Die letzte Woche wurde vom rechtsterroristischen Anschlag in Bratislava überschattet: Ein 19 Jähriger erschoß vor der Schwulen-Bar Teplaren zwei Männer und verletzte eine Frau schwer. Dem waren eindeutige Ankündigungen des Täters, der sich nach der Tat suizidierte, vorausgegangen. In Klagenfurt musste ein Deutscher vor Gericht, weil der zusammen mit einem Freund im Ossiacher See illegal nach Kriegsrelikten getaucht hatte – mit letalem Ende für den Freund, weil eine Granate beim Versuch der Entschärfung explodiert war. Und die Wiener Polizei gerät immer heftiger unter Kritik: Ihr nicht nachvollziehbares Vorgehen gegen Journalisten und gegen linke Demonstrant*innen steht ein ebenfalls nicht nachvollziehbarer Schutz einer Veranstaltung der rechtsextremen Burschenschaft Olympia gegenüber: Für eine Olympen-Saufparty sperrte die Polizei gleich einen ganzen Straßenabschnitt.
Wien: mit Hakenkreuzen politisch „sehr neutral“
Graz: Braune Feiertagsgrüße
Bodensdorf – Klagenfurt: Verbotener Tauchgang mit tödlicher Folge
Rotenturm-Eisenstadt: Nazi-Hetze aus Alltagsfrust
Wien – Polizei I: Olympen mit besonderem Schutz
Wien – Polizei II: Strafverfügungen und Anzeigen gegen Journalisten
Bratislava/Sk: Rechtsterrorist ermordet zwei Männer vor einer Schwulenbar
Wien: mit Hakenkreuzen politisch „sehr neutral“
Mit einer Reihe von NS-Tattoos wie Hakenkreuzen und Schwarzer Sonne ist vor dem Wiener Landesgericht ein 45-Jähriger aufmarschiert, der auf die Frage nach seiner politischen Einstellung antwortete, die sei „sehr neutral“. Der gar nicht neutrale Körperschmuck war einem Polizisten zufällig aufgefallen, als der bei der MA 48 beschäftigte Mann einen Mistkübel entleerte. Dass auf dessen Handy auch noch einschlägiges Bildmaterial und braune Chats gefunden wurden, ließ die Erklärung, die Tätowierungen seien nur harmlose Wikinger-Symbole, als nicht glaubwürdig erscheinen. „Die Geschworenen glauben ihm seine Unwissenheit (…) nicht. Sie verurteilen den Wiener zu nicht rechtskräftigen 24 Monaten, davon sechs Monate Haft!“ (krone.at, 10.10.22) Die relativ hohe Strafe dürfte auch auf die einschlägige Vorgeschichte des Wieners zurückzuführen sein.
Angeklagt war der 36-jährige Steirer wegen Verhetzung –er diffamierte Flüchtlinge pauschal als Mörder und Terroristen – und nach dem Verbotsgesetz, weil er besondere Feiertagsgrüße verschickt hatte. „In einer WhatsApp-Gruppe hat er Hitler-Bilder mit Weihnachts‑, Neujahrs- und Ostergrüßen verschickt und geteilt. Auch Ostereier mit Hakenkreuz waren dabei. Und ein Luftballon mit Hasenohren, der Hitler ähnelt.“ (kleinezeitung.at, 11.10.22)
Erklärungen des Angeklagten wie nichts über den Nationalsozialismus zu wissen, dumm gewesen zu sein, nicht zu wissen, warum er die Sujets verschickt habe, haben offenbar gewirkt. „Freispruch vom Vorwurf der Verhetzung. Aber 1800 Euro Geldstrafe und sieben Monate bedingt wegen einem verschickten Bild.“ (kleinezeitung.at)
Bodensdorf-Klagenfurt: Verbotener Tauchgang mit tödlicher Folge
Das – gesetzlich verbotene – Tauchen nach Kriegsrelikten im Ossiacher See bezahlte im Oktober 2021 ein Deutscher mit seinem Leben, weil die unsachgemäße Entschärfung zur Detonation einer Granate führte. Sein bei der Explosion nicht beteiligter Kumpel, ein 44-jähriger Deutscher, stand nun wegen Verstößen nach dem Waffengesetz vor dem Klagenfurter Landesgericht. „Eine Nähe hat(te) der Mann auch zum Nationalsozialismus. Zwei einschlägige Tätowierungen mit Bezug zur SS ‚zieren’ seinen Körper, wie der Deutsche vor Gericht zugab.“ (kleinezeitung.at, 11.10.22)
Ein Verfahren nach dem Verbotsgestz gab’s allerdings nicht, weil der Angeklagte seine Tattoos in Österreich nicht öffentlich gezeigt hatte. Damit blieb’s bei einer Verurteilung nach dem Waffengesetz. Der Mann kam „mit 2800 Euro Geldstrafe – 280 Tagsätze zu je zehn Euro – davon.“ (kleinezeitung.at) Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Rotenturm-Eisenstadt: Nazi-Hetze aus Alltagsfrust
Der nächste aus der WhatsApp-Gruppe „Schützenverein Rotenturm“ musste sich vor Gericht einfinden: Diesmal war es ein Gastwirt, der wegen elf einschlägigen Nachrichten, die er zwischen Dezember 2016 und Dezember 2017 verschickt hatte, angeklagt war. Das sei aus „Alltagsfrust über verschiedenste Krisen und gesellschaftliche Themen“ (kurier.at 12.10.22) passiert
Dass dieser Frust dazu führen kann, unter anderem ein Video über die Verherrlichung von Joseph Goebbels, das NS-Biozid „Zyklon B’„und Hass gegenüber Juden zu verschicken, wollte auf der Richterbank niemand so recht glauben. (…) Es war eine Dummheit von mir, so etwas weiterzuschicken. Ich wusste nicht, dass man das nicht darf. (kurier.at)
Der gefrustete und unwissende Wirt, der sich auch über Geflüchtete negativ geäußert hatte, wurde rechtskräftig zu zwölf Monaten bedingt und einer Geldstrafe über 960 Euro verurteilt. Bemerkenswert ist, dass nicht nur ein bereits verurteilter Justizwachebeamter bei dieser Gruppe war, sondern auch ausgesagt wurde, deren Gründung sei deshalb erfolgt, weil der Justizmitarbeiter „mit Faustfeuerwaffen üben wollte“ (kurier.at).
Wien – Polizei I: Olympen mit besonderem Schutz
Die Burschenschafter aus der rechtsextremen Olympia durften sich anlässlich ihrer „Sturm-Party“ am 14. Oktober eines besonderen Schutzes erfreuen. Wie das Portal „Presseservice Wien“ (https://presse-service.net/) via Twitter mit Fotos vermeldete, sperrte die Polizei gleich den gesamten Straßenabschnitt bei der Burschenbude in der Gumpendorfer Straße.
Am 14.10.2022 kam es im 6. Wiener Gemeindebezirk zu einem Großeinsatz der Polizei. Im Bereich Gumpendorferstraße bis zur Höhe des Gürtels wurde, mit Tretgittern und mehreren Dutzend Polizist*innen, eine leere Straße abgesperrt. pic.twitter.com/Yu8NCnPALz
— Presseservice Wien (@PresseWien) October 15, 2022
Eingeladen waren neben den alteingesessenen Mitgliedern auch Neuankömmlinge, die zuvor mittels eines Online-Gesinnungstests, ihre besondere Würdigkeit unter Beweis stellen mussten.
Im Jahr 2020 waren die Olympen aufgefallen, weil sie mit Wehrmachtsfoto zu ihrer Juni-Bowle geladen hatten.
Wien – Polizei II: Strafverfügungen und Anzeigen gegen Journalisten
Eine besondere Überraschung hatte die Wiener Polizei für den Journalisten Michael Bonvalot und sein Team parat: Nachdem Bonvalot bei der Dokumentierung einer Demonstration am 13. September, die sich aus der inzwischen üblich gewordenen Mischung von Verschwörungsgläubigen, Corona-Leugner*innen, Rechtsextremen, Putin-Fans etc. zusammensetzte, von der Polizei aus nicht erkennbaren Gründen festgesetzt wurde, folgte eine weitere Überraschung. Bonvalot und alle anderen Mitglieder seines Teams erhielten Post: „Alle sieben bekamen Strafverfügungen, wonach sie jeweils 300 Euro wegen Störung der öffentlichen Ordnung und weitere 200 nach der Straßenverkehrsordnung zahlen sollen, weil sie nicht den Gehsteig benutzt hatten.“ (derstandard.at, 12.10.22)
Erste Amtshandlung der Polizei — der Szene-Journalist @MichaelBonvalot wird mit seinen Personenschützern, ohne die er seit langem mangels Schutz der Pressefreiheit durch die Polizei nicht mehr berichten kann, festgehalten und an seiner Arbeit gehindert #w1009 pic.twitter.com/scRt93Oemg
— WienTV (@WienTV) September 10, 2022
Doch damit nicht genug: „Neben den Strafverfügungen liegt seit Mittwoch auch die Anzeige gegen die Gruppe vor, in der sich Bemerkenswertes findet. So wird im Anzeigentext die Tatsache, dass sechs der Betroffenen FFP2-Masken trugen, als Verstoß gegen das Anti-Gesichtsverhüllungs-Gesetz beschrieben.” (derstandard.at) Abgesehen von der Absurdität, jemandem das Tragen einer Schutzmaske während einer Pandemie anlasten zu wollen: Die vermummten Rechtsextremen bei der Demo blieben unbehelligt.
Und weil die Wiener Polizei mit diesem Vorfall nicht genug hatte, lieferte sie am 15. Oktober, beim sogenannten „Marsch fürs Leben“, einem jährlichen Auftrieb von katholischen Fundis und Rechtsextremen – unter Beteiligung der ÖVP-Nationalratsabgeordneten Gudrun Kugler –, gleich ein Da Capo: Diesmal setzte sie einen Fotografen fest.
Bericht zum „Marsch fürs Leben“ im Standard:
Identitäre, ÖVP-Politiker und Gegenproteste beim Marsch der Abtreibungsgegner
Am Samstag fand in Wien der jährliche „Marsch für das Leben” statt. rund 1.400 Personen nahmen teil, unter anderem bekannte Gesichter aus der rechtsextremen Szene ➡️ Weiter im Standard
Bratislava/Sk: Rechtsterrorist ermordet zwei Männer vor einer Schwulenbar
Erstaunlich: Direkt an der Grenze zu Österreich, in der slowakischen Hauptstadt Bratislava, erschießt ein mutmaßlicher Rechtsterrorist zwei Männer, verletzt eine Frau schwer, und das Echo in den österreichischen Medien bleibt überschaubar gering.
Die antifaschistische Plattform „Belltower“ hat die Bluttat von Bratislava eingeordnet:
Anschlag in Bratislava – vom Shitposter zum Rechtsterroristen
In der Nacht des 12. Oktober erschoss ein 19 Jahre alter Rechtsterrorist zwei Gäste der queeren Bar Tepláreň. Sein Manifest ist der Bewegung des „Akzelerationismus“ zuzuordnen. Er schreibt über die Herrschaft einer jüdischen Weltverschwörung und die Notwendigkeit, durch Terrorakte einen Rassenkrieg herbeizuführen. Doch auch auf Social Media hat er aus seiner Menschenfeindlichkeit keinen Hehl gemacht. ➡️ Weiter bei Belltower