was hat Vilimsky mit der Heartland-Lobby besprochen? Auf Harald Vilimskys Social-Media-Kanälen ist dazu nichts zu finden. Seltsam!