Herbert Kickl und seine Gleichgesinnten

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Ist der Innen­mi­nis­ter Öster­reichs – ein Neo­na­zi? Oder ist Her­bert Kickl ein Iden­ti­tä­rer? Oder ein­fach ein Rechts­extre­mist? Das sind Fra­gen, die Her­bert Kickl, FPÖ-Innen­mi­nis­ter, sel­ber beant­wor­ten soll­te. Schließ­lich hat er – und nicht wir – davon gespro­chen, dass er sich unter „Gleich­ge­sinn­ten“ befin­de, als er sei­ne Eröff­nungs­re­de beim Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Euro­pas“ in Linz im Okto­ber 2016 hielt.

Der Kon­gress in Linz war in sei­ner Selbst­be­schrei­bung „der ers­te öster­rei­chi­sche Kon­gress gegen die eth­no­kul­tu­rel­le Ver­drän­gung der euro­päi­schen Völ­ker“. Das klingt nach dem Wor­ding der Iden­ti­tä­ren – und die waren dort auch zahl­reich ver­tre­ten, neben Bur­schen­schaf­tern, Putin-Anbe­tern und Neo­na­zis. Ja, auch die waren unter den in Linz ver­sam­mel­ten „Ver­tei­di­gern Europas“.

Aus der Grundsatzerklärung der "Verteidiger Europas"

Aus der Grund­satz­er­klä­rung der „Ver­tei­di­ger Euro­pas” (Web­ar­chiv)

Sascha Roß­mül­ler etwa, der aus Bay­ern ange­reis­te schwe­re Neo­na­zi. Oder der Wie­ner Wolf­gang L. ali­as „Sowi­lo“, der bei fast kei­nem rechts­extre­men Auf­marsch fehlt. Der Blog „Anti­fa-Recher­che“ hat eini­ge der brau­nen und sons­ti­gen rechts­extre­men Gesel­len doku­men­tiert. Es waren nicht wenige.

Wir wol­len nicht ver­schwei­gen: Neben dem Refe­ren­ten Kickl waren auch etli­che FPÖ-Funk­tio­nä­re im Publi­kum. Aber sind die Ripfls und Co. wirk­lich eine Ent­las­tung für Kickl und den Kon­gress? Alle für Kickl „Gleich­ge­sinn­te“? Dann waren da noch die Ord­ner, die sich der Kon­gress hielt: Neo­na­zis und Iden­ti­tä­re, wie eine wei­te­re Anti­fa-Recher­che belegt. Die letz­te­ren hat Her­bert Kickl, der damals noch Gene­ral­se­kre­tär der FPÖ war, ver­mut­lich nicht im Sinn gehabt, als er in sei­ner Rede gleich zu Beginn das Publi­kum des Kon­gres­ses lobte:

Es ist ein Publi­kum, wie ich mir das wün­sche und wie ich mir das vorstelle.“

Bei die­ser äußerst wohl­wol­len­den Ein­schät­zung blieb er auch nach­träg­lich in einem Inter­view mit „unzen­su­riert-TV“:

Es hat mich schon sehr gefreut, in einen Saal zu schau­en, wo wir schon ein sehr jun­ges Publi­kum haben, wo wir Ver­tre­ter aller Schich­ten haben.“

Aller Schich­ten? Aller rechts­extre­men Schich­ten vielleicht!

Der Ver­fas­sungs­schutz, der vor Beginn des Kon­gres­ses eine Gefähr­dungs­ein­schät­zung für die ober­ös­ter­rei­chi­sche Lan­des­re­gie­rung ablie­fer­te, kam hin­sicht­lich der bei­den Medi­en, die den Kon­gress tru­gen, jeden­falls zu fol­gen­der Einschätzung:

Der Verfassungsschutz zum Kongress der "Verteidiger Europs" 2016

Der Ver­fas­sungs­schutz zum Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Europs” 2016

Die Anbie­de­rung Kick­ls an das rechts­extre­me Publi­kum ging im Ver­lauf sei­ner Rede aber noch weit über sei­ne Schmei­che­lei zu Beginn hin­aus. Mit simp­len rhe­to­ri­schen Mit­teln schafft er die Über­ein­stim­mung mit den „Ver­tei­di­gern Euro­pas“, mit den „Gleich­ge­sinn­ten“, die er zu einem vehe­men­ten Wider­stand und zum offen­si­ven Kampf auffordert.

ReferentInnen beim Kongress der "Verteidiger Europs" in Linz 2016 (Scrennshot Webarchiv)

Refe­ren­tIn­nen beim Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Europs” in Linz 2016 (Scrennshot Webarchiv)

Jetzt, wo ein Teil der „Gleich­ge­sinn­ten“ von Linz, die Iden­ti­tä­ren, in Ver­ruf gekom­men ist und aus­ge­rech­net das Innen­mi­nis­te­ri­um unter Kickl ihre Auf­lö­sung als Ver­ein prü­fen soll, muss Kickl offen­le­gen, wie er es mit sei­nen „Gleich­ge­sinn­ten“ hält.

Aussteller (Auszug) beim Kongress der "Verteidiger Europs" in Linz 2016 (Scrennshot Webarchiv)

Aus­stel­ler (Aus­zug) beim Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Europs” in Linz 2016 (Scrennshot Webarchiv)

Eigent­lich woll­ten wir hier die gan­ze Rede von Kickl mit ihren prä­gnan­tes­ten Aus­sa­gen doku­men­tie­ren. Die „Ver­tei­di­ger Euro­pas“ haben die kom­plet­te Rede (mehr als 15 Minu­ten) aber bis heu­te nicht öffent­lich zugäng­lich gemacht, son­dern nur ein­zel­ne Pas­sa­gen. Die sind jedoch auf­schluss­reich genug (Her­vor­he­bun­gen SdR):

Wir kön­nen tun und machen, was wir wol­len und sie wer­den ihre Nase rümp­fen, weil ihnen unse­re ideo­lo­gi­sche Ein­stel­lung nicht passt. (…) Und ich für mei­nen Teil, ich den­ke kei­ne Sekun­de dar­an, dass ich in Zukunft viel­leicht beim Herrn Öllin­ger, die­sem … die­sem grü­nen Fos­sil aus längst ver­gan­ge­nen Tagen und sei­nen Ver­bin­dungs­leu­ten im „Stan­dard“, die da eine Art Gesin­nungs­s­ta­si betrei­ben, quer übers Land, dass ich bei denen anfra­gen wer­de oder dass ich bei einem Herrn Rauscher anfra­gen wer­de, des­sen Gedan­ken­welt in so ein klei­nes Kas­terl im „Stan­dard“ passt oder dass ichnach­fra­gen wer­de viel­leicht beim Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des Öster­rei­chi­schen Wider­stan­des, einem Ver­ein, der an der Spit­ze der Ska­la der soge­nann­ten unnö­ti­gen Ver­ei­ne steht. (…)

Die Poli­ti­cal Cor­rect­ness ist die Waf­fe die­ser Leu­te im täg­li­chen Gebrauch und die Poli­ti­cal Cor­rect­ness ersetzt die Zehn Gebo­te in den Redak­ti­ons­stu­ben. Da genügt die­ser eine Satz – und die­se Lis­te und die­ser Index wird immer län­ger. Ich hab erst unlängst gele­sen, dass auch das Wort Iden­ti­tät schon dazu­ge­hört. Das darf man auch nicht mehr ver­wen­den – auch wahr­schein­lich einer die­ser Codes, die in Wahr­heit brand­ge­fähr­lich sind – und wenn man sie ver­wen­det, outet man sich schon als Trä­ger einer ganz, ganz üblen Gesin­nung. Aber wir müs­sen die­sen Kampf offen­siv auf­neh­men und dür­fen uns hier kei­nen Mil­li­me­ter zurück­drän­gen las­sen, genau­so wie wir uns hier nicht zurück­drän­gen las­sen, wenn wir uns ver­sam­meln wol­len zu einer Dis­kus­si­ons­ver­an­stal­tung, wo wir unter­ein­an­der, unter Gleich­ge­sinn­ten uns tref­fen und wo wir unse­re Posi­tio­nen aus­tau­schen wol­len und sie dann in wei­te­rer Fol­ge wie­der hin­aus­tra­gen. Der Wider­stand muss von uns über­all mit der glei­chen Vehe­menz geführt werden.

Die Web­site zum Kon­gress 2016 ist nur mehr über das Web­ar­chiv zu fin­den, hier fin­den wir die media­len Part­ner, die Aus­stel­ler und auch die ReferentInnen.

Medienpartner beim Kongress der "Verteidiger Europs" (Scrennshot Webarchiv)

Medi­en­part­ner beim Kon­gress der „Ver­tei­di­ger Europs” (Scrennshot Webarchiv)