Wochenschau KW 43/22 (Teil 1)

Wie jahre­lange Het­zkam­pag­nen wirken, hat sich in der let­zten Woche in den USA gezeigt, als ein recht­sex­tremer Ver­schwörungsan­hänger ins Haus von Nan­cy Pelosi einge­drun­gen ist und deren Mann mit einem Ham­mer schw­er ver­let­zt hat. Dazu passen drei Beispiele aus den let­zten Tagen von dehu­man­isieren­der Sprache: aus der FPÖ, von Fer­di­nand Wegschei­der und von Friedrich Merz.

Kla­gen­furt: Braune Nachricht­en mit Bundesheer-Kumpel
Wien: U‑Bahn-Pas­sagi­er bespuckt und bedroht
Wieder ein­mal ATV!
St. Geor­gen im Attergau/OÖ: Gekaperte Demo
Kla­gen­furt: Stolz­er SS-Vet­er­an Her­bert Bellschan-Milden­burg tot
USA: Nan­cy Pelosi im Visi­er von Rechtsextremen
Dehu­man­isieren als recht(sextrem)e Strategie

Kla­gen­furt: Braune Nachricht­en mit Bundesheer-Kumpel

Aufge­flo­gen war der 50-jährige Kärnt­ner nur deshalb, weil bei einem Bur­gen­län­der, ein Kumpel aus Bun­desheer-Zeit­en, mit dem er braune Chat­nachricht­en aus­ge­tauscht hat­te, eine Anzeige wegen des Besitzes von Wein­flaschen mit Nazi-Etiket­ten dahergekom­men war. „‚Wir haben kaum noch Kon­takt’, schildert der 50-Jährige. Der Fre­und aus dem Bur­gen­land, bei dem 130 Nazi-Nachricht­en sichergestellt wur­den, erhielt bere­its eine ein­jährige bed­ingte Frei­heitsstrafe.“ (krone.at, 24.10.22) Auch der Kärnt­ner ern­tete einen Schuld­spruch und die Min­dest­strafe über zwölf Monate bed­ingt – nicht rechtskräftig.

Wien: U‑Bahn-Pas­sagi­er bespuckt und bedroht

Ein Wiener, der am Nation­alfeiertag in der U‑Bahn unter­wegs war, wurde Opfer eines üblen Angriffs. Der Aus­lös­er: Er trug eine Maske, zumal er zur Gruppe der Hochrisikopatient*innen zählt. I. G. schildert den Vor­fall gegenüber „heute“ so: „Ich war ger­ade am Rück­weg von meinem kranken Vater, da set­zte er sich zu mir und fragte nach mein­er auf­fäl­li­gen Maske. Als ich es ihm erk­lärte, brüllte er los und nan­nte mich einen Krüppel.“

Es fol­gten, auch nach­dem der Zugführer geholt wurde, der es offen­bar vor­zog, nicht einzuschre­it­en, weit­ere Beschimp­fun­gen und Bespuck­un­gen. „Obwohl ich mich wegge­set­zt habe kam er dann zu mir vor dem Aussteigen, hat mir den Fluchtweg versper­rt & sich zu mir niederge­beugt mich weit­er her­abgewürdigt und aus näch­ster Nähe ange­spuckt. Das war NACH meinem Hil­fer­uf an @wienerlinien“, schildert G. auf Twit­ter. Er hat den Vor­fall aufgenom­men und Anzeige erstattet.

Zu ein­er Diskus­sion kam es, weil der Täter eine (alte?) Bun­desheer-Uni­form trug. Schließlich stellte sich her­aus, dass der, nach G. „ein­schlägig amts­bekan­nte“ Täter Ange­höriger des wehrpoli­tis­chen Vere­ins „Deutschmeis­ter Schützenko­rps“ ist bzw. war: Er wurde laut einem Vor­standsmit­glied ausgeschlossen.

St. Geor­gen im Attergau/OÖ: Gekaperte Demo

Das Desaster war vorherse­hbar: Alle im St. Geor­gen­er Gemein­der­at vertrete­nen Parteien (ÖVP, Grüne, FPÖ, SPÖ) hat­ten für den Nation­alfeiertag zu ein­er Protestkundge­bung gegen die Auf­stel­lung von Zel­ten für Geflüchtete aufgerufen. Bere­its eine Woche zuvor began­nen Recht­sex­treme, allen voran die Iden­titären, für die Teil­nahme an der Kundge­bung mobil­isieren, ohne dass die Gemein­de­führung darauf effizient reagierte. Die Ver­samm­lung vor dem Rathaus geri­et daher zu ein­er von Recht­sex­tremen geprägten, ras­sis­tisch motivierten Kundge­bung, bei der zuerst der ÖVP-Bürg­er­meis­ter die hohle Phrase, gegen jeden Extrem­is­mus, egal von welch­er Seite, zu sein, vom Stapel ließ. Es fol­gten Reden weit­er­er Parteien­vertreter, wonach der Grüne Gemein­der­at von der Ver­anstal­tung mit Polizeiesko­rte ver­schwinden musste. Der Rest der poli­tisch Ver­ant­wortlichen machte plangemäß von Recht­sex­tremen begleit­et einen Marsch durch die Ortschaft.

„Auf die Frage, wieso die Ver­anstal­tung dann trotz­dem von Recht­sex­tremen gekapert wer­den kon­nte, ent­geg­net der Bürg­er­meis­ter, dass er ‚auch kein Profi’ sei und nicht gewusst habe, wie man ‚in so ein­er Lage mit 1.000 Leuten umge­ht’. Jeden­falls wolle er nicht ‚in so eine Szene reingerückt wer­den’.” (derstandard.at, 27.10.22) Vielle­icht soll­ten er und der Rest der Gemein­de­v­ertreter, die nicht „in so eine Szene reingerückt” wer­den wollen, es kün­ftig unter­lassen, Kundge­bun­gen dieser Art zu ver­anstal­ten. So bleibt als Faz­it, dass sie sich zu poli­tis­chen Mar­i­onet­ten von Recht­sex­tremen gemacht haben.

Wieder ein­mal ATV!

Bei der ATV-Serie „Forsthaus Ram­p­en­sau“ ist eine Teil­nehmerin nach einem „Nazi-Sager“ aus­geschlossen wor­den. „ATV han­delte nach dieser ‚untrag­baren Aus­sage‘ und wirft in der näch­sten Woche die ‚Teenag­er wer­den Mütter‘-Teilnehmerin samt Part­ner Scott aus der Show.“ (krone.at, 28.10.22)

Erst im Juli fasste ein weit­er­er ATV-„Star“ aus der­sel­ben Teenag­er-Serie wegen Wieder­betä­ti­gung eine Verurteilung aus. Auch schon vor diesen bei­den Fällen sind Teil­nehmer aus ATV-Serien ein­schlägig aufgefallen.

Kla­gen­furt: Stolz­er SS-Vet­er­an Her­bert Bellschan-Milden­burg tot

Er war bei allen, die recht­sex­trem bzw. neon­azis­tisch blinken, ein gern gese­hen­er Gast: Her­bert Bellschan-Milden­burg, Jahrgang 1924, rück­te 1942 frei­willig in die Waf­fen-SS ein. „Seine Beförderung­surkunde zum SS-Unter­sturm­führer, aus­gestellt von Reichs­führer SS Hein­rich Himm­ler, besitzt Milden­burg noch heute im Orig­i­nal“, schrieb „Blick nach rechts“ 2005.

Zulet­zt wurde über Bellschans mehrma­lige Auftritte am recht­sex­tremen Ulrichs­bergtr­e­f­fen berichtet, als der Ulrichs­berg-Red­ner Stephan Tauschitz zum Chef des Kärnt­ner Ver­fas­sungss­chutzes ernan­nt und dann nach heftiger Kri­tik wieder abge­zo­gen wurde. Im Mai hat­te Bellschan noch an ein­er öffentlichen Ver­anstal­tung des „Kärnt­ner Abwehrkämpfer­bunds“ am Dom­platz in Klagenfurt/Celovec und laut einem Neon­azi-Kanal vor Kurzem auch noch bei einem erneuten Tre­f­fen am Fuß des Ulrichs­bergs teilgenom­men. Die braune Com­mu­ni­ty trauert um Bellschan, der laut Bekan­nt­gabe durch seine Frau und seine Tochter am 25. Okto­ber verstarb.

Neonazis trauern um Bellschan

Neon­azis trauern um Bellschan

Einige Tage früher ist der einst als Medi­en­in­hab­er und „Schriftleit­er“ von Pub­lika­tio­nen der neon­azis­tis­chen AfP geführte Her­minio Redon­do im Alter von 82 Jahren verblichen.

USA: Nan­cy Pelosi im Visi­er von Rechtsextremen

Wie Het­zkam­pag­nen wirken, ist in der let­zten Woche am Beispiel der Sprecherin des US-Repräsen­tan­ten­haus­es, Nan­cy Pelosi, sicht­bar gewor­den. Ein Recht­sex­trem­ist drang mit dem Ruf „Where is Nan­cy?“ in ihr Haus ein und schlug mit einem Ham­mer auf Pelo­sis Ehe­mann los, der dabei u.a. einen Schädel­bruch erlitt. Nan­cy Pelosi selb­st war während des Angriffs nicht anwe­send. Der Täter ist nun mit ein­er Anklage wegen Kör­per­ver­let­zung und ver­suchter Geisel­nahme kon­fron­tiert: Er hat­te „Kabel­binder, Seil und Kle­be­band bei sich gehabt, erk­lärte das US-Jus­tizmin­is­teri­um. Nach Angaben der Ermit­tler gab der Mann nach sein­er Fes­t­nahme an, er habe Nan­cy Pelosi als Geisel nehmen und mit ihr reden wollen.” (APA via derstandard.at, 31.10.22) Der Angreifer zeigte sich als Anhänger zahlre­ich­er Ver­schwörungsmythen, wie an seinem per­sön­lichen Blog zu sehen ist. Er äußerte sich dort anti­semi­tisch und ras­sis­tisch und schrieb auch über QAnon.

Der Blut­tat voraus­ge­gan­gen waren jahre­lange Kam­pag­nen gegen die Demokratin Pelosi, in denen sie zum Feind­bild stil­isiert wurde. Alleine im let­zten Jahr seien von den Repub­likan­ern Anzeigen um fast 37 Mil­lio­nen Dol­lar geschal­ten wor­den, die sich gegen Pelosi gerichtet hät­ten. 

Themen von Anzeigen durch Republikaner und Ausgabenhöhe (Grafik: Washington Post 29.10.22)

The­men von Anzeigen durch Repub­likan­er und Aus­gaben­höhe (Grafik: Wash­ing­ton Post 29.10.22)

Pelosi war eben­falls im Visi­er jen­er Recht­sex­trem­is­ten, die am 6. Jän­ner 2021 mit dem Ruf „Nan­cy, Nan­cy, where are you, Nancy?”gewalttätig ins Kapi­tol einge­drun­gen waren. Auch Don­ald Trump zählt zu dem Kreis, der „pausen­los gegen Nan­cy Pelosi het­zt (…). ‚Crazy Nan­cy‘ ist eine der Lieblingszielscheiben Trumps und sein­er Anhänger, ihr Haus wird regelmäßig in recht­en Medi­en abge­bildet.“ (sueddeutsche.de, 28.10.22)

Die Anzahl der Dro­hun­gen gegen Mit­glieder des US-Kon­gress­es sei in fünf Jahren nach der Wahl von Don­ald Trump zum Präsi­den­ten mas­siv angestiegen, führt die „New York Times“ an: The num­ber of record­ed threats against mem­bers of Con­gress increased more than ten­fold in the five years after Mr. Trump was elect­ed in 2016, accord­ing to fig­ures from the Capi­tol Police, the fed­er­al law enforce­ment depart­ment that pro­tects Con­gress, with more than 9,625 threats report­ed in 2021.”

Dehu­man­isieren als recht(sextrem)e Strate­gie 

Drei Beispiele aus den let­zten Tagen, wie Akteure von Rechts poli­tisch Ander­s­denk­ende sprach­lich dehu­man­isieren und sich damit eines Mit­tels des Nation­al­sozial­is­mus bedienen:

Der steirische FPÖ-Lan­desparteisekretär Ste­fan Her­mann meinte über einen Graz­er FPÖ-Bezirk­spoli­tik­er, der Mario Kunaseks Vorge­hen gegenüber den aus­geschlosse­nen Gemein­der­atsmit­gliedern hart kri­tisierte und daraufhin selb­st aus­geschlossen wurde: „Das näch­ste destruk­tive Ele­ment hat sich somit selb­st ent­fer­nt.“ (Kleine Zeitung, 28.10.22) 

Der Inten­dant von Servus TV, Fer­di­nand Wegschei­der, dif­famierte Journalist*innen, die sich über Diet­rich Mateschitz anlässlich dessen Todes kri­tisch geäußert hat­ten als „frus­tri­erte Schreiber­linge“ und: „In dieser Woche haben milde Tem­per­a­turen offen­bar dafür gesorgt, dass zahlre­iche Schmeißfliegen und ähn­lich­es Geti­er noch ein­mal aus ihren Löch­ern gekrochen sind und in der Herb­st­sonne ihren schädlichen Dreck abgeson­dert haben.“ (zit. nach derstandard.at, 30.10.22)

Der Kom­mu­nika­tion­swis­senschafter Fritz Haus­jell kom­men­tierte Wegschei­ders ver­balen Aus­fall auf Twit­ter mit: „Diese Art der Dehu­man­isierung von Kri­tik­ern sollte nach Pro­pa­gan­damin­is­ter Joseph Goebbels ein No-Go sein.“

Nicht ganz so klar, aber in dieselbe Rich­tung gehend, meinte der CDU-Chef Friedrich Merz die Ampel-Regierung damit kri­tisieren zu müssen, indem er twit­terte: „Das Muster der Respek­t­losigkeit zeigt sich bei der #Ampel schon lange. Regelmäßig ist die Regierungs­bank nicht mit Mit­gliedern der #Bun­desregierung beset­zt, son­dern mit namen­losen Gesichtern ein­er unüber­schaubaren Zahl von Par­la­men­tarischen Staatssekretären.“ Sven Lehmann, ein­er dieser dif­famierten Staatssekretäre, reagierte auf Twit­ter: „Doch, wir haben alle einen Namen. Und vertreten die Min­is­terin­nen und Min­is­ter im Par­la­ment. So will es das Gesetz. Und so war es auch unter CDU-geführten Regierun­gen. Respek­t­los ist einzig und allein dieser Tweet. Mal wieder.“

Tweet Merz und Reaktion Lehmann (30.10.22)

Tweet Merz und Reak­tion Lehmann (30.10.22)