Wochenschau KW 44/19Lesezeit: 7 Minuten

Die letz­te Woche hat wie­der viel aus der in Öster­reich auf­tre­ten­den Band­brei­te an rechts­extre­mis­ti­schen Vor­komm­nis­sen gebo­ten: die nun­mehr drit­te Lie­der­buch­af­fä­re und eine ste­tig mau­ern­de FPÖ, eine Rei­he von Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zes­sen mit unter­schied­li­chen Aus­gän­gen, Van­da­lis­mus und Schmie­re­rei­en. Aber es gibt auch eine gute Nach­richt: Das anti­se­mi­ti­sche Maga­zin „alles roger?“ wur­de ein­ge­stellt. Wien: Küs­sels Ex-„Gaubeauftragter“ vor Gericht Völkermarkt […]

4. Nov 2019

Wien: Küssels Ex-„Gaubeauftragter“ vor Gericht
Völkermarkt – Klagenfurt/Kärnten: Wiederbetätigung „im Strom des Nachrichtenverschickens“
Feldkirch/Vbg.: Schwarzer Humor mit Brauntönen
St. Pölten – St. Peter in der Au/NÖ: Prozess vertagt
Salzburg: Kranz für WiederstandskämpferInnen beschädigt
Haag/NÖ: Vandalismus inklusive NS-Beschmierungen
Nichts mehr roger für „alles roger?“

Wien: Küssels Ex-„Gaubeauftragter“ vor Gericht 

Ein alter Bekann­ter stand in Wien wegen des Vor­wurfs der Wie­der­be­tä­ti­gung vor Gericht. Nicht zum ers­ten Mal. Der sei­ner­zeit von Gott­fried Küs­sel offi­zi­ell als „Gau­be­auf­trag­ter“ von Wien geführ­te und Ex-Bur­schen­schaf­ter (Teu­to­nia Wien) Kurt H. wur­de bereits 1996 zu zwei Jah­ren beding­ter Haft ver­ur­teilt. Die aktu­el­len Vor­wür­fe: „Der 53-Jäh­ri­ge soll im August 2018 in einem Lokal laut­stark den Holo­caust geleug­net, natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Paro­len gegrölt und die Kell­ne­rin anti­se­mi­tisch beschimpft haben. Das Pikan­te dar­an: Wie der Unbe­schol­te­ne selbst bei der Poli­zei ein­ge­stand, hat er sich vor 30 Jah­ren im Umfeld der neo­na­zis­ti­schen Vapo rund um Gott­fried K. bewegt. Dar­über hin­aus war er von einer Bur­schen­schaft aus­ge­schlos­sen wor­den, und bei einer Haus­durch­su­chung fan­den die Ermitt­ler Bil­der von H. in SS-Uni­form und mit Stahl­helm.“ (derstandard.at, 28.10.19) 

H. erzählt vor Gericht eine absur­de Geschich­te, die wir hier wegen ihrer „Kom­ple­xi­tät“ nicht wie­der­ge­ben wol­len – sie kann im Stan­dard nach­ge­le­sen wer­den. Fakt ist, dass die Poli­zei im Zuge einer Haus­durch­su­chung bei H. ein­schlä­gi­ges Bild­ma­te­ri­al gefun­den hat­te, bei­spiels­wei­se ein Foto mit einem Haken­kreuz in einer EU-Flag­ge. Das Haken­kreuz asso­zi­iert H. vor Gericht mit dem Bud­dhis­mus, dem er nahe ste­he. Auch ein Foto von sich selbst in SS-Uni­form war unter den poli­zei­li­chen Fund­stü­cken – eine Thea­ter­uni­form, die er nur anpro­biert habe.

Die Belas­tungs­zeu­gin aus dem Lokal­vor­fall scheint jedoch laut Gerichts­re­por­ter den Ange­klag­ten in den absur­den Anga­ben noch zu getoppt zu haben. Zuerst tauch­te sie vor Gericht nicht auf und muss­te von der Poli­zei vor­ge­führt wer­den. Dort ver­strick­te sie sich in Wider­sprü­che und brach schließ­lich in Trä­nen aus. Das eben­falls absurd anmu­ten­de Resul­tat: H. wird mit fünf zu drei Stim­men frei­ge­spro­chen – rechts­kräf­tig, da auch die Staats­an­walt­schaft kei­nen Ein­spruch erhebt. Wohin kämen wir denn auch, wenn mann nicht ein­mal mehr in einer SS-Uni­form posie­ren kann …

Völkermarkt/Kärnten: Wiederbetätigung „im Strom des Nachrichtenverschickens“

Das ist wohl eine spe­zi­el­le Art des Schwimm­sports, den der in Kla­gen­furt ver­ur­teil­te 32-Jäh­ri­ge betreibt. Denn der ver­schick­te jah­re­lang NS-Inhal­te via WhatsApp.

„Der Ange­klag­te, der unter ande­rem wegen Kör­per­ver­let­zung, ver­such­ter Ver­ge­wal­ti­gung und gefähr­li­cher Dro­hung mehr­fach vor­be­straft ist, bekann­te sich schul­dig. ‚Es war eine Dumm­heit, ich wür­de das heu­te nicht mehr machen‘, sag­te er in der Ein­ver­nah­me durch Rich­ter Kriz. Er sei im Strom des ‚Nach­rich­ten­ver­schi­ckens mit­ge­schwom­men‘, mein­te der Ange­klag­te wei­ter. Und er habe das Ver­brei­ten die­ser Nach­rich­ten als ‚Spaß‘ gese­hen.“ (kaernten.orf.at, 29.10.19) 2018 habe er sich laut Ankla­ge auch noch mit hit­ler­grü­ßend ablich­ten las­sen. Das Urteil mit 21 Mona­ten Haft, sie­ben davon unbe­dingt, ist nicht rechts­kräf­tig. Soll uns das trös­ten, dass der Ver­ur­teil­te dem Gericht mit­teil­te, dass er nun als Zei­chen sei­ner Reue von Völ­ker­markt nach Graz gezo­gen ist? Eher nicht!

Feldkirch/Vbg.: Schwarzer Humor mit Brauntönen

Holo­caust­leug­nung, Ver­het­zung, brau­ne Ver­schwö­rungs­theo­rien, NS-Uten­si­li­en und ein­schlä­gi­ge Nach­rich­ten an sei­nen Umkreis: Der aus Deutsch­land aus­ge­lie­fer­te 32-jäh­ri­ge Ange­klag­te, der zuvor in Blu­denz auch schon mal sei­nen Hund mit einem mit NS-Zei­chen geschmück­ten Hals­band spa­zie­ren führ­te, hat wohl kaum etwas aus­ge­las­sen, was Kenn­zei­chen einer brau­nen Gesin­nung sind. Den­noch gibt er an, dass er nur einen ‚schwar­zen Humor‘ habe und es sich ledig­lich um dum­me Pro­vo­ka­tio­nen gehan­delt habe“ (Vor­arl­ber­ger Nach­rich­ten, 30.10.19). Hin­wei­se auf eine edle­re Gesin­nung – „er habe einen Bud­dha, Yin und Yang und ein Peace-Zei­chen als Täto­wie­rung auf sei­nem Kör­per“ (VN) –, und sei­ne Lebens­ge­fähr­tin sei Flücht­lings­hel­fe­rin gewe­sen, auch er selbst habe sich dort enga­giert, bewahr­ten den bereits sie­ben­fach vor­be­straf­ten Deut­schen nicht vor einer saf­ti­gen Stra­fe: schul­dig in allen zwölf Ankla­ge­punk­ten und 21 Mona­te unbe­ding­te Haft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

St. Pölten – St. Peter in der Au/NÖ: Prozess vertagt

Es war ein Face­book-Pos­ting mit weit­rei­chen­den Fol­gen, das der SPÖ-Gemein­de­rat Ibra­him Günes aus St. Peter in der Au vor rund einem Jahr ins Netz schick­te. Der ers­te Pro­zess gegen einen FPÖ-Ange­hö­ri­gen fand vor bereits zwei Wochen statt und ende­te mit einem Frei­spruch. Nun ging’s in die zwei­te Run­de, in der sich ein 26- und 38- Jäh­ri­ger vor Gericht wegen des Vor­wurfs der Wie­der­be­tä­ti­gung zu ver­ant­wor­ten hatten.

„Die Par­al­le­len zum vori­gen Pro­zess: Sel­ber Tat­ort, eine Anzei­ge, die sich nach einem Face­book-Pos­ting des Vor­sit­zen­den der Sozia­lis­ti­schen Jugend des Ortes durch des­sen Freund ergab, sowie teil­wei­se die­sel­ben Belas­tungs­zeu­gen, die in ihren Aus­sa­gen behaup­te­ten, dass die Ange­klag­ten sich in einem Lokal im Bezirk Amstet­ten mit ‚Heil Hit­ler’ zuge­pros­tet, die rech­te Hand zum Hit­ler­gruß erho­ben und mehr­fach ‚Sieg Heil‘ geru­fen hät­ten.“ (meinbezirk.at, 28.10.19) Sehr unter­schied­li­che Äuße­run­gen der gela­de­nen Zeu­gen die Tem­pe­ra­tur und damit die Jah­res­zeit betref­fend, in der das brau­ne Zupros­ten statt­ge­fun­den haben soll und der Hin­weis, dass die Poli­zei an jenem Abend die Ange­klag­ten kon­trol­liert habe, führ­ten zu einer Ver­ta­gung des Prozesses.

Salzburg: Kranz für WiederstandskämpferInnen beschädigt

Seit vie­len Jah­ren legen Ange­hö­ri­ge der Bür­ger­lis­te Salz­burg zu Aller­hei­li­gen einen Kranz am Krie­ger­denk­mal im Salz­bur­ger Kom­mun­laf­ried­hof nie­der, der an die Wider­stands­kämp­fer im Natio­nal­so­zia­lis­mus erin­nern soll. Und nicht zum ers­ten Mal ist der Kranz beschä­digt wor­den. „‚Am Abend war der Kranz noch intakt. Heu­te früh war er zer­stört’, sagt Carl. Es sei nicht das ers­te Mal, das der Blu­men­schmuck zum Geden­ken mut­wil­lig beschä­digt wur­de. Vor Jah­ren sei ein­mal eine Schlei­fe abge­schnit­ten wor­den und ein­mal der Kranz in den Müll gewor­fen wor­den. ‚Jetzt beginnt das wie­der, weil das Kli­ma anders ist’, sagt der Gemein­de­rat.“ (derstandard.at, 2.11.19). Die Bür­ger­lis­te wird zum Vor­fall eine Sach­ver­halts­dar­stel­lung einbringen.

Beschädigter Kranz der Bürgerliste (@ Bürgerliste)
Beschä­dig­ter Kranz der Bür­ger­lis­te (@ Bür­ger­lis­te)

Haag/NÖ: Vandalismus inklusive NS-Beschmierungen

Seit gerau­mer Zeit kämpft die nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Gemein­de Haag mit einer Rei­he von Van­da­len­ak­ten. „In den letz­ten Mona­ten war es jedoch ver­hält­nis­mä­ßig ruhig, ehe die Situa­ti­on eska­lier­te. „‚Es zieht sich durch die gan­ze Stadt. In jeder Ecke von Haag gibt es Beschmie­run­gen. Auch Blu­men wur­den aus­ge­ris­sen’, betont Johann Feu­er­hu­ber, der Lei­ter des Bau­ho­fes. Zuletzt sei er fast jeden Tag bei der Poli­zei gewe­sen, um die Vor­fäl­le anzu­zei­gen, ver­deut­licht Feu­er­hu­ber die aktu­el­le Problematik.

Beson­ders aktiv waren die unbe­kann­ten Täter im Weiß­park, wo sie die Wän­de in der öffent­li­chen WC-Anla­ge beschmier­ten. Aber auch Trans­for­ma­tor­käs­ten der EVN und Recy­cling-Con­tai­ner blie­ben nicht ver­schont. Mit Spray oder Lack mal­ten die Van­da­len unter ande­rem nicht ent­zif­fer­ba­re Schrift­zü­ge, den Code 187 und Haken­kreu­ze auf.“ (noen.at, 29.10.19) Was „187“ bedeu­tet, kön­nen auch wir nicht sagen, die Haken­kreu­ze sind dafür umso eindeutiger.

Nichts mehr roger für „alles roger?“

Noch deu­tet auf der Web­site des Maga­zins „alles roger?“ nichts auf des­sen Ende hin. Der Betrei­ber der „Exca­li­bur Media“, Ron­nie Seunig, hat in einem lau­ni­gen Inter­view mit dem Fell­ner-Medi­um „oe24.tv” aller­dings des­sen Aus ver­kün­det, denn er „habe den Auf­wand, den er betrei­be, dem Nut­zen, den es bringt, gegen­über­ge­stellt“ (derstandard.at, 31.10.19), und da ist Seunig offen­bar zum Schluss gekom­men, mit „alles roger?“ Schluss zu machen. Bemer­kens­wert war die Begrün­dung, mit der Seunig auch indi­rekt ein­ge­stand, dass sein Maga­zin nicht ganz so erfolg­reich war, wie zwi­schen­durch sug­ge­riert wurde:

Man gehe „unter in die­sem Strom, der mei­nungs­bil­dend” sei, so Seunig. Bis auf die FPÖ habe kei­ne Par­tei sei­nem Maga­zin ein Inter­view gege­ben. Des­we­gen sei „Alles roger?” zum Schluss als FPÖ-Maga­zin dar­ge­stellt wor­den, was er nie­mals gewollt habe. (…) Sei­ne Erkennt­nis sei, „dass die Mehr­heit die Dumm­heit ist, und gegen die Dumm­heit wer­de ich immer ver­lie­ren”, so Seunig. „Damit habe ich auch kei­nen Sinn mehr gese­hen, das Maga­zin wei­ter zu betrei­ben.“ (derstandard.at)

Wer in die­sem Fall der Dum­me ist, dar­über haben Seunig und wir ver­mut­lich eine unter­schied­li­che Auf­fas­sung. Dass nach der „Neu­en Aula“ nun eine wei­te­re rechts­extre­me, anti­se­mi­ti­sche Publi­ka­ti­on vom Markt ver­schwin­det, ver­bu­chen wir unter dem Label, erfreu­li­che Nach­richt der Woche.

Das letzte Heft von "alles roger?": Stell dir vor, es geht das Licht aus
Das letz­te Heft von „alles roger?”: Stell dir vor, es geht das Licht aus …

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