FPÖ Tirol und Wels: Steuergeld mal so, mal anders
FPÖ Graz: Never ending Ausschlüsse
FPÖ Bund: Erfundene Hausdurchsuchung
FPÖ Tirol und Wels: Steuergeld mal so, mal anders
Die Tiroler FPÖ klagt nach heftigem Anfangsgetöse den Fußballklub „Werder Bremen“ aufgrund eines in blauen Augen ungehörigen Tweets nun doch nicht. Zwei von vier (!) spezialisierten Anwälten, die die Causa geprüft hätten, sollen der FPÖ keine guten Chancen eingeräumt haben, das Verfahren zu gewinnen.
Diese Prüfung durch ein Männer-Quartett hätte sich die FPÖ erspart, wäre sie gleich der kostenlosen und schnellen Einschätzung durch die renommierte Medienrechtsanwältin Maria Windhager gefolgt, die bereits im Juli via Standard gemeint hatte, „die Freiheitlichen wären schlecht beraten, würden sie Werder Bremen tatsächlich klagen. Denn: ‚Ich glaube, dass die FPÖ letztlich vor Gericht den Kürzeren ziehen würde.‘“ Aber das Säbelrasseln hat knapp drei Monate vor der Landtagswahl besser ins Konzept der FPÖ gepasst als den Werder-Tweet einfach nur hinzunehmen. Jetzt argumentiert der Tiroler FPÖ-Obmann Abwerzger damit, kein Verfahren riskieren zu wollen, denn das würde „eine Menge Geld kosten, ‚in dem Fall Steuergeld‘“ (derstandard.at).
Das Steuergeld scheint der Welser FPÖ-Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger wiederum völlig egal zu sein. Die war von der Sozialistischen Jugend auf Unterlassung und Widerruf geklagt worden, weil sie in einem Zeitungsartikel behauptet hatte, in den 1990er-Jahren habe die Sozialistische Jugend gefordert, ihre Familie solle aus der Stadt verschwinden. „Im sogenannten Provisorialverfahren über die einstweilige Verfügung entschieden alle Instanzen für die SJ. Der Oberste Gerichtshof verwies die Causa dann an das Landesgericht Wels. Dort gab Richterin Christina Gumpolsberger ebenfalls der SJ als Klägerin recht.“ (derstandard.at, 28.10.22)
Raggl-Mühlberger will berufen: „Nun werde ein neuer Schriftsatz verfasst und es gehe in die nächste Instanz, sagt die Beklagte. Die Prozesskosten – der Streitwert liegt laut Urteil bei 22.000 Euro – übernehme die Partei.“ (derstandard.at)
FPÖ Graz: Never ending Ausschlüsse
Es vergeht kaum noch eine Woche, an dem keine Meldungen von der Selbstzerstörung der Grazer FPÖ kommen, wobei inzwischen der Finanzskandal mit seinen Folgen schon längst auch auf die steirische Landespartei und vor allem deren Chef Mario Kunasek übergegriffen hat. Nach Parteiaustritten von fast allen Mitarbeiter*innen des ehemaligen Grazer FPÖ-Gemeinderatsklubs (darunter auch der ehemalige Mitarbeiter des freiheitlichen Parlamentsklubs und Identitärenfreund Siegfried Waschnig) und dem Öffentlichwerden eines Gesprächsprotokolls, kommt nun der Widerstand gegen Kunasek auch aus den Bezirken. Ausgetreten ist der Göstinger Bezirksparteiobmann Christian Finster, und der Straßganger FPÖ-Bezirkschef Oliver Leitner wurde im Rekordtempo ausgeschlossen, nachdem er angekündigt hatte, als Stadtparteichef kandidieren und die Ausgeschlossenen wieder einschließen zu wollen. Zudem forderte er Mario Kunasek zum Rücktritt auf, woraufhin er selbst nach nur 25 Minuten ausgeschlossen wurde.
Leitner machte kurz vor seinem Ausschluss eine Eingabe beim Landesparteigericht. Er erzählte am Donnerstag der Kleinen Zeitung von seiner Rücktrittsforderung an Kunasek. Keine halbe Stunde nachdem der betreffende Artikel online ging, bekam Leitner den schriftlichen Ausschluss von Landesparteigeschäftsführer Anton Kogler. (derstandard.at, 28.10.22)
Leitner sprach von weiteren vielen Parteimitgliedern in seinem Bezirk, die von der Partei enttäuscht seien und austreten würden.
„Dem Vernehmen nach plant die Truppe rund um den Ex-FPÖ-Klub Alexis Pascuttini für nächste Woche eine Pressekonferenz, wo man weitere Schritte zur Aufklärung des Finanzkrimis bekannt geben könnte. Die Brandherde im blauen Grazer Haus dürften wohl noch länger nicht gelöscht sein.“ (kleinezeitung.at, 30.10.22)
Es ist kaum noch vorstellbar, dass die Landespartei, allen voran Kunasek, aus diesem Desaster noch einigermaßen unbeschadet rauskommen kann. An Bundesparteiobmann Kickl scheint die Angelegenheit bislang noch ziemlich vorübergegangen zu sein, obwohl er den Rücken von Kunasek & Co mit dem Ausschluss der bisherigen Grazer Parteichefin Claudia Schönbacher demonstrativ gestärkt hat.
FPÖ Bund: Erfundene Hausdurchsuchung
Das Strafrecht unterscheidet zwischen Lüge und Unwahrheit: Erstere gibt man bewusst von sich, zweitere passiert unbewusst. Das Endergebnis ist dasselbe: Eine Äußerung ist falsch. Dass nun Christian Hafenecker faktenwidrig verbreitet, bei einem seiner Mitarbeiter habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden und daraus auch noch den Spin dreht, die habe sich politisch motiviert gezielt gegen die FPÖ gewendet, könnte unter „Lüge“ subsumiert werden – es sei denn, Hafenecker kann nicht zwischen einer Sicherstellung und einer Hausdurchsuchung unterscheiden. Aber Hafenecker war nicht der einzige, der das Märchen von der Hausdurchsuchung unter die Leute brachte.
Mehrere FPÖ-Politiker empörten sich öffentlich über die – angebliche – „Hausdurchsuchung“ bei einem Mitarbeiter des FPÖ-Klubs wegen (…) gefälschter Corona-Testzertifikate. Das Problem daran: Diese Razzia ist nie passiert. „Es gab keine Hausdurchsuchung bei Herrn Hafenecker oder seinem Mitarbeiter oder sonst jemanden in dieser Causa. Es gab nur eine Sicherstellung bei einem Mitarbeiter von Herrn Hafenecker“, erklärt die Staatsanwaltschaft Wien auf profil-Anfrage. Konkret handelt es sich bei dem sichergestellten Gegenstand um das Handy des Mitarbeiters. (profil.at, 28.10.22)
Den Vogel schoss Hafenecker zweifellos beim rechtsextremen AUF1-TV des Stefan Magnet ab. Dort durfte er über acht Minuten hinweg darüber schwurbeln, wie sein Mitarbeiter „von der Polizei überfallen“ (Zitat aus dem Interview) wurde und welche bösen Kräfte dahinterstünden. Einmal erwähnt Hafenecker korrekterweise, es habe eine Sicherstellung stattgefunden – das lässt darauf schließen, dass er doch weiß, worum es tatsächlich gegangen ist. Nichtsdestotrotz setzt er im selben Interview fort, dass sein Mitarbeiter „mit Scheingründen hausdurchsucht“ wurde. Das klingt fürs identitätsstiftende Opfernarrativ der FPÖ eindeutig besser!