Die Anklagepunkte haben es in sich. Neben dem (versuchten) Hochverrat (§ 242 StGB), der mit einer Strafandrohung von mindestens zehn bis 20 Jahren bewehrt ist, zählt die Anklage auf: Nötigung – der Regierung (§ 250 StGB), von Mitgliedern eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers (§ 251 StGB) –, schwerer Betrug und – das ist eher überraschend – die Bildung einer staatsfeindlichen Verbindung (§ 246 StGB). Schließlich ist im Sommer 2017 vom Nationalrat ein eigener, für die Staatenbündler maßgeschneiderter Paragraf („Staatsfeindliche Bewegungen“ – § 247a StGB) beschlossen worden. Der konnte allerdings nicht angewendet werden, weil die wichtigsten Staatenbündler zu diesem Zeitpunkt schon hinter Schloss und Riegel waren.
Am 20. April 2017 sind Justiz und Exekutive nämlich mit einer Großrazzia und Festnahmen von 27 Personen gegen den „Staatenbund Österreich“ vorgegangen, einen Tag, bevor die Staatenbündler durch Beschlagnahme von Gerichtssälen in Graz „Gericht“ gegen Vertreter der Republik Österreich (Richter, Polizisten, Gerichtsvollzieher usw.) halten wollten. Vor dem Landesgericht müssen sich jetzt 14 Personen verantworten, allerdings nicht alle wegen des schärfsten Delikts: versuchter Hochverrat. Den wirft die Anklage nur jenen Personen vor, die einen Aufruf an die militärische Führung des Bundesheeres unterschrieben haben, in dem von diesem die Bildung einer militärischen Übergangsregierung und die Verhaftung der wichtigsten Repräsentanten dieser Republik gefordert wurde. Der frühere Generalsstabschef, Othmar Commenda, wurde dazu auch als Zeuge befragt. Als ihn der Staatsanwalt befragte, ob er ausschließen könne, dass sich im Bundesheer einzelne Personen dem Staatenbund anschließen würden, räumt Commenda ein „Nein, überhaupt nicht!“ (Kleine Zeitung, 16.11.2018). Schon vorher sei ein Heeresarzt von einem Auslandseinsatz nach Hause geschickt und entlassen worden, als bekannt wurde, dass er den „Freemen“ nahestehe. Nach den Ermittlungen des Heeresabwehramtes zum „Staatenbund“ sei ein Soldat ausgeforscht und entlassen worden, so Commenda. Uns würde da zumindest noch jemand aus der Ministerialbürokratie einfallen …
Ein Major des Bundesheeres berichtet im Zeugenstand von den mehrmaligen Besuchen durch Monika U., der „Präsidentin“ des Staatenbundes, die über ihn sowie andere Offiziere mit über 100 Haftbefehlen gegen Repräsentanten der Republik vorgehen wollte.
Aus den Vernehmungen der Angeklagten sowie den Zeugenbefragungen, die mittlerweile abgeschlossen sind, ging relativ deutlich hervor, dass der „Staatenbund Österreich“, der am 28. Oktober von Monika U., der „Präsidentin“ und früheren FPÖ-Funktionärin, ausgerufen wurde, schon bald endgültig Geschichte sein dürfte. Der Präsident vom „Staat Niederösterreich“ ging bei seiner Einvernahme auf Distanz zu seiner Staatschefin, kritisierte ihre „Diktatur“ im Staatenbund und erzählte davon, dass sie manche Entscheidungen durch „Auspendeln“ mit ihrer Halskette getroffen habe. Den Staatschef des Staates Oberösterreich plagten bei kritischen Fragen hingegen akute Erinnerungslücken.
Obwohl das Logo des Staatenbundes von Herzerl dominiert ist, die so rosa sind wie der Pullover, den die Präsidentin während des Prozesses trug, war die Stimmung im Staatenbund wenig von Herzlichkeit geprägt.
Der Staatsanwalt berichtete genüsslich von einem abgehörten Gespräch, in dem Präsidentin Monika und ihr Vize heftig über die Nummer Drei im Staatenbund, eine Steirerin, herzogen. Überhaupt: der Vize! Der ehemalige Polizist, der seinen Dienst bei der Republik quittiert hatte, weil er sich mit deren Rechtsordnung nicht mehr identifizieren, aber trotzdem sein Gehalt weiterbezahlt haben wollte, versuchte sich in seiner Einvernahme auch etwas kleiner zu machen als das seinem Rang im Staatenbund entsprach.
Einige der einvernommenen Personen wundern sich selbst über ihre Leichtgläubigkeit, über die „irre Welt“, in der sie sich da wie in einem Paralleluniversum bewegt, die Anordnungen ihrer Präsidentin befolgt, ihre Erklärungen geglaubt hatten. Mit einem kostenpflichtigen Eintrag in ein Landbuch (100 Euro) wollte man etwa sicherstellen, dass Grund und Boden durch die Republik Österreich (die für die Staatenbündler ohnehin nur eine Firma war, mit der man keine Geschäftsverbindungen pflege) nicht exekutiert werden konnten. In der rauen Wirklichkeit halfen diese Einträge natürlich nichts – der Präsidentin verhalfen die Einnahmen aber zu einem beachtlichen Körberlgeld und in der Anklage dadurch zum Vorwurf des schweren Betrugs.
Kann man den Staatenbund als die unpolitische und wirre Hirngeburt einiger „biografisch unglücklicher Menschen“ abtun? Sicher nicht, auch wenn die politischen Neben- und Hintergrundgeräusche im Prozess kaum eine Rolle spielten. Das beginnt schon damit, dass Monika U. ihre Legitimation als „einzig Bestallte“ aus einer Seminarbestätigung bezieht, die sie von einer Zentralfigur der deutschen Reichsbürgerbewegung, Dagmar Tietsch, erhalten hatte. Die politische Vergangenheit von Monika in der FPÖ Bad Blumau ist das eine, das andere sind Interviews, die ein – mittlerweile abgefallener – Staatenbündler wie Franz Leopold H. sehr freundschaftlich und auf Du mit Norbert Hofer bzw. Robert Lugar geführt hat und politische Nähe suggerieren.
Obwohl die Staatenbündler – anders als die deutschen „Reichsbürger“ und deren Ableger – offene rechtsextreme Agitation weitgehend vermieden haben, durchzieht ihre Schriften und sonstigen Auslassungen der übliche Mix aus Verschwörungstheorien, Antisemitismus und revisionistischer Geschichtsauffassung.
Der deutsche Reichsbürger und Polizistenmörder Wolfgang P. stand nachweislich mit dem „Staatenbund“ in Österreich in Verbindung. Auf der Webseite „Österreich-Rundschau“ (Verlautbarungsorgan des Staatenbundes) wurde sogar behauptet, dass der Polizist nicht erschossen wurde, sondern es sich dabei um eine „gezielte Fehlinformation“ gegen die Reichsbürgerbewegung handle.
Wenn Monika ihren Fans versprach, dass sie durch Eintragungen in das „Landbuch“ vor Exekutionen geschützt seien und der Papst für die Autoreparaturen von Staatenbündlern aufkommen würde („heute“, 17.10.2018), dann ist das gar nicht weit entfernt vom Versprechen eines Donald Trump, eine große Mauer an der mexikanischen Grenze errichten zu wollen, für die Mexiko zahlen müsse. Anders als bei Trump vertrauten Monika nicht Millionen, aber unter den mehr als 2.000 SympathisantInnen des Staatenbundes gab es doch auch etliche, die nicht nur den politischen Dünnpfiff aufsogen wie einen Schwamm, sondern den Versprechungen von Immunität und Souveränität so blind vertrauten, dass sie dabei tatsächlich ihre materielle Existenz riskierten und ruinierten.
Mit den (voraussichtlichen) Urteilen am 19.12. wird vermutlich auch der „Staatenbund Österreich“ seine Existenz ausgehaucht haben. Nichts berechtigt allerdings zu der Annahme, dass damit die letzte irre Kreation von Rechtsextremen, Antisemiten und VerschwörungsanhängerInnen verschwunden ist.
Update (19.12.18): Es kam doch zu keinem Urteil, der Prozess wird im Jänner fortgesetzt. „Der Standard“ berichtet über den Prozesstag, mit interessanten (oder amüsanten?) Details.