So tönte Strache am 9.5.2018 in der Puls 4‑Arena so:
Wir haben bei uns eine klare Definition, dass, wenn jemand bei uns Funktionär ist, dann kann er nicht Mitglied bei den Identitären sein. (…) Wenn einer das gewesen ist und sich klar getrennt hat, dann ist das zu akzeptieren. Aber wenn jemand glaubt, er kann bei uns als Funktionär auch ein Mandat haben und ist bei den Identitären, dann geht das nicht. (https://www.puls4.com/pro-und-contra/videos/PULS-4-Arena/PULS-4-Arena-mit-Heinz-Christian-Strache; nicht mehr online)
Wenige Tage später war der FPÖ-Klubobmann Gudenus an der Reihe mit einem eher peinlichen Dementi im Ö 1 Mittagsjournal am 15.5.18:
„Wir machen unsere freiheitliche Politik. Und die Identitären sind eine ganz andere Vereinigung. Das hat mit uns eigentlich überhaupt nichts zu tun.“
Nun, das war schon etwas anders zu lesen. Nachdem im April 2016 die Identitären eine Aufführung der „Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek im Audimax der Uni Wien gestürmt hatten, flötete Strache auf Facebook (und teilte sogar Video und Kommentar der Identitären dazu):
Die Identitären sind eine parteiunabhängige nicht-linke Bürgerbewegung, welche ihren friedlichen Aktionismus — offensichtlich als Kontrast und kritisches Spiegelbild — von den Linken entlehnt haben, welche im Gegensatz zu den Identitären oftmals jedoch leider gewalttätig handeln.Sie sind quasi junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft.
Die Identitären als weichgezeichnete Kuschelbärlis – das weicht doch ziemlich stark von der Realität ab und passt auch nicht wirklich zur Charakteristik im Verfassungsschutzbericht:
Die als „Bewegung“ auftretende Szene, stellt die „Identität des eigenen Volkes“ in den Mittelpunkt ihrer Propaganda. Unter dem Deckmantel das jeweilige Land respektive „ganz Europa“ vor einer „Islamisierung“ und vor Massenzuwanderung schützen zu müssen, wird auf einer pseudo-intellektuellen Grundlage versucht, das eigene rassistisch/nationalistisch geprägte Weltbild zu verschleiern. Die Distanzierung vom Neonazismus in öffentlichen Statements ist als taktisches Manöver zu werten, da sich in den Reihen der Bewegungseliten amtsbekannte Neonazis befinden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestehen. (Verfassungssschutzbericht 2014)
So schaut Straches Bürgerbewegung in Wirklichkeit aus! Wie aber verhält es sich mit den Beziehungen zwischen der FPÖ und den Identitären? Offensichtlich gibt es trotz fallweiser Dementis und Distanzierungen von Strache, Hofer bis Gudenus ganz ausgezeichnete Beziehungen, die weit über die von den Grazer Grünen angesprochene Nähe des FPÖ- Gemeinderats Heinrich Sickl zu den Identitären hinausgeht.
Mario Eustacchio, Vizebürgermeister der Stadt Graz, nahm im November 2015 an einer Demonstration der Identitären in Spielfeld teil (gemeinsam mit Heinrich Sickl).
Gerhard Kurzmann, Dritter Präsident des steirischen Landtags, demonstrierte im Jänner 2016 mit den Identitären gegen eine Flüchtlingsunterkunft und Reinhard Rebhandl, Kandidat der FPÖ für den Salzburger Landtag, nahm nicht nur an einer Demo der Identitären am Grenzübergang Freilassing teil, sondern war auch bei einer gemeinsamen Sonnwendfeier der Identitären und seiner Burschenschaft Gothia dabei. Wolfgang Zanger, Nationalratsabgeordneter der FPÖ, rief zu einer Kundgebung der Identitären in Judenburg Anfang Februar 2016 auf, während Michael Schnedlitz, FPÖ-Vizebürgermeister in Wiener Neustadt, eine Demonstration der Identitären in Wiener Neustadt Ende Februar 2016 ganz feierlich begrüßte: „Liebe identitäre Bewegung, ich begrüße Euch recht herzlich in Wiener Neustadt! Hier seid Ihr sehr herzlich willkommen!“
„Diese Bundesregierung mit nassen Fetzen aus dem Parlament treiben“
Schon weniger bekannt ist, dass auch der heutige Klubobmann der FPÖ im Nationalrat, Walter Rosenkranz, damals in Wiener Neustadt die Identitären als seine „lieben Landsleute“ von der Rednerbühne aus begrüßen durfte, während diese „Wir sind das Volk“ skandierten. Ermutigt durch die Zurufe, brüllte der Vizebürgermeister Michael Schnedlitz ins Mikro: „Wenn wir diese Kraft fortsetzen, dann werden wir diese Bundesregierung mit sprichwörtlichen nassen Fetzen aus dem Parlament treiben.“
In diesem wie in allen anderen bisher geschilderten Fällen gab es keine Konsequenzen, nicht einmal eine Distanzierung durch Parteigremien.
Der FPÖ-Abgeordnete Christian Höbart trennte sich zwar „einvernehmlich“ im Jänner 2017 von seinem parlamentarischen Mitarbeiter Alexander Schleyer, aber nicht wegen dessen enger Beziehung zu den Identitären, sondern wegen einiger übler Hasspostings. Schleyer durfte dann als Kapitän der unfreiwillig ins Humoristische abgeglittenen Mittelmeer-Odyssee der Identitären fungieren. Der identitäre FPÖ- Funktionär Luca Kerbl und der identitäre Freistädter FPÖ-und RFJ- Funktionär Dominic Winkler sind zwei von den wenigen FPÖ-Aktivisten, für die es Konsequenzen setzte. Wohl kein Zufall, dass das nur bei den unteren Chargen passiert.
Apopos RFJ: Der burgenländische RFJ hat über mehrere Jahre immer wieder gemeinsame Seminare mit den Identitären veranstaltet, die Wiener FPÖ-Bezirksräte Katharina Walter und Jan Pawlik waren ebenso an Demos und Aktionen der Identitären dabei wie die Grazer FPÖ-Bezirksrätin Ingrid Lobnig und der RFS-Mann Mario Singer.
Der Fisch aber beginnt am Kopf zu stinken. Schon 2012 begann HC Strache auf seiner Facebook-Seite mit Reklame für den „Funken“, damals das identitäre Zentralorgan.
2015 folgte dann in Spielfeld das Zusammentreffen des FPÖ-Parteichefs am gedeckten Tisch mit Spitzen der steirischen Identitären, festgehalten in einem schönen Foto.
Und was soll man vom Innenminister Herbert Kickl erwarten, der im April 2016 als FPÖ-Generalsekretär dem ORF für die ZIB 2 (15.4.16) noch erklärte, die FPÖ habe mit den Identitären nichts zu schaffen, um dann einige Monate später als Aushängeschild beim von den Identitären mitgeschneiderten Kongress der „Verteidiger Europas“ aufzutreten? Sein Vorgänger als Innenminister, Wolfgang Sobotka, hatte die Identitären so beschrieben: „Ich kenne hier keinerlei Toleranz, hier kann man nicht von Rechtspopulismus sprechen, das sind klassische Rechtsradikale.“ Für Strache, Kickl & Co. gelten da ganz andere Maßstäbe.
P.S.: Einen wichtigen Aspekt der Vernetzung von Identitären mit Freiheitlichen beschreibt der Beitrag „‘Identitäre‘ Burschen“ des DÖW. Vieles läuft nämlich über Burschenschaften und andere deutsch-völkische Korporationen.
⇒ Die braunen Ränder der Identitären (I)
⇒ Die braunen Ränder der Identitären (II)
⇒ Die braunen Ränder der Identitären (III)
⇒ Die braunen Ränder der Identitären (IV)
⇒ Die braunen Ränder der Identitären (V)
⇒ Die braunen Ränder der Identitären (VI)
⇒ Die braunen Ränder der Identitären (VII)