Die meisten der großen Player unter den digitalen Plattformen (YouTube, Facebook, Instagram und X) haben Sellner bereits vor etwa drei Jahren gecancelt. Nun löschte auch der schwedische Streamingdienst Spotify das Produkt des rechtsextremen Influencers. Eine Spotify-Sprecherin erklärte auf Anfrage des STANDARD: „Unsere Plattformregeln besagen eindeutig, dass wir keine Inhalte zulassen, die Terrorismus oder gewalttätigen Extremismus fördern oder unterstützen. Nach Überprüfung wurde dieser Inhalt entfernt.” (derstandard.at, 20.01.24) Folglich bleibt unter den großen Firmennamen nur noch Apple; dort kann das Sellnersche Propagandaprogramm bis dato weiterhin konsumiert werden.
Das umfassende Deplatforming ändert nichts daran, dass Sellner in der rechtsextremen Szene ernst genommen und hofiert wird, wie etwa seine zentrale Rolle als Referent eines „Masterplans“ für Massendeportationen bei einem Treffen neofaschistischer Aktivisten und AfD-Politiker in der Nähe von Potsdam zeigte, das vom Recherchenetzwerk „Correctiv“ aufgedeckt wurde.
Sellner-Folge bei der rechtsextremen Kooperation „Lagebesprechung“
Spotify hat Sellner allerdings nicht ganz gelöscht: Es finden sich weiterhin Podcast-Folgen mit ihm in unterschiedlichen rechtsextremen Kanälen. Darunter ist etwa eine Folge des „Kanal Schnellroda“ von Götz Kubitschek, wo Sellner zusammen mit Kubitschek über einen „Regime Change von rechts“ spricht. Außerdem gibt es eine Folge des „Heimatkurier Podcast“, der von dem identitären Aktivisten Philip Huemer betrieben wird, Titel: „Widerstandsjahr 2024“. Und auch das verschwörungsideologische Desinformationsmedium „AUF1“, deren Chef Stefan Magnet sich erst vor kurzem von seiner braunen Seite gezeigt hat, bietet via Spotify eine Sellner-Sendung. Deren Titel bedient bereits die larmoyante Opferpose, in der sich der Aktivist so gerne gibt: „Martin Sellner: Digitale Vernichtung wird an mir vorgezeigt, treffen wird es alle“. Auch eine Folge des Formats „Lagebesprechung“ mit dem Titel „Widerständig bleiben – Gespräch mit Martin Sellner“ findet sich noch bei dem Streamingdienst.
Bei dem Format handelt es sich um eine Kooperation von „Sezession“, „Verlag Antaios“, „EinProzent“ und „Freilich“. Die ersten drei schätzt der deutsche Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bestrebungen ein (1). Und „Freilich“ würde wohl dieselbe Einschätzung treffen, wäre es nicht österreichisch: nämlich das Aula-Nachfolgemagazin, das seit 2018 alle zwei Monate erscheint und zu einem publizistischen Sammelbecken von „neurechten“ Aktivisten (fast nur Männer) und FPÖ sowie AfD wurde. „Freilich“ verlinkt inzwischen nicht mehr zu dem Podcast-Format. Auf der Website der Partnerorganisation „EinProzent“ wird das Magazin allerdings noch als beteiligt geführt:
Wurde es „Freilich“ zu heiß, offen mit Sellner zu kooperieren? Ideologisch würde das kaum Sinn machen, da reicht ein Blick auf die regelmäßigen Wortspender im Heft.
Zunehmender Druck
Dass es sogar noch heißer um Sellner wird, ist absehbar. Einem Medienbericht zufolge, wird auch erwogen, dem Neofaschisten die Einreise nach Deutschland künftig zu verbieten:
Nach Informationen von t‑online gibt es nun im Bundesinnenministerium (BMI) Überlegungen, gegen Sellner eine Einreisesperre zu verhängen. Obwohl EU-Bürger, dürfte er dann zumindest befristet nicht mehr für Vorträge und Treffen nach Deutschland kommen. Großbritannien und die USA haben gegen ihn bereits einen entsprechenden Bann erlassen. Die Idee ist aber umstritten. (t‑online.de, 22.01.24)
Die rechlichen Hürden für eine solche Einreisesperre sind zwar hoch, aber die Konsequenzen für Sellners Propagandashow wären potenziell gravierend, schließlich befindet sich der größere Teil seines Netzwerks in Deutschland.
Fußnoten:
1 Das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) gilt seit April 2023 als „gesichert rechtsextrem“, der Verlag „Antaios“ und das Magazin „Sezession“ gehören allerdings zum selben Haus: Alle drei befinden sich an derselben Adresse in Schnellroda, Sachsen, und alle werden von Götz Kubtischek geleitet.