Graz: Hitler-Darsteller freigesprochen
Feldkirch/V: 18-Jähriger wegen etlicher Verstöße gegen des Verbotsgesetz verurteilt
Klosterneuburg-Korneuburg/NÖ: Diversion für Hakenkreuz-Tattoos
Innsbruck: „Heil Hitler“-Rufe gegen Israel
Gerlos/T: Anzeige wegen „Heil Hitler“ und Widerstand gegen die Staatsgewalt
Linz: Alle Jahre wieder der Burschenbundball und Stelzers Ehrenschutz
Texingtal/NÖ: Keine Aufarbeitung im Dollfuß-Museum
Graz: Hitler-Darsteller freigesprochen
Der Ende November vertagte Prozess gegen einen Familienvater, der von seiner Ex-Frau angezeigt wurde, weil er als Hitler für die Familie performt haben soll, endete nun, am 17.1., in einem Freispruch. Von einem erbitterten Pflegschaftsstreit zeugten vor Gericht nicht nur die Einvernahmen von Zeug*innen, sondern auch psychiatrische Gutachten sowohl des Angeklagten als auch von dessen Ex-Partnerin, worin beiden Persönlichkeitsstörungen mit narzisstischen Anteilen attestiert wurden. Ans Licht kamen zudem eine Nähe der Frau zur Staatsverweigerer-Szene und außerdem Vorwürfe ihrerseits, die den Mann als rechtsextrem bis braun darstellten: So soll er von einer Fürstenfelderin, die bei der FPÖ sei, NS-Propagandaliteratur bekommen und nachhause gebracht haben. Außerdem soll der Mann, dessen Talent für Stand-Up-Performances betont wurde, auch vor der Fürstenfelder FPÖ einen Teil der „Blitzkriegrede“ von Hitler aufgeführt haben. Diese Vorwürfe der Belastungszeugin reichten nicht für eine Verurteilung: Die Geschworenen sprachen den Mann bezüglich Verbotsgesetz – und außerdem bezüglich gefährlicher Drohung – frei.
Danke prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Feldkirch/V: 18-Jähriger wegen etlicher Verstöße gegen des Verbotsgesetz verurteilt
Am 19.1. wurde ein erst 18-Jähriger am Landesgericht Feldkirch wegen Wiederbetätigung zu einer bedingten Haftstrafe von fünf Monaten verurteilt. Der junge Mann hatte über einen längeren Zeitraum NS-verherrlichende Inhalte via Social Media verbreitet. Bei einer Hausdurchsuchung wurde NS-Devotionalien gefunden, darunter eine Ausgabe von „Mein Kampf“, zudem wurden auf beschlagnahmten Geräten Fotos vom Angeklagten und seinen Neonazikameraden beim Hitler-Gruß-Zeigen entdeckt.
Insgesamt umfassten die beiden Anklageschriften der Staatsanwaltschaft 23 Punkte. Die Fragestellung an die Geschworenen war derart lang, dass sich zwei der Richter des Schwurgerichtshofes bei der Verlesung abwechseln mussten. (orf.at, 19.1.24)
Der Angeklagte war bereits im Vorjahr zu einer Haftstrafe wegen Brandstiftung verurteilt worden. Seither soll er sich aber vom Neonazi-Umfeld distanziert haben, so der Verteidiger. Hinsichtlich der Anklage bekannte er sich für schuldig und wurde auch in allen 23 Punkten schuldig gesprochen: Fünf Monate bedingte Haft mit dreijähriger Bewährungszeit. Das Urteil ist rechtskräftig.
Erwähnenswert: Durch die erst kürzlich erfolgte Änderung des Verbotsgesetzes mit der Halbierung des Strafmaßes (Mindeststrafe sechs Monate, zuvor war es ein Jahr) wurde die Strafandrohung aus der Anklageschrift reduziert.
Klosterneuburg-Korneuburg/NÖ: Diversion für Hakenkreuz-Tattoos
Ein 54-jähriger Slowake musste vor einem Schwurgericht in Korneuburg antreten, weil er in einem Supermarkt in Klosterneuburg zwei Hakenkreuz-Tattoos zur Schau gestellt hatte. Der Mann erklärte, er habe die Tattoos vor 35 Jahren als Protest gegen das kommunistische Regime anfertigen lassen. Vor Gericht zeigte er sich reumütig und gab an, die Tattoos bereits überstochen zu haben, was durch die noch heilenden Krusten bestätigt wurde.
Auch er profitierte von der Novelle des Verbostgesetzes und erhielt vom Richter*innensenat eine Diversion mit einer verpflichtenden Zahlung von 800 Euro. „Die juristische Premiere war für den 54-Jährigen eine gute Sache, der so einer Vorstrafe entging. Für die acht Geschworenen und die vier Ersatzleute war es eine eher unbefriedigende Veranstaltung, da sie letztlich für die Entscheidungsfindung nicht benötigt wurden.” (NÖN, 31.1.24 S. 11)
Innsbruck: „Heil Hitler“-Rufe gegen Israel
Bei einer Veranstaltung im Innsbrucker Kulturzentrum Treibhaus, die den Überfall der Hamas auf Israel thematisierte, machte eine Frau aus dem Publikum mehrmals den Hitlergruß und schrie mindestens einmal „Heil Hitler“. Veranstaltet wurde der Abend vom „Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus in Tirol“, es referierten zwei Historiker. Gegen die Frau wurde Anzeige erstattet. Laut Stellungnahme eines der Referenten war die Intention der antisemitischen Störung, Israel mit dem NS gleichzusetzen und nicht NS-Wiederbetätigung. Zu einer Verurteilung nach dem Verbotsgesetz kann das freilich trotzdem führen. (Quelle: orf.at, 18.1.24)
Gerlos/T: Anzeige wegen „Heil Hitler“ und Widerstand gegen die Staatsgewalt
Ein 20-jähriger Deutscher wurde vor einem Après-Ski-Lokal aggressiv und schrie die wegen ihm eingetroffenen Polizeibeamt*innen u.a. mit „Heil Hitler“ an, zudem attackierte er einen Polizisten und widersetzte sich der Festnahme. Er wurde auf freiem Fuß wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und nach dem Verbotsgesetz angezeigt. (Quelle: Tiroler Tageszeitung, 20.1.24, S. 5)
Linz: Alle Jahre wieder der Burschenbundball und Stelzers Ehrenschutz
Das Bündnis „Linz gegen Rechts“ mobilisiert für den 3. Februar zu einer Demo gegen den jährlich im Linzer Palais des Kaufmännischen Vereins stattfindenden Burschenbundball. Veranstaltet wird das Fest von der deutschnationalen und rechtsextremen Burschenschaft Arminia Czernowitz. Besonders in der Kritik steht allerdings Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der nicht nur mir der rechtsextremen FPÖ koaliert, sondern auch seit Jahren den „Ehrenschutz“ für das deutschnationale Tanzevent übernimmt – und das wird auch heuer so bleiben, wie Stelzer auf Anfrage des „Kurier“ (15.01.24) wissen ließ. Das widerspricht dem erst im letzten Herbst mit den Stimmen der ÖVP verabschiedeten „Aktionsplan gegen Extremismus”, in dem die Ballveranstalter als rechtsextrem eingestuft werden.
Am 15.1. organisierte das Bündnis „Linz gegen Rechts“ daher eine Protestaktion vor dem Heinrich Gleißner Haus, der Landesparteizentrale der ÖVP Oberösterreich. Nach der Demo am 3. Februar findet als Gegengewicht zum Burschenbundball und zur rechten Normalität in Oberösterreich der „Wurst vom Hund“-Ball für Vielfalt und Gleichberechtigung in der Linzer Stadtwerkstadt statt.
Texingtal/NÖ: Keine Aufarbeitung im Dollfuß-Museum
Innenminister Karner (ÖVP) war mit seinem Amtsantritt (Dezember 2021) heftig in Kritik geraten, weil er als Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Texingtal ein „Dollfuß-Museum“ betrieben hatte, bei dem es sich um eine Huldigungsstätte für den austrofaschistischen Diktator handelte. Im Mai 2022 wurde der Verein „MERKwürdig. Zeithistorisches Zentrum Melk“ mit einer Neukonzeption für das Museum bzw. dessen Exponate beauftragt. Geplant war eine „konstruktive Auflösung“ bis 2028, wobei eine kritische und öffentliche Aufarbeitung der Exponate stattfinden sollte:
Die Ausstellungsstücke sollten vor ihrer Entfernung quellenkritisch analysiert und erforscht werden, bevor sie an Partnerinstitutionen weitergereicht werden. Geplant war ein Prozess gemeinsam mit Bewohnern der Region sowie Personen aus dem künstlerischen und wissenschaftlichen Umfeld. (derstandard.at, 16.1.24)
Dieser Plan wurde nun vereitelt: Am 19.1., ließ Bürgermeister Günther Pfeiffer (ÖVP) die Ausstellung bis auf wenige Objekte räumen und den Landessammlungen Niederösterreich treuhändisch übergeben. Der MERKwürdig-Projektleiter Alexander Hauer bedauerte in einer Aussendung, „dass damit die geplante und notwendige öffentlichkeitsbeteiligte Geschichtsaufarbeitung nicht mehr stattfinden kann“ (derstandard.at, 19.01.24).
Vorangegangen war dem Stopp des Projekts ein Brief von mehreren Leihgeber*innen, die die Gemeinde aufforderten, die von ihnen zur Verfügung gestellten Objekten an das Land NÖ zu übergeben. Laut dem Verein MERKwürdig sei das Schreiben von Verwandten von Dollfuß bzw. von ihm nahestehenden Institutionen unterzeichnet worden. Der Wiener Zeithistoriker Florian Wenninger zieht auf X ein bitteres Resümee: „Alles andere wäre ja auch eine Überraschung gewesen: auf den letzten Metern versucht die Dollfuß-Adorantengemeinde (darunter der NÖ Bauernbund) die konstruktiven Entrümpelung des ‚Museums‘ zu Ehren ihres Idols zu torpedieren.”