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Was bedeutet eigentlich „mölzern“?

Aus dem Kreis unse­rer Lese­rIn­nen erreich­te uns in den letz­ten Tagen eine Anfra­ge, der wir hier ger­ne nach­ge­hen. Brun­hil­de N. aus Kärn­ten will wis­sen, wel­che Bewandt­nis es mit dem Wort „möl­zern“ habe, ob es sich dabei nur um eine unrich­ti­ge Abwand­lung des Eigen­na­men „Möl­zer“ hand­le oder ob denn eine ande­re Bedeu­tung dahin­ter ste­he. In aller […]

5. Nov 2019
Mölzer beim Mölzern am 26.1.18 in der ZiB 2
Mölzer beim Mölzern am 26.1.18 in der ZiB 2

Wir haben auch ein sehr anschau­li­ches Bei­spiel für das „Möl­zern“ gefun­den. Im „Mit­tags­jour­nal“ des ORF-Radi­os Ö 1 vom 31.10.19 befrag­te die Redak­teu­rin Andrea Mai­wald den Corps­stu­den­ten und FPÖ-Exper­ten für alles und jedes, Andre­as Möl­zer, zum Lie­der­buch des pen­na­len Corps Aus­tria in Knittelfeld.

Dazu muss man wis­sen: In die­ser Sache ist Andre­as Möl­zer wirk­lich vom Fach. Zum einen, weil er selbst Mit­glied des pen­na­len Corps Aus­tria Knit­tel­feld ist, zum ande­ren, weil er sich, was vor allem das Lied „Es lagen die alten Ger­ma­nen“ betrifft, im Vor­jahr als Ken­ner die­ses Lie­des, sei­ner brau­nen und anti­se­mi­ti­schen Stro­phe und des dies­be­züg­li­chen prak­ti­schen Sing­ver­hal­tens in sei­nem pen­na­len Knit­tel­fel­der Corps erwie­sen hat.

Eins, zwei, drei oder 70 Exem­pla­re des Liederbuchs?

Der Rei­he nach! Im „Mit­tags­jour­nal“ fragt die ORF-Redak­teu­rin Mai­wald den Andre­as Möl­zer, ob er „das Buch und vor allem die Lie­der“ ken­ne. Sei­ne Ant­wort beinhal­tet im Kern schon alles, was im Begriff „möl­zern“ zusam­men­ge­fasst ist:

Ich ken­ne das Buch nicht. Ich ken­ne es aus der ‚Kro­nen Zei­tung’ – die habe ich gera­de da vor mir lie­gen, und da sehe ich, dass da offen­bar etwas kopiert wur­de und schein­bar in einer Copy­shop oder in einer Buch­bin­de­rei zusam­men­ge­bun­den ist. Es han­delt sich, wenn ich rich­tig infor­miert bin, eben um ein Geschenk, wo ein oder zwei oder drei Exem­pla­re zusam­men kopiert, gebun­den wur­den da und dem Zan­ger, dem Wolf­gang Zan­ger über­reicht wur­den.

Sen­sa­tio­nell, was Möl­zer aus dem Bei­trag der „Kro­ne“ vom 31.10.19 mit einer Foto­an­sicht des Lie­der­buchs her­aus­holt bzw. inter­pre­tiert! Hat zwar mit der Fra­ge nur am Ran­de zu tun, aber viel mit sei­nen ver­meint­li­chen Buch­bin­de­kennt­nis­sen und – „wenn ich rich­tig infor­miert bin“ (Möl­zer) – um ein, zwei oder drei Exem­pla­re, die da dem Zan­ger über­reicht wurden.

Kronen Zeitung 31.10.19, Liederbuch Austria Knittelfeld
Kro­nen Zei­tung 31.10.19, Lie­der­buch Aus­tria Knittelfeld

Nun, Möl­zer war nicht rich­tig infor­miert, was die Ver­brei­tung des Lie­der­buchs betrifft. Es waren nicht „ein, zwei oder drei Exem­pla­re“, die Zan­ger über­reicht wur­den, son­dern 50 bis 70 Stück. Wer sagt das? Wolf­gang Zan­ger selbst, aller­dings erst in der „Kro­ne“ vom 1.11.19. Zan­ger war ja bis vor zwei Jah­ren noch Alt­her­ren-Obmann der Knit­tel­fel­der Pen­nä­ler, also ist es durch­aus denk­bar, dass er die 50–70 Stück von der Gra­zer Bur­schen­schaft Che­ruskia erhal­ten hat. Passt zwar nicht ganz zu Zan­gers Erzäh­lung, wonach er sein Exem­plar „als Geschenk eines mir lieb gewe­se­nen Men­schen“ vom Knit­tel­fel­der Corps erhal­ten habe.

Im Ver­gleich zu der Lücke zwi­schen eins, zwei oder drei Exem­pla­ren und 50 bis 70 Stück ist die­se Dif­fe­renz aller­dings fast harm­los. Möl­zers Ant­wort ist nicht nur des­halb ein schö­nes Bei­spiel des „Möl­zern“, weil er mit sei­ner ver­harm­lo­sen­den Ver­klei­ne­rung auf ein bis drei Exem­pla­re nicht nur als Emp­fän­ger fast schon auto­ma­tisch aus­schei­det, son­dern auch, weil er das Buch nicht ken­nen will, wohl aber genau die Lie­der, die in dem Knit­tel­fel­der Lie­der­buch ent­hal­ten sind.

Möl­zer kennt nicht das Buch, aber sei­ne Texte? 

Die nächs­te Fra­ge von Andrea Mai­wald im „Mit­tags­jour­nal“ lautete:

Herr Möl­zer, auch wenn Sie das Buch nicht ken­nen, kön­nen Sie aus­schlie­ßen, dass das bei Ihrer Schü­ler­ver­bin­dung auf­liegt?

Dem Andre­as Möl­zer geht bei die­ser Fra­ge das Herz über, denn die Fra­ge ist für ihn tat­säch­lich „auf­ge­legt“, da kann er aus dem Vol­len schöpfen:

Selbst­ver­ständ­lich kann ich das aus­schlie­ßen. Ich ken­ne das nicht. Ich ken­ne also jetzt die Tex­te, die da in der Zei­tung eben ver­öf­fent­licht sind, und da ist zum Bei­spiel die­ses Lied, das wir ja satt­sam ken­nen, seit zwei Jah­ren – ‚Da lagen die alten Ger­ma­nen, an bei­den Sei­ten des Rheins’ — und wenn ich die­se Stro­phen sehe und da ist also die­se ‚Ben Guri­on-Stro­phe’ die in Bezug auf Wie­ner Neu­stadt inkri­mi­niert wur­de, zu Recht natür­lich, nicht dabei.

Natür­lich lie­gen die 50 bis 70 Exem­pla­re des Lie­der­buchs nicht in der Bude der Bur­schis auf, spä­tes­tens seit den Lie­der­buch-Vor­fäl­len des ver­gan­ge­nen Jah­res sind die letz­ten Exem­pla­re anstö­ßi­ger Kom­mers- und Lie­der­bü­cher ver­mut­lich aus allen Buden ver­schwun­den. Inter­es­sant ist aber, dass Möl­zer das Buch par­tout nicht ken­nen will, wohl aber sei­ne Tex­te. Das wäre hell­se­he­risch, denn die „Kro­ne“ ver­öf­fent­lich­te im Fak­si­mi­le nur drei Stro­phen. Noch dazu sol­che, die – unkom­men­tiert – zumin­dest ambi­va­lent sind und Möl­zer die Gele­gen­heit eröff­nen, sich im „Mit­tags­jour­nal“ aus­führ­lich über Spott­lied-Ver­sio­nen der „Alten Ger­ma­nen“ zu ver­brei­tern, alos zu „möl­zern“.

Graus­li­che Stro­phe – nicht gesun­gen auf der Bude?

Die ORF-Redak­teu­rin Mai­wald ver­sucht es noch ein­mal – mit einer leicht geän­der­ten Variante:

Aber kön­nen Sie jetzt aus­schlie­ßen, dass das gesun­gen wird, auf der Bude?

Ganz klar die Ant­wort von Mölzer:

Ja, das kann ich aus­schlie­ßen. Ja, das kann ich aus­schlie­ßen.

Eigent­lich etwas unty­pisch für das klas­si­sche Möl­zern, die­se kla­re und ein­deu­ti­ge Ant­wort, auch wenn er in der Fol­ge dann schon noch zugibt, dass er als „alter Sack“ – ein­ge­la­den zu Stif­tungs­fes­ten bei ande­ren Kor­po­ra­tio­nen – auch „sol­che Din­ge“ schon gehört habe. Mit „sol­chen Din­gen“ meint Möl­zer wohl die ein­deu­tig anti­se­mi­ti­sche und natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Stro­phe, die Vor­jahr bei der pen­na­len Ver­bin­dung Ger­ma­nia Wie­ner Neu­stadt auf­ge­taucht ist: Gebt Gas, ihr alten Ger­ma­nen, wir schaf­fen die sieb­te Mil­li­on.

Als Möl­zer am 26.1.2018 im „Mor­gen­jour­nal“ auf Ö 1 von Cor­ne­lia Vosper­nik dazu befragt wur­de, hör­te sich das noch ganz anders an:

Ich bin vor 50 Jah­ren aktiv gewor­den bei einer Gym­na­si­al-Ver­bin­dung, Corps Aus­tria in Knit­tel­feld, weni­ge Jah­re spä­ter beim Corps Van­da­lia in Graz, beim aka­de­mi­schen Corps. Ich ken­ne die­ses Lied, die­se Stro­phe ist mir auch vor 40, 50 Jah­ren ein‑, zwei­mal unter­ge­kom­men. Ich sel­ber habe es nicht mit­ge­sun­gen.

Das klang so ähn­lich wie die Legen­de vom Haschisch-Rau­cher, der nicht inha­liert. Noch nicht klar war auch, ob Möl­zer die­se Stro­phe beim Corps Van­da­lia oder doch beim pen­na­len Corps Aus­tria gehört, aber nicht mit­ge­sun­gen haben will. Armin Wolf frag­te Tage danach des­halb noch ein­mal nach und Möl­zer ant­wor­te­te (ZIB 2, 29.1.2018):

Was ich erklärt habe im Mor­gen­jour­nal und was ich gemeint habe, dass ich sel­ber bin vor 40 Jah­ren jetzt ziem­lich genau, 1968, Mit­glied einer Mit­tel­schü­ler­ver­bin­dung gewor­den, einer schla­gen­den, und da war mir das Lied, habe ich das Lied gehört und erin­ner­lich zwei, drei­mal auch die­se graus­li­che Stro­phe.

Mölzer beim Mölzern am 26.1.18 in der ZiB 2
Möl­zer beim Möl­zern am 26.1.18 in der ZiB 2

Zusam­men­ge­fasst: Möl­zer erklär­te 2018, dass er auf der Bude sei­ner Ver­bin­dung, des pen­na­len Corps Aus­tria in Knit­tel­feld, zwei‑, drei­mal die „graus­li­che Stro­phe“ als dem Lied „Es lagen die alten Ger­ma­nen“ gehört, aber nicht mit­ge­sun­gen hat. 2019, als ein Lie­der­buch mit anti­se­mi­ti­schen und ras­sis­ti­schen Tex­ten und auch einer Ver­si­on der „alten Ger­ma­nen“ bei sei­ner Ver­bin­dung von der „Kro­ne“ ent­deckt wur­de, will Möl­zer zwar nicht das Buch, aber des­sen Tex­te genau ken­nen und aus­schlie­ßen, dass das Ger­ma­nen-Lied und die „graus­li­che Stro­phe“ auf der Bude jemals gesun­gen wurde.

Das nennt man „möl­zern“!

Kronen Zeitung 31.10.19
Kro­nen Zei­tung 31.10.19