Die Fraktionschefin der AfD im deutschen Bundestag, Alice Weidel antwortete in klassischer AfD-Manier auf Twitter: „Muttis beste Freundin Charlotte #Knobloch hat sich wirklich entblödet, im Bayerischen Landtag eine Gedenkveranstaltung für geschmacklose Parteipolitik zu missbrauchen. Wie tief muss man sinken?“ – So tief wie Alice Weidel ist schwer möglich. Der folgende Satz von Charlotte Knobloch passt jedenfalls auch als Antwort: „Eine Partei, die sich so rechtsradikal darstellt, gehört nicht in ein gesetzgebendes Gremium.“
Oskar Deutsch, Präsident der IKG in Wien, hat dem „Kurier“ (23.1.19) ein Interview gegeben, in dem auch er zu antisemitischen und neonazistischen Vorfällen in der FPÖ Stellung nimmt:
„Die Mitglieder des Kultusrates haben erwartet, dass nach der Rede Taten folgen. Das kam dann auch, aber verkehrt. Es gab an die 50 antisemitische oder neonazistische Vorfälle, seit die FPÖ in der Regierung ist. Fast nie gab es Konsequenzen. FPÖ-Politiker wie Herr Landbauer, der ja Auslöser für die Rede von Herrn Strachewar, gehen kurz auf Tauchstation und werden nach ein paar Monaten wieder eingesetzt. Das ist alles andere als glaubwürdig. Strachehat eine Chance vertan.“
Hier die Rede von Charlotte Knobloch in der schriftlichen Fassung – wir danken der Rednerin!
Ich möchte meinen hochgeschätzten Vorrednern an dieser Stelle für ihre wichtigen und bewegenden Worte danken. Ihnen allen danke ich für Ihr Kommen und dafür, dass Sie heute mit Ihrer Anwesenheit dazu beitragen, an die Opfer der NS-Terrorherrschaft zu erinnern.
Bundespräsident Herzog und Ignaz Bubis sel. A. konnten, als sie den 27. Januar zur Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz festlegten, nicht wissen, welche Bedeutung dieser Tag weltweit bekommen hat. Diese Erinnerung wachzuhalten – das ist heute wichtiger als je zuvor.
Im Gedenken können wir heute den unzähligen Opfern von damals zumindest ihre Würde zurückgeben. Eine Würde, die die Nationalsozialisten ihnen genommen haben.
Nach 1933 richtete das NS-Regime in kürzester Zeit den gesamten Staatsapparat da- rauf aus, die Feinde der sogenannten „Volksgemeinschaft“ systematisch zu berauben, zu entrechten und, vor allem, zu demütigen. Alles sollte ihnen genommen werden: Ihr weltlicher Besitz; ihre berufliche Existenz; ihre Lebensfreude – schließlich ihr Leben selbst. Und, als endgültige Zerstörung, ihre Würde.
Dieser mörderische Bannstrahl traf nach 1933 Menschen, die bis dato geachtete Mitglieder der Gesellschaft gewesen waren. Ich habe in diesem Land als Kind alles verloren, viele meiner Liebsten, mein Zuhause, mein Vertrauen in die Welt und die Menschen.
Jüdische Menschen, aber auch andere Minderheiten wie Sinti und Roma, Zeugen Jehovas und Homosexuelle wurden über Nacht zu „Volksfeinden“ – und zu Ausgestoßenen. Wer keinen „Ariernachweis“ erbringen konnte, dessen Leben wurde mit jedem Tag schwerer, die Demütigungen wurden immer erdrückender. Vom Verbot für jüdische Menschen, auf einer öffentlichen Parkbank Platz zu nehmen, führte eine direkte Linie bis nach
Verehrte Anwesende, die Jahre zwischen 1933 und 1945 sind in unserer Erinnerung nicht ohne Grund bis heute so präsent. Sie haben einen Abgrund der Barbarei aufgerissen, der so tief, so unergründlich und so unüberwindlich ist, dass selbst wir heute Lebenden noch immer fassungslos davorstehen. Das Wort vom Zivilisationsbruch, das zur Annäherung an den Holocaust verwendet wird, verwenden wir nicht leichtfertig. Es ist passend gewählt. Von der Zivilisation nahm dieses Land nach 1933 bereitwillig Abschied. Dies gilt für Deutschland insgesamt, aber leider auch für den Freistaat Bayern.
Hier hatte bereits Anfang der Zwanzigerjahre Hitlers politische Karriere begonnen. Hier sprach er und inszenierte er sich, hier wurde er nach seinem Putschversuch viel zu milde verurteilt und viel zu zeitig entlassen. Hier sammelten sich in den späteren Jahren der Weimarer Republik rechtsnationale, völkische und antidemokratische Kräfte – bis schließlich eine kritische Masse erreicht war, der die Republik nichts mehr entgegensetzen konnte.
Auf diese Republik und ihr demokratisches Versprechen hatten seinerzeit auch die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft vertraut – darunter mein g‘ttseliger Vater, der zeit seines Lebens ein bayerischer Patriot blieb. Mit seinem ganzen Herzen hatte er sich als Teil dieser Gesellschaft gefühlt – und wurde doch im Handumdrehen von ihr verstoßen.
Am Ende waren es vor allem Glück und die Hilfe einiger weniger Menschen, die in- mitten der Barbarei die Werte der Moral nicht vergaßen, die sein – und auch mein Leben retteten.
Auf diesen Werten baute auch nach 1945 der neue, demokratische Staat auf, der Würde, Moral und Menschlichkeit zum Maßstab seines Handelns machte. Die „Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen“, die die Nationalsozialisten errichtet hatten, sollte für immer überwunden werden. Dieses klare Ziel formulierte auch die bayerische Verfassung von 1946.
Verehrte Anwesende, diese Bestrebung lässt sich bis heute in zwei Worten knapp zusammenfassen. Sie lauten: Nie wieder.
Erst vor etwas mehr als zwei Monaten haben wir zum 80. Mal des Pogroms vom 9. November 1938 gedacht. Ich sagte dort und sage auch hier: „Nie wieder“ ist und bleibt für mich das fundamentale Grundversprechen der Bundesrepublik. Auch 70 Jahre nach der Gründung unseres Staates hat es nichts von seiner Aktualität verloren.
„Nie wieder“ – das ist das Versprechen, dass der Absturz in die Barbarei sich niemals wiederholt. Es ist das Versprechen, dass die Institutionen des Staates niemals wieder „ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen“ walten können. „Nie wieder“ ist das Versprechen, dass jeder, gleich welcher Herkunft oder Religion, in unserem Lande sicher und frei leben darf. Frei von Angst – frei von Bedrohung – frei von Angriffen – frei von Beleidigung und Beschimpfung.
Leider ist dieses Versprechen noch immer nicht vollständig eingelöst. Ich selbst frage mich heute, da der Antisemitismus wieder anwächst und viele jüdische Menschen auch in Bayern sich wieder unsicher fühlen, manchmal, wie dauerhaft und nachhaltig die Fortschritte nach 1945 wirklich gewesen sind.
Der Fortbestand der Demokratie beruht auch auf dem Wissen um die schreckliche Vergangenheit. Wir müssen wissen, woran wir sind, und wohin wir gehen: Das ist heute, an der Schwelle zu einer „Zeit ohne Zeitzeugen“ und angesichts neuer Bedrohungen, wichtiger denn je. Es ist unser aller Verantwortung, dass das Unvorstellbare sich nicht wiederholt. Ich denke hier auch besonders an die jüngeren Generationen, mit denen ich bei Gesprächen in Schulen häufig zu tun habe. Ich erlebe dort Offenheit, Neugier und ehrliches Interesse – und das macht Hoffnung.
Diese Hoffnung müssen wir weitertragen. Es ist an uns, unsere freiheitliche Demokratie und die Gedenkkultur, auf der sie fußt, zu beschützen.
Wie groß diese Aufgabe ist, sehen wir beim Blick in den Bundestag und in unsere Landesparlamente. Dort – und hier – ist heute überall eine Partei vertreten, die diese Werte verächtlich macht, die die Verbrechen der NS-Zeit verharmlost und enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu unterhält. Diese sogenannte Alternative für Deutschland gründet ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung und steht – nicht nur für mich – nicht auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung.
Daher appelliere ich heute an Sie: Kehren Sie zurück zu dem Eid, den Sie auf unser Land geschworen haben, zu einer freiheitlichen Demokratie. Lassen Sie uns dem Hass entgegentreten.
Verehrte Anwesende, lassen Sie uns nicht tatenlos danebenstehen, wenn Ausgrenzung und Intoleranz um sich greifen. Und: Lassen Sie uns eintreten für Freiheit und Demokratie. Das sind wir denen schuldig, derer wir heute gedenken.
Ich möchte den jungen Menschen hier im Hause und in unserem Lande zurufen: Lasst Euch von niemandem in Eurem künftigen Leben einreden, wen Ihr zu lieben oder zu hassen habt.
Ich habe meinen Glauben an unser Land, an die Heimat, die ich wiedergefunden habe, nicht verloren.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.