Die Gratulanten von der Cheruskia Graz

Zum 125. Geburt­stag („Stiftungs­fest“ heißt das bei den Burschis) erhielt das pen­nale Corps Aus­tria in Knit­telfeld von der Cheruskia Graz 50 bis 70 Exem­plare – so der FPÖ-Abge­ord­nete Wolf­gang Zanger – des mit­tler­weile bekan­nten Lieder­buchs mit den braunen, anti­semi­tis­chen, ras­sis­tis­chen und sex­is­tis­chen Lied­chen. Da hat sich jemand heftig angestrengt mit der Auswahl. Natür­lich auch mit der Auflage, die sich­er aus­gere­icht hat, damit wirk­lich jed­er lebende Knit­telfelder Pen­näler ein Exem­plar erhält. Nur Andreas Mölz­er nicht, aber der ken­nt ja den Inhalt trotz­dem. Aber wer ken­nt die Grat­u­lanten von der Cheruskia?

Die akademis­che Burschen­schaft Cheruskia in Graz ist Mit­glied des wegen sein­er recht­sex­tremen Ten­den­zen stark geschrumpften Dachver­ban­des „Deutsche Burschen­schaft“ (DB) und dort auch Mit­glied der deutsch-völkischen und recht­sex­tremen „Burschen­schaftlichen Gemein­schaft“ (BG), in der die öster­re­ichis­chen Burschen­schaften den Ton vorgeben. Wie alle Mit­glieds­bünde der DB ist auch die Cheruskia eine pflichtschla­gende Burschen­schaft – da muss jed­er Burschi mit ein­er kleinen oder größeren Schnittver­let­zung rechnen.

Für solche Schnittver­let­zun­gen ste­hen bei jed­er Men­sur soge­nan­nte Paukärzte bzw. Bad­er parat. Die hal­ten dann auch Sem­i­nare ab, wo sie sich über die Ver­let­zun­gen beim Men­su­r­fecht­en aus­tauschen. 2006 fand das „1.Alpenländische Paukärztesem­i­nar“ in Graz statt, bei der Burschen­schaft Alle­man­nia. Aber ein Cherusken-Arzt durfte über den „klin­is­chen Blick, Beglei­tum­stände, Flüs­sigkeit­shaushalt, Lokalanäs­theti­ka und Antibiose“ referieren. Der span­nende Vor­trag eines Wiener Burschen­schafters und Zah­narztes behan­delte die „Anatomie und Ver­let­zun­gen von Lippe, Zun­gen und Zäh­nen“, während ein Graz­er Arzt über die „Anatomie und Ver­let­zun­gen der Schädel­ka­lotte und neu­raler Struk­turen“ par­lierte. Span­nende Vorträge, von denen es noch einige mehr gab, aber wichtig waren auch die „prak­tis­chen Nähübun­gen mit Instruktoren“!

Wir gleit­en ab, denn eigentlich ist das The­ma ja: Wie tick­en die Cherusken? Auf ihrer Web­site ver­rat­en sie mit­tler­weile kaum mehr etwas über sich. Das ist doch ein untrüglich­es Zeichen dafür, dass sie eigentlich viel mehr über sich zu erzählen hät­ten. Aber schä­men sie sich ein biss­chen dafür? Bekan­ntlich ver­gisst das Inter­net nicht alles, also kann man da einiges her­aus­holen. Die Cheruskia wurde erst 2008 in die DB aufgenom­men – gle­ichzeit­ig mit der eben­so weit recht ste­hen­den Teu­to­nia Wien – ohne Probezeit. Ein Jahr später fiel die Cheruskia bere­its durch den ras­sis­tis­chen Vor­fall am Ver­band­stag der Deutschen Burschen­schaft 2009 auf, der let­z­tendlich ohne Kon­se­quen­zen blieb.

Vorkomm­nisse am Brunnenkeller 

Ein Ver­bands­brud­er der Graz­er akademis­chen Burschen­schaft Cheruskia beze­ich­nete in einem Gespräch im hin­teren Teil des Brun­nenkellers Vbbr. Lüt­tjo­han mehrfach als „Neger” und als „Schande für die Deutsche Burschen­schaft” und sagte, er wolle „eine reine, weiße Burschen­schaft” weiß ist hier ein­deutig als Begriff der Hautfarbe/Rasse ver­wen­det wor­den und nicht etwa im Sinne der „weißen Rich­tung”. Dies waren mit­nicht­en unbe­dachte polemis­che Äußerun­gen, son­dern Stand­punk­te, die er während eines län­geren Gespräch­es vertei­digte. Den Her­rn Ver­bands­brud­er würde ich wohl wieder­erken­nen, kann mich jedoch lei­der nicht an seinen Namen erinnern. 

Zu sehr vorg­erück­ter Stunde saß ich draußen vor dem Brun­nenkeller, als wir „Wir wollen den Neger sehn” gesun­gen wurde. Ich habe lei­der in diesem Moment nicht darauf geachtet wer mit wem dort gesun­gen hat­te, son­dern bin zeit­nah in die Pen­sion gegan­gen da mir dies nun endgültig zu viel war. In solchen oder ähn­lichen Sit­u­a­tio­nen werde ich zukün­ftig darauf acht­en und mir notieren wer was macht. Wer­tung: Eine Mei­n­ung darf man haben, gerne auch eine kon­tro­verse. Ras­sis­tis­ch­er Art sollte sie aber nicht sein. Der Punkt ist jedoch wie man seine Mei­n­ung äußert und ver­tritt, und diese Art und Weise verurteile ich aufs schärf­ste, unab­hängig davon ob dies in einem Zweierge­spräch hin­ter ver­schlosse­nen Türen, hal­böf­fentlich oder öffentlich passiert. Ein solch­es Ver­hal­ten in der Öffentlichkeit ist unter keinen Umstän­den zu dulden und muss hart geah­n­det wer­den. Denn zum Inhalt und dem Stand­punkt kommt hier noch ein enormes Schädi­gungspo­ten­tial des öffentlichen Bildes der DB und somit jedes einzel­nen Bun­des, sowie die sich bere­its abze­ich­nen­den Span­nung inner­halb des Dachverbandes. 

Son­stige Vorkommnisse 

Unmit­tel­bare eigene Deobach­tu­naen: keine 

Wor­tu­na:  Das Tra­gen von entsprechen­den Parteiabze­ichen sowie das Beken­nen zum Nation­al­sozial­is­mus sind eben­so aufs schärf­ste zu verurteilen und sind in meinen Augen ein klar­er Selb­stauss­chluss. Recht­sradikale Folk­lore hat NICHTS in unserem Dachver­band zu suchen, egal wo und vor welchem Hin­ter­grund vor­ge­tra­gen. Und dies fällt auch NICHT in de Kat­e­gorie „Bier­laune”, denn man ken­nt und singt nicht plöt­zlich Lieder die man son­st nicht sin­gen würde. 

Erk­lärung

Ich ver­sichere, dass ich all diese Angaben nach bestem Wis­sen und Gewis­sen gemacht habe und nur Sachver­halte angebe, der­er ich mir abso­lut sich­er und in der Erin­nerung ungetrübt bin. Dieses Pro­tokoll schließt NICHT aus, das weit­eres Vorge­fall­en ist, da ich mich über­wiegend vor dem Brun­nenkeller aufge­hal­ten habe und meine Aufmerk­samkeit auf Gespräche mit Ver­bands­brü­dem gelenkt habe. 

Andreas Wolff Z!x

Ein Ver­fahren gegen die Graz­er Cheruskia wurde wegen ver­bandss­chädi­gen­den Ver­hal­tens ein­geleit­et, das aber 2011 ein­stim­mig eingestellt wurde.

DB: Einleitung des Verfahrens gegen die Cheruskia Graz

DB: Ein­leitung des Ver­fahrens gegen die Cheruskia Graz

DB 2011: Einstellung der Untersuchung gegen die Cheruskia Graz

DB 2011: Ein­stel­lung der Unter­suchung gegen die Cheruskia Graz

Jet­zt kann man natür­lich alleine aus der Mit­glied­schaft der Cherusken in der DB und dort auch noch in der extrem recht­en BG ableit­en, dass es sich bei den Cherusken um eine deut­lich recht­sex­treme Burschen­schaft han­delt. Aber wir wollen da auch nicht mit weit­eren Bele­gen sparen. Das ver­schenk­te Lieder­buch haben wir schon genan­nt. Die Web­site der Cherusken war nicht immer so keusch wie jet­zt, wo sich nur mehr ein Impres­sum und ein kurz­er Text zu „wer wir sind” find­et. So haben wir in der Ver­gan­gen­heit gestöbert und weit­ere inter­es­sante Belege gefunden.

Die schlank gehaltene Cherusker-Website 2019

Die schlank gehal­tene Cherusker-Web­site 2019

Unter den Ver­weisen (Links), die die Cherusken noch vor weni­gen Jahren, als sie noch etwas offen­herziger waren, emp­fohlen haben, fan­den sich solche zu den Web­seit­en „Vorkriegsgeschichte.de“ (die von dem deutschen Geschicht­sre­vi­sion­is­ten Gerd Schutze-Rhon­hof betrieben wurde, der bei der Cheruskia 2000 auch als Ref­er­ent auf­trat). Der Cherusker-Link „Ver­brechen an der deutschen Bevölkerung“ führt zu diesem Text: „Weit­ge­hend ver­schwiegen oder auf die biol­o­gis­chen Lösung hof­fend, wer­den Ver­brechen an der deutschen Bevölkerung weitest­ge­hend ver­schwiegen“). Weit­ers war ein­Link auf den „Vere­in Gedächt­nis­stätte Bor­na“ zu find­en, einem Wall­fahrt­sort für Alt- und Neon­azis sowie Geschicht­sre­vi­sion­is­ten, wie die Beschrei­bung auf der Antifa-Seite Chronikle.org besagt.

Die Links auf der Cheruskia-Website 2009

Die Links auf der Cheruskia-Web­site 2009

Die Auswahl der Links ist sich­er so zufäl­lig und unschuldig erfol­gt wie die Auswahl der Lied­chen für die pen­nalen Knit­telfelder. Das Strick­muster der Links fol­gt aber der Erzäh­lung über ihre eigene Ver­bands­geschichte. Da gibt es eine Zeit vor dem Nation­al­sozial­is­mus und eine nach dem Nation­al­sozial­is­mus. Das Dazwis­chen wird aus­ges­part, obwohl sich da einige Cherusken beson­ders eifrig hervortaten.

Siegfried Uiber­re­i­ther, Gauleit­er und Lan­deshaupt­mann der Steier­mark im Nation­al­sozial­is­mus bis zum Schluss, hoher SA-Funk­tionär war nicht nur ein beson­ders übles Nazi-Exem­plar, son­dern auch ein Cheruske. Wie geht die Cheruskia mit ihrem Ober­nazi um? Wir wis­sen es nicht. Wolf­gang Wol­fram von Wol­mar, SS-Haupt­sturm­führer, nation­al­sozial­is­tis­ch­er Vielfach­funk­tionär und Autor des Romans ‚Daisy. Ein Mädel erlebt den Führer‘,war eben­falls Cheruske, wie Bern­hard Wei­dinger in sein­er Studie „Im nationalen Abwehrkampf der Gren­z­land­deutschen“ (Böh­lau Ver­lag. Wien 2015) schreibt.

Die Cheruskia Graz war über die Jahre hin­weg immer im extrem recht­en Lager ange­siedelt. Wei­dinger zitiert in seinem Buch dazu einen Burschen­schafter von den Oberöster­re­ich­er Ger­ma­nen, der die „Cheruskia Graz“ als einen jen­er Bünde in den 1970er-Jahren erwäh­nt, „die einen sehr radikalen Kurs vertreten“. Das ist auch in der jüng­sten Ver­gan­gen­heit so geblieben. Peter D. , ein rabi­ater Aktivist der Iden­titären, ist eben­so Cheruske wie es ein beson­ders anti­semi­tis­ch­er Bezirks­funk­tionär der Graz­er FPÖ jeden­falls war (wir haben mehrmals über ihn berichtet). Aus der FPÖ wurde der jeden­falls auf Nach­frage der „Kleinen Zeitung“ 2012 aus­geschlossen – von den Cherusken haben wir nichts gehört. Aber dort geniert man sich ja bis heute nicht für anti­semi­tis­che Het­zstro­phen, denn bis­lang gibt es keine erkennbare Reak­tion zu dem braunen Lieder­buch, das die Cherusken so aufmerk­sam für die Knit­telfelder Pen­näler zusam­mengestellt haben.

Die Cheruskia übers Vaterland

Die Cheruskia übers Vaterland