Die braunen Ränder der Identitären (III)

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Seit eini­gen Mona­ten gibt es eine neue und nur über ihre Aktio­nen öffent­lich bekann­te Bewe­gung im rechts­extre­men Spek­trum: die Iden­ti­tä­ren. Zuletzt haben sie mit einer Pro­vo­ka­ti­on in der von Flücht­lin­gen besetz­ten Wie­ner Votiv­kir­che auf sich auf­merk­sam gemacht und dafür viel Applaus im rech­ten Spek­trum erhalten.

Die Iden­ti­tä­ren mei­den Begrif­fe wie Ras­se und spre­chen lie­ber von Eth­no­plu­ra­lis­mus. Der Begriff will sagen, dass jedes Volk, jede Kul­tur sei­ne /ihre eige­ne Iden­ti­tät und Nor­men und das Recht habe, die­se auch zu leben. „Deutsch­land den Deut­schen, die Tür­kei den Tür­ken“ hieß das in den 1980er-Jah­ren bei den „Repu­bli­ka­nern“ in Deutsch­land, „Daham statt Islam“ spä­ter bei der FPÖ. Anders als im Natio­nal­so­zia­lis­mus, der die „ras­si­sche“ Über­le­gen­heit der Deut­schen offen bis zur mör­de­ri­schen Kon­se­quenz pos­tu­lier­te, wird bei den Iden­ti­tä­ren der Ras­sis­mus versteckt:

„Seit dem Beginn der Geschich­te glie­dert sich die Mensch­heit in eine fast end­lo­se Anzahl von Kul­tu­ren, Völ­kern und Stäm­men. Alle haben sie ihre eige­ne Art zu leben, und eine ganz eige­ne Sicht der Din­ge her­aus­ge­bil­det“ (Quel­le: Iden­ti­tä­re Bewe­gung). Das klingt auf den ers­ten Blick nicht ras­sis­tisch, beinhal­tet aber schon die Aus­gren­zung der Ande­ren. „Pro Bor­der — Pro Nati­on“ heißt daher auch eine der Paro­len der Iden­ti­tä­ren. Im Kon­text mit einem ande­ren Slo­gan der Iden­ti­tä­ren, dem „Recon­quis­ta“ sind sie dann schon beim mili­tan­ten und ver­blö­de­ten Ras­sis­mus ange­langt, der die Ein­flüs­se isla­mi­scher bzw. ara­bi­scher auf die euro­päi­sche Kul­tur völ­lig negiert. Übri­gens: Von der ibe­ri­schen Halb­in­sel wur­den nicht nur die Mau­ren, son­dern auch die Juden ver­trie­ben – im Namen eines Religionskrieges.

Mit der Hard­bass-Akti­on „Zer­tanz die Tole­ranz“ und einem Recon­quis­ta-Sym­bol setz­ten die Wie­ner Iden­ti­tä­ren Ende Sep­tem­ber 2012 bei einer Ver­an­stal­tung der Cari­tas am Schlin­ger­markt den Auf­takt für eine Rei­he ähn­li­cher Pro­vo­ka­tio­nen. Getanzt wird bei den Iden­ti­tä­ren zu Hard­bass, ver­steckt hin­ter „Anony­mous“, „ Guy Faw­kes“ und auch „Schweine“-Masken. „Iden­ti­tär“ sind dabei höchs­tens die Schwei­ne-Mas­ken. Alles ande­re, vom Hard­bass bis zur „Anonymous“-Maske, ist mitt­ler­wei­le Teil einer glo­ba­li­sier­ten Pop-Kul­tur, also Teil des­sen, was die Iden­ti­tä­ren bekämp­fen. (Aus­führ­lich dazu FM4: „Rech­te ver­ein­nah­men Hardbass”)


Glo­ba­li­sier­te Pop-Kul­tur, das was die Iden­ti­tä­ren vor­ge­ben zu bekämpfen

Aber wer sind die Iden­ti­tä­ren in Öster­reich, woher kom­men sie? Die Ursprün­ge der Iden­ti­tä­ren lie­gen bei den Bur­schen vom „Sieg­frieds­kopf“ bzw. beim „Fun­ken“, einer Web­site, die sich mitt­ler­wei­le zu so etwas ähn­li­chem wie einem theo­re­ti­schen Organ der deutsch­spra­chi­gen Iden­ti­tä­ren ent­wi­ckelt hat und sich seit län­ge­rem in den Kom­men­tar­spal­ten hef­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit hit­le­ris­ti­schen bzw. natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Pos­tern lie­fert. Der Ver­such des „Fun­ken“, Ideo­lo­gie­strän­ge der fran­zö­si­schen Rechts­extre­men, der ita­lie­ni­schen Alt- und Neo­fa­schis­ten mit Fried­rich Nietz­sche, Carl Schmitt und Karl­heinz Weiß­mann zu ver­quir­len, um dar­aus eine „neu­rech­te” ideo­lo­gi­sche Basis fern­ab vom Natio­nal­so­zia­lis­mus zu schaf­fen, bleibt eine Hirn­ge­burt. Die Distanz zu NS-Ideo­lo­gie und ‑Sys­tem, die bei der „Funke“-Redaktion noch glaub­haf­ter ist, kommt beim Fuß­volk nicht an oder wird nur instru­men­tell, als Distan­zie­rungs­flos­kel, ver­stan­den und benutzt. Die „natio­na­le Idee“ und „Iden­ti­tät“ ist in Öster­reich von rech­ter Sei­te „deutsch­na­tio­nal“ und damit weit­ge­hend in der NS-Tra­di­ti­on defi­niert. Die rech­ten Milieus, aus denen sich die Iden­ti­tä­ren vor­wie­gend rekru­tie­ren, ebenso.

Ein schö­nes Bei­spiel bie­tet die Bur­schen­schaft Armi­nia Czer­no­witz in Linz. Noch vor einem Jahr hat­te sie ihrem Ver­bin­dungs­wap­pen das Sym­bol der lodern­den Flam­me des „Fun­ken“ hin­zu­ge­fügt – ein deut­li­ches Zei­chen, dass die Armi­nia mit den Iden­ti­tä­ren sym­pa­thi­siert. Das tut sie noch immer, und zwar deut­li­cher als je zuvor. Aus dem Umfeld der Armi­nia kommt die Face­book-Grup­pe „Sozia­lis­ti­sche Links­al­ter­nai­ve“, die sich in dem schwie­ri­gen Metier der rech­ten Iro­nie übt. Die Armi­nia Czer­no­witz ist auch jene Bur­schen­schaft, die 2010 den Anti­se­mi­ten Richard Melisch zu einem Vor­trag über die „Kriegs­er­klä­rung der Glo­ba­li­sie­rer“ mit einem von den Nazis geklau­ten und nur gering­fü­gig ver­än­der­ten Sujet ein­ge­la­den hat.


Die neo­na­zis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche Euro­päi­sche Akti­on (EA) bezieht sich eben­falls posi­tiv auf die „Recon­quis­ta“ und „eth­no­kul­tu­rel­le Identität“

„Armi­ni­us Buchen­land“ (ein Nick­na­me) ist ein Bur­schen­schaf­ter der Armi­nia. In einem Face­book-Ein­trag vom Früh­jahr 2012 benennt er unter „Akti­vi­tä­ten und Inter­es­sen“ unter ande­rem den „Fun­ken“, die Grup­pe „Sozia­lis­ti­sche Links­al­ter­nai­ve“, den „Block Iden­ti­tät“ , Johann Gude­nus und die Euro­päi­sche Akti­on. Die Euro­päi­sche Akti­on (EA) haben wir bereits aus­führ­lich beschrie­ben. Wir ergän­zen hier nur um den Hin­weis, dass sich die neo­na­zis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche EA eben­falls posi­tiv auf die „Recon­quis­ta“ und „eth­no­kul­tu­rel­le Iden­ti­tät“ bezieht.

Die brau­nen Rän­der der Iden­ti­tä­ren (I)
Die brau­nen Rän­der der Iden­ti­tä­ren (II)
Die brau­nen Rän­der der Iden­ti­tä­ren (IV)
Die brau­nen Rän­der der Iden­ti­tä­ren (V): Sind die Iden­ti­tä­ren rechtsextrem?
Die brau­nen Rän­der der Iden­ti­tä­ren (VI): Neue Fans …
Die brau­nen Rän­der der Iden­ti­tä­ren (VII): … und alte Bekannte
Die brau­nen Rän­der der Iden­ti­tä­ren (VIII): Kon­tak­te in die Neonazi-Szene?