Gefragt, ob er Verbindungen der FPÖ zu den rechtsextremen Identitären ausschließen könne, sagte Strache: „Die Freiheitliche Partei hat mit den Identitären nichts zu tun.“ Es sei auch klare Beschlusslage der Partei, dass jemand, der sich dort engagiere, „auch keinerlei Funktion in der FPÖ innehaben kann“. Freilich könne er nie ausschließen, wenn jemand zu ihm komme und ein gemeinsames Foto wolle, während er im Land unterwegs sei, sagte Strache. Er frage ja nicht jeden, der ein Selfie wolle, bei welchem Verein er tätig sei. (…) Es sei auch klare Beschlusslage der Partei, dass jemand, der sich dort engagiere, „auch keinerlei Funktion in der FPÖ innehaben kann“. (orf.at, 27.3.19)
Bundesebene
Parteichef Strache hatte auf Facebook mehrfach seine Sympathien für die „junge[n] Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft” (2016) zum Ausdruck gebracht. Wenn er sich nun auf die „Bewertungsgrundlage im Jahr 2016“ beruft, bleibt er uns die Antwort schuldig, was sich – bis auf die Überweisung durch den Christchurch-Attentäter auf Sellners Konto – geändert hat. Die Antwort: Nichts, denn die Ideologie, auf die sich auch der Attentäter bezogen hatte, war immer dieselbe. Dass Strache mit den Identitären am Tisch im Spielfelder „Las Legas“ saß, war ohnehin nur mehr eine Zugabe.
Allgemein bekannt ist, dass ausgerechnet der jetzige Innenminister Herbert Kickl bei dem vom indentitär-nahen Info-Direkt unter starker Präsenz von Identitären organisierten Kongress der Verteidiger Europas 2016 einen bemerkenswerten Auftritt hinlegte. Wie untrennbar verbunden er sich dem dortigen Publikum fühlte, ist hier nachzulesen.
Weniger bekannt ist, dass aus Kickls Kabinett der Ex-Chef von „unzensuriert“, Alexander Höferl, seine persönliche Affinität zu den Identitären via Facebook zeigte, was aus einer parlamentarischen Anfrage der Grünen im Bundesrat hervorgeht:
Wie aus dem Screenshot ersichtlich, ist Höferl Fan der Identitären Bewegung (IB) und deren Subseite ‚Defend Europe’, einer Kampagne, im Zuge derer Aktivisten der Identitären mit dem gecharterten Schiff C‑Star durchs Mittelmehr kreuzten, um die Rettung von Geflüchteten zu verhindern. Finanziert wurde die Aktion durch Crowdfunding über die US- Plattform ‚wesearchr.com’, die laut Recherchen der ‚Tagesschau’ vom Alt-Right-Aktivisten Charles C. Johnson gegründet wurde.Weiters wird berichtet: ‚Die von US-Neonazi Richard S. Spencer gegründete Website ‘Altright.com’ pries in martialischen Worten die IB im Juli für ihren Beitrag zur ‘Schlacht um das Mittelmeer’ und behauptete, ‘junge Weiße überall in der Weißen Welt’ würden nun ‘angesichts ihrer Entrechtung erwachen’. Das seien ‘ermutigende Nachrichten’. Insbesondere die Videos der kanadischen YouTuberin Lauren Southern zeigen, dass die internationale Vernetzung zwischen IB und Alt-Right Früchte in Form von großen Reichweiten auch bei einem jungen Zielpublikum trägt. Sie begleitete gemeinsam mit der US-Amerikanerin Brittany Pettibone die ‚Defend Europe’-Aktion und setzte regelmäßig Video-Blogs dazu ab.
Höferl war auch FB-Fan von Lauren Southern sowie von der „Sezession“, dem zentralen medialen Organ der „Neuen Rechten” und der Identitären. Zudem nahm Höferl 2016 ebenfalls am Linzer Kongress der selbsterannten Verteidiger Europas teil, wovon es – wie von anderen blauen FunktionärInnen – auch ein schönes Foto gibt.
Dass Herbert Kickl darin kein Problem sah, ist aus der Beantwortung der Anfrage ersichtlich: Einige Fragen beantwortete er gleich gar nicht, jene nach der Relevanz der Einschätzung der Identitären durch den deutschen Verfassungsschutz („Wir sehen bei der ‚Identitären Bewegung’Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.“) durch einen Satz, den der Verfassungsrechtler Heinz Mayer als „deutschnationale Diktion“ (derstandard.at, 25.2.18) bezeichnete: „Die Relevanz ergibt sich aufgrund der geographischen Nähe und der kulturellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten.“ Vom Standard dazu befragt, meinte Höferl treuherzig, er habe mit seinen Likes ein „rein privates Interesse an Information“ bekundet. Höferl hat irgendwann nach der Anfrage seine Likes ausgemistet.
Der Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zanger nahm am 13.2.2016 an einer Kundgebung der Identitären in Judenburg teil und trat dort sogar als Redner auf. Auf seinem Facebook-Account vermeldete er (samt Belegfoto):
Heute bei einer Kundgebung der Identitären Bewegung Steiermark in Judenburg, wo 400 bis 500 Menschen aus der Region ihre berechtigte Sorge über das von der Regierung verursachte Asylchaos zum Ausdruck brachten. Herzlichen Dank dafür, dass ich Gelegenheit bekommen habe, einige Worte an unsere Bürger richten zu dürfen! Du willst mitmachen bei uns für UNSERE HEIMAT UND UNSERE LEUTE? Dann melde dich gleich an: www.fpoemitglied. at — „Werde Partei” anklicken! Wir freuen uns auf dich!
Die identitären Spuren führen auch direkt in den freiheitlichen Parlamentsklub: Parlamentarischer Mitarbeiter des Grazer Nationalratsabgeordneten Axel Kassegger ist Siegfried Waschnig, dessen Verbindungen zu den Identitären so klar wie vielfältig sind: Er publizierte in diversen identitären Organen, er war Kassier des in Graz beheimateten identitären Vereins für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit, und er trat bei identitären Kundgebungen als Sprecher auf.
Bernadette Conrads ist Mitarbeiterin des Salzburger Abgeordneten Christian Pewny. Für ihre Beschäftigung im blauen Parlamentsklub waren weder ihr Engagement bei den Identitären noch ihre unzähligen Hasspostings auf Facebook ein Hindernis.
Über seine Hasskommentare stolperte aber Alexander Schleyer, seine zeitweise Mitgliedschaft bei den Identitären war kein Grund für den Abgeordneten Höbart, ihn bis zum Publikwerden seiner Kommentierungen als Mitarbeiter zu beschäftigen. Schleyer dockte nach seinem Ende im FPÖ-Parlamentsklub wieder bei den Identitären an und gab 2017 den Schiffskapitän auf der C‑Star bei der oben erwähnten Mittelmeer-Mission.
Landesebene
Eine Auflistung der Beziehungen von FPÖ-FunktionärInnen zu den Identitären haben wir bereits im Mai 2016 vorgenommen, hier eine (bei weitem nicht vollständige Zusammenfassung) mit Ergänzungen:
In Wien sind die BezirksrätInnen Katharina Walter (Landstraße) und Jan Kevin Pawlik (Penzing)* zu nennen. Pawlik war auch Teilnehmer am Linzer Kongress der Europaverteidiger. Walter nahm im Juni 2017 am Identitären-Aufmarsch in Berlin teil.
Dass der Leopoldstädter FPÖ-Bezirksrat Jürgen Michael Kleppich zwei Mal mit T‑Shirts aus dem identitären Versandhandel „Phalanx Europa“ in Israel posierte, löste zwar weltweite Reaktionen aus, für seine politische Funktion hatte es aber keine Folgen.
Bereits legendär ist die unverhohlene Nähe bei Mitgliedern aus der burgenländischen FPÖ und den Identitären: Der damalige RFJ-Vorsitzende und aktuelles Mitglied des Vorstands Werner Wassicek freute sich, „dass er das Potential dieser Gruppe schon früh erkannt hat. ‚Vor wenigen Jahren wurden die Aktivisten noch belächelt, heute sind sie zu einer Organisation gewachsen, die aus Österreich nicht mehr wegzudenken ist – und das ist gut so‘.“ (RFJ Burgenland 18.10.15)
Auch Géza Molnár hat seine ideologische Sympathie und Teilnahme bei (zumindest) einer identitären Veranstaltungen nicht geschadet: Er ist seit 2016 Klubobmann der FPÖ Burgenland und stellvertretender Parteichef. Nach Molnárs Besuch eines Vortrags des damaligen identitären Leiters der AG Theorie, Alexander Markovics, meinte er:
Sein Befund nach dem „Erstkontakt”: Der Inhalt des Vortrags sei „völlig unbedenklich” gewesen, sagte Molnár zum KURIER. Thema war der „große Austausch”, was die Identitären darunter verstehen, ist auf deren Homepage nachzulesen. „Die Österreicher werden immer weniger und (…) durch Unmengen an Einwanderern ersetzt. Das (…) ist eine Selbstabschaffung.” Es sei um die demographische Entwicklung gegangen, so Molnár. Die Antworten der Identitären? „Änderung der Familienpolitik und Zuwanderungsstopp.“ (SdR zit. nach Kurier, 22.6.15)
Wie „unbedenklich“ die identitäre Ideologie ist, mussten wir in Christchurch sehen.
In Niederösterreich stach besonders der Wiener Neustädter Vize-Bürgermeister Michael Schnedlitz mit einem fast als enthusiastisch zu bezeichnenden Statement heraus. Am 25. Februar 2016 begrüßte er bei einer Kundgebung die Identitären so:
Liebe identitäre Bewegung, ich begrüße Euch recht herzlich in Wiener Neustadt! Hier seid Ihr sehr herzlich willkommen!“ – Mächtiger Applaus. Der Redner setzt fort: „Bewegungen wie die Pegida in Deutschland , die sind die Speerspitze, die die Bevölkerung im Kampf gegen die Bundesregierung und gegen dieses System noch gebrauchen wird. (…) Und jeder einzelne Bursch und jedes einzelne Mädel von Euch, die heute hier sind (…), hat mehr Rückgrat und mehr Charakter als diese gesamte Bundesregierung.
Aber auch der heutige Klubobmann im Nationalrat Walter Rosenkranz flötete bei der Kundgebung in Richtung Identitäre, die er als seine „lieben Landsleute“ warm begrüßte.
Die Steiermark ist neben dem Burgenland eine wahre Hochburg blauer und identitärer Verschmelzungen: Neben dem Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio und dem Dritten Landtagspräsidenten Gerhard Kurzmann (beide nahmen an Demonstrationen der Identitären teil, Eustacchio war auch Redner beim Kongress der Verteidiger Europas Anfang 2018) ist hier der Gemeinderat Heinrich Sickl hervorzuheben. Sickl hatte mit der Übernahme des Vorsitzes im steirischen FAV (Freiheitlicher Akademikerverband) auch die Hand auf der mittlerweile eingestellten „Aula“. In der letzten Nummer wies die „Aula“ mit einem mehrseitigen Special für die Identitären ihre Referenz.
Jedoch pflegt auch die Aula-Nachfolge „Freilich-Magazin“ die Bande zu den Identitären weiter – und zwar intensiver als jemals zuvor. So darf in den ersten beiden Nummern der Identitäre Martin Lichtmesz (eigentlich Martin Semlitsch) sein Schlusswort „Das Letzte“ beisteuern. Das gesamte Magazin ist auf Themen und Rhetorik der Neurechten ausgerichtet. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch weitere Identitäre Wortspenden fürs blau-burschenschaftliche Blatt absondern konnten.
In Oberösterreich haben die Identitären ihr Quartier („Khevenhüller-Zentrum“) im Keller des Hauses aufgeschlagen, in dem auch die Burschenschaft Arminia Czernowitz beheimatet ist. Deren Mitglieder lesen sich wie ein Who is Who aus der (männlichen) FPÖ-Riege in Oberösterreich. Die Verbundenheit war auch beim diesjährigen Burschenbundball zu sehen, bei dem sich die blaue „Islamexpertin“ Laila Mirzo mit Martin Sellner ablichten ließ.
In Salzburg zeigten insbesondere der FPÖ-Chef von Salzburg-Stadt Andreas Reindl und der gescheiterte Landtagskandidat Reinhard Rebhandl keinerlei Berührungsängste zu den Identitären. Letzterer beteiligte sich 2016 nicht nur an identitären Demos in Freilassing, sondern hielt auch eine Begrüßungsrede, als seine Burschenschaft, die Gothia Salzburg, zu einem identitären Abend mit dem Thema „Der große Austausch“ lud. Die Beziehungen der Identitären zu den Gothen sind so intensiv, dass man sogar gemeinsam Sommersonnwend feiert. Rebhandl gefiel das nicht nur auf Facebook, er feierte offenbar auch mit. In seiner Facebook-Freundschaftsliste finden sich die Spitzen der rechtsextremen Identitären.
FPÖ-nahe Medien
Ein eigenes Kapitel stellen die FPÖ-nahen Medien dar. Das „Freilich-Magazin“ haben wir bereits erwähnt. Eine wahre Fundgrube für identitäre Hofberichterstattung ist „unzensuriert“.
Ungebrochen loyal mit den Identitären zeigt sich auch dieser Tage der „Wochenblick“, was jedoch wenig verwunderlich ist. Chefredakteur ist mit Johannes Schüller einer der Gründer der Identitären Deutschland. Im letzten Herbst holte man den Identitären Julian Utz als Redakteur an Bord. Utz soll auch bei jener Truppe dabei gewesen sein, die im April 2016 die Aufführung von Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ im Audimax gestört hat.
Äußerst nahe Beziehungen mit den Identitären pflegt auch „Info-Direkt“, was sich schon alleine an der gemeinsamen Organisation des Kongresses der „Verteidiger Europas“ zeigt.
Dass die FPÖ massenhaft Inserate in diesen Medien schaltet und Herbert Kickl dort sogar polizeilichen Nachwuchs suchen ließ, rundet das Bild der engen Verwobenheit zwischen Identitären und FPÖ nur mehr ab.
Vielleicht ist Strache nur ein Opfer eines eingengten Sichtfeldes, und er sieht in seiner Partei den identitären Wald vor lauter identitären Bäumen nicht.
Update 30.3.19: Wie „Der Standard“ berichtet, ist Pawlik auch in Straches Ministerium beschäftigt: „Im Sportressort arbeitet ein junger Mann, der mehrmals im Umkreis des Führungskaders der Identitären Wiens auftauchte. Er ist dort in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit tätig. (…) Während Beobachter der rechtsextremen Szene davon ausgehen, dass der Anfang Zwanzigjährige, der auch auf Bezirksebene für die FPÖ Wien aktiv ist, selbst zu den Identitären Wien gehört, relativiert man das in der Partei. ‚Na ja, er hat uns gesagt, dass er auf ein bis zwei Demos der Identären war – das ist aber schon ungefähr zwei Jahre her –, aber dass er nie Mitglied war’, so Grünsteidl. Ob man außer dem Mitarbeiter selbst noch andere Leute zu dessen Verbindungen befragte, verneint der Sprecher Straches: ‚Er hat das glaubhaft versichert.’ Offenbar war seine Nähe zu Identitären jedenfalls Thema im Ministerium. (…) Wenige Stunden nach dem Telefonat des STANDARD mit Grünsteidl verschwand das Facebook-Profil des Mitarbeiters.“
Weiterführend: Der Standard, Die Verflechtung der Freiheitlichen mit Identitären ist enger als bisher bekannt