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Der „Staatenbund“ am Ende?

Geht alles nach Plan, dann wer­den am Mitt­woch, 19.12., in Graz die Urtei­le über die 14 Staa­ten­bünd­ler gespro­chen, gegen die seit Mit­te Okto­ber vor Geschwo­re­nen am Gra­zer Lan­des­ge­richt ver­han­delt wird – unter ande­rem wegen ver­such­ten Hoch­ver­rats. Das media­le öffent­li­che Inter­es­se ist nach dem ers­ten Ver­hand­lungs­tag fast voll­stän­dig ver­flo­gen – nur die „Klei­ne Zei­tung“ berich­te­te regelmäßig. […]

18. Dez 2018
Authentitätskarte Staatenbund (Screenshot von der Website des Staatenbundes)
Authentitätskarte Staatenbund (Screenshot von der Website des Staatenbundes)

Die Ankla­ge­punk­te haben es in sich. Neben dem (ver­such­ten) Hoch­ver­rat (§ 242 StGB), der mit einer Straf­an­dro­hung von min­des­tens zehn bis 20 Jah­ren bewehrt ist, zählt die Ankla­ge auf: Nöti­gung – der Regie­rung (§ 250 StGB), von Mit­glie­dern eines ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ver­tre­tungs­kör­pers (§ 251 StGB) –, schwe­rer Betrug und – das ist eher über­ra­schend – die Bil­dung einer staats­feind­li­chen Ver­bin­dung (§ 246 StGB). Schließ­lich ist im Som­mer 2017 vom Natio­nal­rat ein eige­ner, für die Staa­ten­bünd­ler maß­ge­schnei­der­ter Para­graf („Staats­feind­li­che Bewe­gun­gen“ – § 247a StGB) beschlos­sen wor­den. Der konn­te aller­dings nicht ange­wen­det wer­den, weil die wich­tigs­ten Staa­ten­bünd­ler zu die­sem Zeit­punkt schon hin­ter Schloss und Rie­gel waren.

Am 20. April 2017 sind Jus­tiz und Exe­ku­ti­ve näm­lich mit einer Groß­raz­zia und Fest­nah­men von 27 Per­so­nen gegen den „Staa­ten­bund Öster­reich“ vor­ge­gan­gen, einen Tag, bevor die Staa­ten­bünd­ler durch Beschlag­nah­me von Gerichts­sä­len in Graz „Gericht“ gegen Ver­tre­ter der Repu­blik Öster­reich (Rich­ter, Poli­zis­ten, Gerichts­voll­zie­her usw.) hal­ten woll­ten. Vor dem Lan­des­ge­richt müs­sen sich jetzt 14 Per­so­nen ver­ant­wor­ten, aller­dings nicht alle wegen des schärfs­ten Delikts: ver­such­ter Hoch­ver­rat. Den wirft die Ankla­ge nur jenen Per­so­nen vor, die einen Auf­ruf an die mili­tä­ri­sche Füh­rung des Bun­des­hee­res unter­schrie­ben haben, in dem von die­sem die Bil­dung einer mili­tä­ri­schen Über­gangs­re­gie­rung und die Ver­haf­tung der wich­tigs­ten Reprä­sen­tan­ten die­ser Repu­blik gefor­dert wur­de. Der frü­he­re Gene­rals­stabs­chef, Oth­mar Com­men­da, wur­de dazu auch als Zeu­ge befragt. Als ihn der Staats­an­walt befrag­te, ob er aus­schlie­ßen kön­ne, dass sich im Bun­des­heer ein­zel­ne Per­so­nen dem Staa­ten­bund anschlie­ßen wür­den, räumt Com­men­da ein „Nein, über­haupt nicht!“ (Klei­ne Zei­tung, 16.11.2018). Schon vor­her sei ein Hee­res­arzt von einem Aus­lands­ein­satz nach Hau­se geschickt und ent­las­sen wor­den, als bekannt wur­de, dass er den „Free­men“ nahe­ste­he. Nach den Ermitt­lun­gen des Hee­res­ab­wehr­am­tes zum „Staa­ten­bund“ sei ein Sol­dat aus­ge­forscht und ent­las­sen wor­den, so Com­men­da. Uns wür­de da zumin­dest noch jemand aus der Minis­te­ri­al­bü­ro­kra­tie einfallen …

Ein Major des Bun­des­hee­res berich­tet im Zeu­gen­stand von den mehr­ma­li­gen Besu­chen durch Moni­ka U., der „Prä­si­den­tin“ des Staa­ten­bun­des, die über ihn sowie ande­re Offi­zie­re mit über 100 Haft­be­feh­len gegen Reprä­sen­tan­ten der Repu­blik vor­ge­hen wollte.

Aus den Ver­neh­mun­gen der Ange­klag­ten sowie den Zeu­gen­be­fra­gun­gen, die mitt­ler­wei­le abge­schlos­sen sind, ging rela­tiv deut­lich her­vor, dass der „Staa­ten­bund Öster­reich“, der am 28. Okto­ber von Moni­ka U., der „Prä­si­den­tin“ und frü­he­ren FPÖ-Funk­tio­nä­rin, aus­ge­ru­fen wur­de, schon bald end­gül­tig Geschich­te sein dürf­te. Der Prä­si­dent vom „Staat Nie­der­ös­ter­reich“ ging bei sei­ner Ein­ver­nah­me auf Distanz zu sei­ner Staats­chefin, kri­ti­sier­te ihre „Dik­ta­tur“ im Staa­ten­bund und erzähl­te davon, dass sie man­che Ent­schei­dun­gen durch „Aus­pen­deln“ mit ihrer Hals­ket­te getrof­fen habe. Den Staats­chef des Staa­tes Ober­ös­ter­reich plag­ten bei kri­ti­schen Fra­gen hin­ge­gen aku­te Erinnerungslücken.

Authentitätskarte Staatenbund (Screenshot von der Website des Staatenbundes)
Authen­ti­täts­kar­te Staa­ten­bund (Screen­shot von der Web­site des Staatenbundes)

Obwohl das Logo des Staa­ten­bun­des von Her­zerl domi­niert ist, die so rosa sind wie der Pull­over, den die Prä­si­den­tin wäh­rend des Pro­zes­ses trug, war die Stim­mung im Staa­ten­bund wenig von Herz­lich­keit geprägt.

Krise im Staatenbund (Screenshot Email)
Kri­se im Staatenbund

Der Staats­an­walt berich­te­te genüss­lich von einem abge­hör­ten Gespräch, in dem Prä­si­den­tin Moni­ka und ihr Vize hef­tig über die Num­mer Drei im Staa­ten­bund, eine Stei­re­rin, her­zo­gen. Über­haupt: der Vize! Der ehe­ma­li­ge Poli­zist, der sei­nen Dienst bei der Repu­blik quit­tiert hat­te, weil er sich mit deren Rechts­ord­nung nicht mehr iden­ti­fi­zie­ren, aber trotz­dem sein Gehalt wei­ter­be­zahlt haben woll­te, ver­such­te sich in sei­ner Ein­ver­nah­me auch etwas klei­ner zu machen als das sei­nem Rang im Staa­ten­bund entsprach.

Eini­ge der ein­ver­nom­me­nen Per­so­nen wun­dern sich selbst über ihre Leicht­gläu­big­keit, über die „irre Welt“, in der sie sich da wie in einem Par­al­lel­uni­ver­sum bewegt, die Anord­nun­gen ihrer Prä­si­den­tin befolgt, ihre Erklä­run­gen geglaubt hat­ten. Mit einem kos­ten­pflich­ti­gen Ein­trag in ein Land­buch (100 Euro) woll­te man etwa sicher­stel­len, dass Grund und Boden durch die Repu­blik Öster­reich (die für die Staa­ten­bünd­ler ohne­hin nur eine Fir­ma war, mit der man kei­ne Geschäfts­ver­bin­dun­gen pfle­ge) nicht exe­ku­tiert wer­den konn­ten. In der rau­en Wirk­lich­keit hal­fen die­se Ein­trä­ge natür­lich nichts – der Prä­si­den­tin ver­hal­fen die Ein­nah­men aber zu einem beacht­li­chen Kör­berl­geld und in der Ankla­ge dadurch zum Vor­wurf des schwe­ren Betrugs.

Kann man den Staa­ten­bund als die unpo­li­ti­sche und wir­re Hirn­ge­burt eini­ger „bio­gra­fisch unglück­li­cher Men­schen“ abtun? Sicher nicht, auch wenn die poli­ti­schen Neben- und Hin­ter­grund­ge­räu­sche im Pro­zess kaum eine Rol­le spiel­ten. Das beginnt schon damit, dass Moni­ka U. ihre Legi­ti­ma­ti­on als „ein­zig Bestall­te“ aus einer Semi­nar­be­stä­ti­gung bezieht, die sie von einer Zen­tral­fi­gur der deut­schen Reichs­bür­ger­be­we­gung, Dag­mar Tietsch, erhal­ten hat­te. Die poli­ti­sche Ver­gan­gen­heit von Moni­ka in der FPÖ Bad Blu­mau ist das eine, das ande­re sind Inter­views, die ein – mitt­ler­wei­le abge­fal­le­ner – Staa­ten­bünd­ler wie Franz Leo­pold H. sehr freund­schaft­lich und auf Du mit Nor­bert Hofer bzw. Robert Lugar geführt hat und poli­ti­sche Nähe suggerieren.

Interview mit Staatenbundler Franz Leopold H. und Norbert Hofer und Robert Lugar
Inter­view mit Staa­ten­bund­ler Franz Leo­pold H. und Nor­bert Hofer und Robert Lugar

Obwohl die Staa­ten­bünd­ler – anders als die deut­schen „Reichs­bür­ger“ und deren Able­ger – offe­ne rechts­extre­me Agi­ta­ti­on weit­ge­hend ver­mie­den haben, durch­zieht ihre Schrif­ten und sons­ti­gen Aus­las­sun­gen der übli­che Mix aus Ver­schwö­rungs­theo­rien, Anti­se­mi­tis­mus und revi­sio­nis­ti­scher Geschichts­auf­fas­sung.

Revisionismus im Staatenbund Österreich
Revi­sio­nis­mus im Staa­ten­bund Österreich

Der deut­sche Reichs­bür­ger und Poli­zis­ten­mör­der Wolf­gang P. stand nach­weis­lich mit dem „Staa­ten­bund“ in Öster­reich in Ver­bin­dung. Auf der Web­sei­te „Öster­reich-Rund­schau“ (Ver­laut­ba­rungs­or­gan des Staa­ten­bun­des) wur­de sogar behaup­tet, dass der Poli­zist nicht erschos­sen wur­de, son­dern es sich dabei um eine „geziel­te Fehl­in­for­ma­ti­on“ gegen die Reichs­bür­ger­be­we­gung handle.

Wenn Moni­ka ihren Fans ver­sprach, dass sie durch Ein­tra­gun­gen in das „Land­buch“ vor Exe­ku­tio­nen geschützt sei­en und der Papst für die Auto­re­pa­ra­tu­ren von Staa­ten­bünd­lern auf­kom­men wür­de („heu­te“, 17.10.2018), dann ist das gar nicht weit ent­fernt vom Ver­spre­chen eines Donald Trump, eine gro­ße Mau­er an der mexi­ka­ni­schen Gren­ze errich­ten zu wol­len, für die Mexi­ko zah­len müs­se. Anders als bei Trump ver­trau­ten Moni­ka nicht Mil­lio­nen, aber unter den mehr als 2.000 Sym­pa­thi­san­tIn­nen des Staa­ten­bun­des gab es doch auch etli­che, die nicht nur den poli­ti­schen Dünn­pfiff auf­so­gen wie einen Schwamm, son­dern den Ver­spre­chun­gen von Immu­ni­tät und Sou­ve­rä­ni­tät so blind ver­trau­ten, dass sie dabei tat­säch­lich ihre mate­ri­el­le Exis­tenz ris­kier­ten und ruinierten.

Ares Ra und die Rothschilds
Ares Ra und die Rothschilds

Mit den (vor­aus­sicht­li­chen) Urtei­len am 19.12. wird ver­mut­lich auch der „Staa­ten­bund Öster­reich“ sei­ne Exis­tenz aus­ge­haucht haben. Nichts berech­tigt aller­dings zu der Annah­me, dass damit die letz­te irre Krea­ti­on von Rechts­extre­men, Anti­se­mi­ten und Ver­schwö­rungs­an­hän­ge­rIn­nen ver­schwun­den ist.

Update (19.12.18): Es kam doch zu kei­nem Urteil, der Pro­zess wird im Jän­ner fort­ge­setzt. „Der Stan­dard“ berich­tet über den Pro­zess­tag, mit inter­es­san­ten (oder amü­san­ten?) Details.

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