Andi Gewehre gibt das Lämmchen

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Er war unter den ver­schie­dens­ten Tarn­na­men in sozia­len Netz­wer­ken aktiv. Auch bei fast jedem Auf­lauf von Rechts­extre­men und Neo­na­zis in Wien sicht­bar. Seit vie­len Jah­ren. Sei­ne Chats mit einem deut­schen NPD-Chef über Bom­ben­re­zep­tu­ren haben zum Rück­tritt des Poli­ti­kers geführt. Jetzt ist Wolf­gang L. über sei­ne brau­nen Chats auf Whats­App gestol­pert. Wir haben L. bei sei­nem Auf­tritt vor dem Geschwo­re­nen­ge­richt beglei­tet, damit er nicht ganz allein ist. Ein Prozessbericht.

Rück­blick

Wir müs­sen etwas nach­tra­gen: Vor zwei Jah­ren stand der Ange­klag­te schon ein­mal vor einem Geschwo­re­nen­ge­richt wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung. Damals kas­sier­te er 18 Mona­te bedingt auf drei Jah­re. Wegen eines Face­book-Pos­tings. Was damals sonst noch im Pro­zess erör­tert wur­de, wis­sen wir nicht – wir waren nicht dabei. Lei­der. Klar ist aller­dings für unser­eins, dass L. eigent­lich schon längst vor Gericht gestellt wer­den hät­te müs­sen – wegen lang­an­dau­ern­der, wie­der­keh­ren­der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung und uner­träg­li­cher dump­fer ras­sis­ti­scher und sexis­ti­scher Het­ze. Natür­lich auch wegen sei­ner Bom­ben-Chats mit „Jun­ker Jörg“ in einem Forum der „Frei­en Freunde“.

Sowi­lo war „Inge­borg Asmus“

Hin­ter dem „Jun­ker Jörg“ ver­barg sich der – dama­li­ge – NPD-Chef von Sach­sen-Anhalt, Mat­thi­as Heyder, der sich dar­auf ein­ließ, in einem angeb­lich streng gehei­men Sub-Forum mit „Sowi­lo“, dem „Gene­ral­leut­nant“ fach­kun­dig Bom­ben­re­zep­tu­ren und Anschlä­ge zu bespre­chen. Den NPD-Chef kos­te­ten die Bom­ben-Chats aus 2006 poli­tisch den Kopf, sei­nem Chat-Part­ner „Sowi­lo“ aus Wien pas­sier­te gar nichts. Als die Chats aus dem Neo­na­zi-Forum 2011 auch an uns wei­ter­ge­reicht wur­den, inter­es­sier­te uns natür­lich: Wer ist „Sowi­lo“? Einen Hin­weis gab er auf sei­ner Visi­ten­kar­te im Forum: „Prak­tisch nur mehr via Face­book, unter ‚Inge­borg Asmus‘ erreichbar.“

"Sowilo", "Ingeborg Asmus" alias Wolfgang L.

„Sowi­lo”, „Inge­borg Asmus” ali­as Wolf­gang L.

Dan­ke Wolf­gang, sehr lieb von Dir! So han­tel­ten wir uns lang­sam vor­wärts, ent­deck­ten ihn über die Jah­re hin­weg unter immer neu­en dümm­li­chen Deck­na­men, die sehr bezeich­nend waren: Neben „Inge­borg Asmus“ waren das „Doris Kli“, „Andi Geweh­re“, „Leck­sie Kohn“, „Eva Kuie­ren“, „Dör­te Den­zing“ usw. … So wie wir die ver­schie­de­nen Ali­as­se von Wolf­gang ver­folg­ten und doku­men­tier­ten, folg­te er auch uns und wech­sel­te sei­ne Tarn­na­men. Auf­fäl­lig war schon damals sei­ne gute Ver­net­zung mit den Grö­ßen der öster­rei­chi­schen und deut­schen Neo­na­zi-Sze­ne (Nor­man Bord­in, Mein­olf Schön­born, Udo Voigt, Axel Reitz, Annett Mül­ler, „Tomasz Fran­tic“) und im FPÖ-Umfeld.

Facebook-Profil "Adele Gastheniker"alias Wolfgang L.

Face­book-Pro­fil „Ade­le Gastheniker„alias Wolf­gang L.

FB-Profil "Lecksie Kohn" alias Wolfgang L.

FB-Pro­fil „Leck­sie Kohn” ali­as Wolf­gang L.

Die Ankla­ge

Über die Jah­re hin­weg ein treu­er Beglei­ter der ver­schie­de­nen Tarn­pro­fi­le von Wolf­gang auf Face­book war „Andre­as Wotan“ ali­as Andre­as L., der im Juni drei Jah­re (noch nicht rechts­kräf­tig) für sei­ne NS-Wie­der­be­tä­ti­gung kas­sie­ren durf­te. Die „WhatsApp“-Chats, die bei „Wotan“ in einer Haus­durch­su­chung sicher­ge­stellt wur­den, leg­ten eine deut­li­che Spur zum Wolf­gang. Der war offen­sicht­lich der liebs­te Chat-Kame­rad von Andre­as. Die bei­den tausch­ten flei­ßig Hit­ler-Bild­chen aus, sen­de­ten sie auch an ande­re in der Grup­pe wei­ter, was noch zu wei­te­ren Pro­zes­sen füh­ren wird. Vom Wolf­gang gab’s auch Fotos zu sehen, die ihn mit Hit­ler­gruß zei­gen. Das alles ver­an­lass­te den Pflicht­ver­tei­di­ger dazu, für L. fest­zu­stel­len, es tue ihm leid, dass es „lau­ter Blöd­sinn“ war und dass er das nie wie­der tun wer­de. Wolf­gang L., der von der Rich­te­rin zu sei­nen ein­zel­nen Pos­tings befragt wur­de, war da bis zu sei­ner Schluss­erklä­rung bedeu­tend vor­sich­ti­ger. Sei­ne Dut­zen­den Hit­ler­bil­der mit dümm­li­chen Kom­men­ta­ren ver­such­te er mit „Humor“ zu erklä­ren, sei­ne noch pri­mi­ti­ve­ren sexis­ti­schen wol­len wir hier gar nicht wei­ter erör­tern. Weil ihm außer „Humor“ nichts ein­fiel, zog er zumeist „nicht erin­ner­lich“ als Aus­re­de her­an. Ein Ange­klag­ter darf ja auch lügen oder die Aus­sa­ge ver­wei­gern, dar­auf hat­te ihn die vor­sit­zen­de Rich­te­rin schon zu Beginn der Ver­hand­lung auf­merk­sam gemacht.

Das Pro­blem der Ankla­ge war natür­lich, dass fast aus­schließ­lich sei­ne Whats­App-Chats zur Debat­te stan­den. Als Neben­ge­räusch der Haus­durch­su­chung wur­den noch zwei Unter­tas­sen mit der Inschrift „Ein Volk, ein Reich, ein Füh­rer“ erwähnt und die in einer Kis­te ver­wahr­te Hin­ter­las­sen­schaft von P. H., bei der auch „Blood & Honour“-Insignien auf­tauch­ten. Das wäre schon noch inter­es­sant gewe­sen, denn damit führ­ten Spu­ren zur Neo­na­zi-Fan-Grup­pe „Unsterb­lich“, bei der L. in der Ver­gan­gen­heit eben­so gesich­tet wur­de wie bei Bur­schen­schaf­ter-Auf­mär­schen und beim Nowot­ny-Geden­ken am Zen­tral­fried­hof. Es läp­pert sich schon eini­ges zusam­men in geschätzt zwei Jahr­zehn­ten Neo­na­zi-Kar­rie­re und der Wolf­gang war nicht irgend­wer in der Szene.

In der Ankla­ge fan­den sich aber nur die Chats aus der Whats­App-Grup­pe und die Unter­tas­sen. Das alles ist zwar brauch­ba­res Mate­ri­al für die Beur­tei­lung von Wie­der­be­tä­ti­gung, sagt aber sonst rela­tiv wenig über den Ange­klag­ten aus. Nach­dem die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin in einer ermü­den­den und für sie sicher auch anstren­gen­den Lita­nei den Geschwo­re­nen die 69 Ankla­ge­punk­te vor­ge­tra­gen hat­te (Dau­er: ca. eine Drei­vier­tel­stun­de), durf­te L. in sei­nem Schluss­plä­doy­er dann so dick auf­tra­gen, dass wir ent­schie­den wider­spre­chen müssen.

Eigent­lich reicht schon das Plä­doy­er sei­nes Ver­tei­di­gers, der sich zu der Behaup­tung ver­stieg, dass L. nicht gewusst habe, dass das alles straf­bar sei und der Man­dant unter dem Pro­zess lei­de. Ja, hof­fent­lich! Der Man­dant leg­te dann noch eins drauf und ver­si­cher­te, dass er nie poli­tisch aktiv gewe­sen sei und immer klar Stel­lung bezo­gen habe, dass das NS-Regime ein Ver­bre­cher­re­gime war. Wie bitte?

Als im April 2011 der Neo­na­zi und dama­li­ge NVP-Kader Robert Fal­ler einen Bericht der „Kro­ne“ über die Ver­haf­tung von Gott­fried Küs­sel teilt und dafür drei Likes erhält, fährt „Doris Kli“ dazwi­schen: „… was gefällt dar­an, wenn ein Unschul­di­ger ver­haf­tet wird?“ Ein Jahr spä­ter – der L. ist von „Doris Kli“ mitt­ler­wei­le zu „Dör­te Den­zing“ mutiert – pos­tet er zum Pro­zess gegen den Rechts­ter­ro­ris­ten Anders Beh­ring Brei­vik: „Brei­vik bekennt sich ‚nicht schul­dig‘. Mal ehr­lich; es gibt auch nicht den gerings­ten Beweis für sei­ne Schuld.“

Dörte Denzing alias Wolfgang L über Breivik: "es gibt auch nicht den geringsten Befund für seine Schuld"

Dör­te Den­zing ali­as Wolf­gang L über Brei­vik: „es gibt auch nicht den gerings­ten Befund für sei­ne Schuld”

Im Thread gibt es dar­auf­hin eine Debat­te, ob die­ser Kom­men­tar ernst­ge­meint sei. Wolf­gang ali­as „Dör­te Den­zing“ klärt das mit die­sem zyni­schen Post auf: „Alle paar 100 Jah­re darf man schon mal ein paar nor­we­gi­sche Kin­der per­fo­rie­ren. Der Hand­voll Regierungsbeamt_*Innen weint ja ohne­hin nie­mand eine Trä­ne nach …

Dörte Denzing alias Wolfgang L. – Thread zu Breivik

Dör­te Den­zing ali­as Wolf­gang L. – Thread zu Breivik

Als „Andi Geweh­re“ pos­tet er dann anti­se­mi­ti­schen Dreck, der so wider­lich ist, dass wir auf die Wie­der­ga­be ver­zich­ten. In einem ande­ren Thread unter­hal­ten sich eini­ge Neo­na­zis, ob das Bekennt­nis eines zum NS Kon­ver­tier­ten ernst­zu­neh­men sei. Wäh­rend eini­ge zwei­feln, urteilt „Doris Kli“: „Ist authen­tisch. Wer nach­denkt, kommt auto­ma­tisch zu uns.“ Und spä­ter noch deut­li­cher: „Der ist schon schwer in Ord­nung. Ein erleuch­te­ter Volks­ge­nos­se mehr.

Als 2013 Quen­tin Taran­ti­no die US-Skla­ve­rei mit dem Holo­caust ver­gleicht, jubelt Andre­as Kelt­scha ent­zückt über die­se Rela­ti­vie­rung: „Der Mann hat recht“ und wird dar­auf­hin von zwei Neo­na­zis zusam­men­ge­staucht. Kut­te Bin­der schreibt: „Der ein­zi­ge Unter­schied: der Völ­ker­mord an den Urein­woh­nern hat tat­säch­lich statt­ge­fun­den. Er lässt sich bele­gen und ist somit OFFENKUNDIG.“ Wolf­gang L. ali­as „Eva Kuie­ren“ setzt da noch drauf: „Stimmt. Und inso­fern ist Taran­ti­nos Aus­sa­ge falsch.

Andreas Keltscha – Eva Kuieren alias Wolfgang L. zum Holocaust

Andre­as Kelt­scha – Eva Kuie­ren ali­as Wolf­gang L. zum Holocaust

Im Jän­ner 2013 weist „Eva Kuie­ren“ Robert Fal­ler, der von einem dro­hen­den „Bür­ger­krieg“ in Euro­pa schwa­felt, scharf zurecht: „Rassen‑, nicht Bür­ger­krieg. (…) Fremd­ras­si­ge sind kei­ne Bür­ger.

Robert Faller - Eva Kuieren alias Wolfgang L. über Rassenkrieg

Robert Fal­ler — Eva Kuie­ren ali­as Wolf­gang L. über Rassenkrieg

Das Urteil

Es ist nur eine klei­ne Aus­wahl an brau­nen und het­ze­ri­schen Pos­tings, die wir hier prä­sen­tie­ren. Sie wür­den wohl für eini­ge Jah­re Haft wegen Wie­der­be­tä­ti­gung rei­chen. Gewor­den sind es dann aller­dings nur wei­te­re 14 Mona­te bedingt, die, weil die 42 Delik­te, für die Wolf­gang L. von den Geschwo­re­nen als schul­dig erkannt wur­de, schon vor sei­ner Ver­ur­tei­lung 2020 getä­tigt wur­den, als Zusatz­stra­fe aus­ge­spro­chen wur­den. L. hat dem­nach 32 Mona­te bedingt auf der Kan­te. Mal sehen, was dar­aus noch wird und dem L. in den nächs­ten drei Jah­ren noch ein­fällt. L. hat das Urteil jeden­falls akzep­tiert, die Staats­an­walt­schaft gab am Frei­tag noch kei­ne Erklä­rung ab. Es ist also noch nicht rechtskräftig.

Ali Mente alias Wolfgang L.: "Demokratie ist die Herrschaft des Abschaums."

Ali Men­te ali­as Wolf­gang L.: „Demo­kra­tie ist die Herr­schaft des Abschaums.”

➡️ „Standard“-Bericht zum Pro­zess: Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zess: Die „Wit­zig­keit” der „patrio­ti­schen Kreise”
➡️ „Stoppt die Rech­ten“ zu Wolf­gang L. ali­as „Sowi­lo“: NPD sagt Tschüss zu Sowi­los Partner