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Wochenschau KW 4/19

Zwei Pro­zes­se, in denen die Ange­klag­ten jeman­den nach Maut­hau­sen ver­frach­ten woll­ten, der Pro­zess gegen die Iden­ti­tä­ren und gegen die Staats­ver­wei­ge­rer – jeweils in Graz und mit völ­lig ent­ge­gen­ge­setz­ten Urtei­len, ein win­ken­der Bur­schen­schaf­ter und eine gute Nach­richt: Die Grün­dung der Initia­ti­ve „Die Vie­len“ in Öster­reich. Das ist grob der Rück­blick auf die letz­te Woche. Und dazu […]

28. Jan 2019
Aufkleber in Bruck/Leitha (Foto via Twitter @reginapetrik)
Aufkleber in Bruck/Leitha (Foto via Twitter @reginapetrik)

Salz­burg: Poli­ti­ker nach Mauthausen
Kla­gen­furt: Maut­hau­sen für Asyl­wer­ben­de aufmachen
Graz: Beru­fungs­ver­fah­ren bestä­tigt Frei­sprü­che für Identitäre
Graz: har­tes Urteil gegen Staatenbund-Beteiligte
Wien: Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zu AG-Chats
Bruck/Leitha (NÖ): Auf­kle­ber ruft zur Gewalt gegen Frau­en auf
Wien: Wenn ein Gothe winkt
Wien: Grün­dung der Initia­ti­ve „Die Vielen“
Das rech­te Wort der Woche

Salz­burg: Poli­ti­ker nach Mauthausen

Mein Urteil wäre Maut­hau­sen, Ende August hab ich Urlaub und dann dreh ich den Gas­hahn.“Das pos­te­te ein 51-jäh­ri­ger Salz­bur­ger nach den Urtei­len zum SWAP-Pro­zess, in dem sich eini­ge Poli­ti­ker – dar­un­ter der Salz­bur­ger Ex-Bür­ger­meis­ter Heinz Scha­den – wegen für das Land teu­rer Zins­tausch­ge­schäf­te zu ver­ant­wor­ten hat­ten. Das Argu­ment der Ver­tei­di­gung, der Pos­ter habe den Satz nicht ver­voll­stän­digt („Dreht er das Gas auf oder ab? Da feh­len wesent­li­che Ele­men­te im Satz. Das lässt einen gro­ßen Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum offen“) und ein Hin­weis auf sein Alko­hol­pro­blem hal­fen nichts: Der Mann, der zuvor wegen die­ses Pos­tings sei­nen Job ver­lo­ren hat­te, erhielt ein Jahr beding­te Haft und die Wei­sung, bin­nen eines hal­ben Jah­res das KZ Maut­hau­sen zu besu­chen. Das Urteil ist nicht rechts­kräf­tig. (APA via diepresse.com, 22.1.19)

Kla­gen­furt: Maut­hau­sen für Asyl­wer­ben­de aufmachen

Die­se Asso­zia­ti­on ist inzwi­schen sehr häu­fig: The­ma „Asyl­wer­be­rIn­nen“ und Ver­nich­tungs­wün­sche, die sich auf die NS-Mord­ma­schi­ne­rie bezie­hen. Und wie­der ein­mal lan­de­te jemand des­halb vor Gericht: Der 40 Jah­re alte Kla­gen­fur­ter pos­te­te auf Face­book in der Grup­pen­dis­kus­si­on über Asyl­wer­ber ‚Da fehlt der Adolf, die gehö­ren weg’ und reg­te an, Maut­hau­sen wie­der auf­zu­ma­chen. Für Staats­an­wäl­tin Nico­le Sem­bach war damit der Tat­be­stand der Wie­der­be­tä­ti­gung ein­deu­tig erfüllt. Der Ange­klag­te habe mit der For­mu­lie­rung ‚Sol­len sie kom­men mach ma halt Maut­hau­sen wie­der auf Platz genug’ eine der Ziel­set­zun­gen des Natio­nal­so­zia­lis­mus, näm­lich die Tötung uner­wünsch­ter Per­so­nen, in den Raum gestellt und das vie­len Leu­ten zugäng­lich gemacht.” (kaernten.orf.at, 23.1.19) Und auch das ist eine Kom­bi­na­ti­on, die dann als Ver­tei­di­gungs­ar­gu­ment vor Gericht sehr häu­fig vor­ge­bracht wird, ein über­mä­ßi­ger Alko­hol­kon­sum. „Der Ange­klag­te sag­te, er habe sich in einer stark emo­tio­na­len Stim­mung befun­den. Bei sei­ner Arbeit als Secu­ri­ty-Mit­ar­bei­ter in einem Flücht­lings­la­ger in Bay­ern sei ihm von einem Asyl­wer­ber das Nasen­bein gebro­chen wor­den. Er habe Schmer­zen gehabt, nach dem Dienst ein paar Bier getrun­ken, im Inter­net zufäl­lig eine Grup­pe gefun­den, die über das Asyl­the­ma dis­ku­tier­te, und sich mit dem inkri­mi­nier­ten Bei­trag beteiligt.”

Das Urteil: Zehn Mona­te bedingt und eine Geld­stra­fe von 1.200 Euro, nicht rechtskräftig.

Graz: Beru­fungs­ver­fah­ren bestä­tigt Frei­sprü­che für Identitäre

Nach­dem im Som­mer ver­gan­ge­nen Jah­res 17 Iden­ti­tä­re in Graz vor Gericht wegen des Vor­wurfs der Grün­dung einer kri­mi­nel­len Orga­ni­sa­ti­on und der Ver­het­zung stan­den (https://www.stopptdierechten.at/2018/07/27/identitaeren-prozess-in-graz-ein-resuemee-zum-ausgang-der-ersten-runde/) und über­wie­gend frei­ge­spro­chen wur­den – und zwar nach dem Prin­zip „Im Zwei­fel für den Ange­klag­ten“ –, leg­te die Staats­an­walt­schaft Beru­fung ein. Das OLG Graz bestä­tig­te nun das erst­in­stanz­li­che Urteil: Es feh­le der ‚zwei­fels­freie Nach­weis’, dass die­se Grup­pe unter den Chefs Mar­tin Sell­ner und Patrick Len­art ‚zu Hass auf­ge­sta­chelt’ hät­te (…) ‚Das klingt viel­leicht unbe­frie­di­gend, weil die Ange­klag­ten geschickt agier­ten’, über­legt der Vor­sit­zen­de. ‚Aber als Gericht kann man sich nicht auf Zuru­fe kon­zen­trie­ren, das mag dem einen oder ande­ren jetzt nicht pas­sen.’ Ein­zig bei einem Aspekt gab es eine Ände­rung: Ein Ange­klag­ter wur­de zu einer Geld­stra­fe ver­ur­teilt, weil er den Rek­tor der Uni Kla­gen­furt ver­letzt haben soll. Das muss neu ver­han­delt wer­den.“ (kurier.at, 23.1.19 https://kurier.at/chronik/oesterreich/identitaere-haben-grenze-noch-nicht-ueberschritten/400386584). Zusam­men­fas­send: Den Iden­ti­tä­ren und ihren Anhän­ge­rIn­nen wur­de damit ein Bären­dienst erwiesen.

Graz: Har­tes Urteil gegen Staatenbund-Beteiligte

Ganz anders als der Pro­zess gegen die Iden­ti­tä­ren ende­te (nicht rechts­kräf­tig) jener gegen 14 Per­so­nen aus der Staats­ver­wei­ge­rer-Sze­ne, kon­kret gegen die selbst­er­nann­te Prä­si­den­tin des selbst aus­ge­ru­fe­nen Staa­ten­bun­des, Moni­ka U., die in allen Ankla­ge­punk­ten schul­dig gespro­chen und zu 14 Jah­ren unbe­ding­ter Haft ver­ur­teilt wur­de – unter ande­rem wegen Hoch­ver­rats (Straf­rah­men zehn bis 20 Jah­re) und der Grün­dung einer staats­feind­li­chen Ver­bin­dung. Der Zweit­an­ge­klag­te, ein ehe­ma­li­ger Gen­dar­me­rie­be­am­ter, kas­sier­te 10 Jah­ren Haft. Elf Ange­klag­te erhiel­ten zwi­schen drei Jah­ren und ein­ein­halb Jah­ren Haft, Tei­le davon unbe­dingt. Ein Ange­klag­ter fass­te neun Mona­te bedingt aus, muss also nicht ins Gefäng­nis. Sechs Beschul­dig­te, die eben­falls wegen ver­such­ter Bestim­mung zum Hoch­ver­rat ange­klagt waren, wur­den dies­be­züg­lich von den Geschwo­re­nen für nicht schul­dig befun­den — sie sol­len aber an der Bil­dung einer staats­feind­li­chen Ver­bin­dung mit­ge­wirkt haben.” (steiermark.orf.at, 25.1.19)

Es ist zu begrü­ßen, dass hier ein deut­li­ches Signal gegen die Sze­ne gesetzt wur­de, die im Übri­gen zuwei­len schwer anti­se­mi­tisch und ver­schwö­rungs­theo­re­tisch agiert hat. Ob das Urteil jedoch ver­hält­nis­mä­ßig ist, darf bezwei­felt wer­den, zumal die Ange­klag­ten in einer Wei­se agier­ten und argu­men­tier­ten – auch vor Gericht –, dass an deren Zurech­nungs­fä­hig­keit stark zu zwei­feln ist. Das legt auch die Reak­ti­on von U. auf das Urteil nahe, die von „Völ­ker­mord“ sprach.

Wien: Par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zu AG-Chats

Dass sämt­li­che Ermitt­lun­gen zu den unter AG-Leaks bekannt­ge­wor­de­nen Chats von schwar­zen Jus-Stu­die­ren­den ein­ge­stellt wur­den, lös­te bei vie­len Erstau­nen aus. Das hat nun den Juris­ten und Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Alfred Noll (Lis­te Jetzt) auf den Plan geru­fen: Er hat eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an Jus­tiz­mi­nis­ter Moser gestellt: „’Der Ver­dacht der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Wie­der­be­tä­ti­gung ist kei­ne Lap­pa­lie, des­halb wol­len wir im Detail wis­sen, was hier erho­ben wur­de.’ Da es sich bei der Mehr­heit der Beschul­dig­ten um ange­hen­de Juris­ten hand­le, sei man­geln­der Vor­satz unwahr­schein­lich, heißt es in der Anfra­ge – Moser soll beant­wor­ten, ob das Vor­lie­gen des Vor­sat­zes unter die­sem Aspekt geprüft wur­de. Außer­dem soll der Jus­tiz­mi­nis­ter dar­über Aus­kunft geben, ob die Beschul­dig­ten ein­ver­nom­men wur­den, um Auf­schluss über den Vor­satz zu gewin­nen.“ (derstandard.at, 25.1.19) Ange­sichts der man­geln­den Kon­se­quen­zen inner­halb der ÖVP für man­che an den Chats Betei­lig­ten, fra­gen wir uns, ob der Appell von Lukas Man­dl (ÖVP-Abge­ord­ne­te im Euro­päi­schen Par­la­ment) an die jun­gen Men­schen, das Geden­ken wach­zu­hal­ten, um „das zer­stö­re­ri­sche Feu­er des Anti­se­mi­tis­mus“ (ots.at, 26.1.19 ) zu bekämp­fen, an sei­ne eige­ne Par­tei gerich­tet war.

In drei Face­book-Grup­pen (FV Jus­Ak­tiv, Akti­ve AG Jus­ler und FVJus­Män­ner­kol­lek­tiv) und der Whats­App-Grup­pe Bad­ass war­lords tausch­ten sich Mit­glie­der der ÖVP-nahen Akti­ons­ge­mein­schaft (AG) Jus aus. Dar­in wur­den Bil­der wie die­ses gepostet.

Bruck/Leitha (NÖ): Auf­kle­ber ruft zur Gewalt gegen Frau­en auf

Wir ken­nen den Auf­kle­ber, er kur­siert seit Jah­ren und wird an diver­sen Orten ange­bracht: „Lin­ke Wei­ber aus­kno­cken – immer und über­all“. Dazu gibt’s das Kon­ter­fei einer Wie­ner Anti­fa­schis­tin, die nach einer Ver­öf­fent­li­chung eines Buches über die iden­ti­tä­ren immer wie­der bedroht wur­de. Der in Bruck an der Lei­tha ange­brach­te Auf­kle­ber, wur­de zur Anzei­ge gebracht. Das wird ver­mut­lich wie den vor­her­ge­hen­den Fäl­len ergeb­nis­los verlaufen.

Aufkleber in Bruck/Leitha (Foto via Twitter @reginapetrik)
Auf­kle­ber in Bruck/Leitha (Foto via Twit­ter @reginapetrik)

Wien: Wenn ein Gothe winkt

Im Zuge der Don­ners­tags­de­mo am 23.1., die auch bei der Bude der Bur­schen­schaft Gothia zu Wien vor­bei­zog, wur­de Fre­de­rik R. foto­gra­fiert, als er sei­nen rech­ten Arm aus dem Buden-Fens­ter streck­te. Ver­öf­fent­licht hat­te dies u.a. der aus Isra­el kom­men­de Jour­na­list Zvi­ka Klein (https://twitter.com/ZvikaKlein/status/1088727762867769344), was, von Klein dar­auf hin­ge­wie­sen, nicht nur den öster­rei­chi­schen Bot­schaf­ter in Isra­el Mar­tin Weiß zu einer Distan­zie­rung via Twit­ter ver­an­lass­te, son­dern auch die bei sol­chen Anläs­sen eher schweig­sa­me Staats­se­kre­tä­rin im Innen­mi­nis­te­ri­um Karo­li­ne Edt­stad­ler. R. soll Akti­vist in der FPÖ Neu­bau sein.

Zuvor ent­zün­de­te sich durch Pyros aus der Demons­tra­ti­on die Fah­ne der Bur­schen­schaft, eine deut­sche Fah­ne samt Bun­des­ad­ler. Die­se offen zur Schau gestell­te Affi­ni­tät zu Deutsch­land, indem das deut­schen Staats­wap­pen aus­ge­hängt wird, ist selbst für eine ger­ma­no­phi­le Bur­schen­schaft ungewöhnlich.

Wien: Grün­dung der Initia­ti­ve „Die Vielen“

Nach dem deut­schen Initia­ti­ve „Die Vie­len“, die im Som­mer 2018 in Ber­lin von Kul­tur­schaf­fen­den gegrün­det wur­de und sich auf ande­re Städ­te aus­ge­brei­tet hat, for­mier­te sich nun auch ein Able­ger in Öster­reich. „Die Vie­len“, deren Zei­chen ana­log zu den Gel­ben Wes­ten die in Apo­the­ken käuf­li­chen glit­zern­den Ret­tungs­fo­li­en sind, haben das Ziel, „jenen Men­schen soli­da­risch bei­zu­ste­hen und zu hel­fen, die durch ‚eine rechts­extre­me Poli­tik immer wei­ter an den Rand der Gesell­schaft gedrängt wer­den’, wie es etwa in der ‚Ber­li­ner Erklä­rung’ auf der Web­sei­te der Deut­schen Oper Ber­lin heißt.“ (derstandard.at, 28.1.19 )

In Öster­reich haben sich bereits 40 Kunst- und Kul­tur­schaf­fen­de ange­schlos­sen, eine Web­site ist gera­de unter dievielen.at (https://www.dievielen.at) im Ent­ste­hen. Der Initia­ti­ve ist zu wün­schen, dass es sehr vie­le mehr wer­den mögen!

Einen genaue­ren Blick auf die Besu­che­rIn­nen des dies­jäh­ri­gen Wie­ner FPÖ-Bur­schen­schaf­ter­balls wer­den wir in einem geson­der­ten Bei­trag werfen.

Das rech­te Wort der Woche

„Rich­tig ist sicher, dass man immer wie­der Anpas­sun­gen durch Geset­ze vor­neh­men muss, den­ken Sie auch an ande­re Berei­che, etwa an den Bereich der Digi­ta­li­sie­rung.“ Karo­li­ne Edt­stad­ler (ÖVP-Staats­se­kre­tä­rin, Puls 4 Pro & Con­tra am 23.1.19)

Befragt wur­de Edt­stad­ler bezüg­lich Kick­ls Angrif­fe auf die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on und sei­ne Aus­sa­ge, dass das Recht der Poli­tik zu fol­gen habe. Ob das wirk­lich mit der Digi­ta­li­sie­rung zu ver­glei­chen ist?