Rund um dieses Bild von steigenden und sich wechselseitig bedingenden Gefahren und Gefährdungen muss natürlich als Subtext auch noch die Erzählung eingewoben werden, dass der Verfassungsschutz und die Exekutive zwar ächzen unter den steigenden Gefahren und damit auch Belastungen, aber natürlich alles unter Kontrolle haben.
[visualizer id=„11146”]Das Kapitel Rechtsextremismus selbst wird immer formelhafter, erschöpft sich weitgehend in dem Versuch, eine Definition des Rechtsextremismus zu liefern. Dann kommen noch einige statistische Angaben zum Anstieg bei rechtsextremen Anzeigen (von 1.691 im Jahr 2015 auf 1.867 im Jahr 2016) und Tathandlungen (von 1.156 auf 1.313) und der wenig überraschende Hinweis, dass die Flüchtlingsbewegung dem Rechtsextremismus Auftrieb verschafft habe.
„Antisemitismus, Islam- und Asylfeindlichkeit werden auch in bisher nicht ideologisierten Personenkreisen rechtsextremistisch aufbereitet und verbreitet“ (p.13), heißt es so richtig wie lapidar. Aber wie funktioniert das? Keine Präzisierung, keine Detaillierung. Kein Hinweis darauf, dass sich der Rechtsextremismus in Österreich durch die Bank in eine prorussische politische Achse, die von der FPÖ bis hin zu den Identitären reicht, hat einbinden lassen. Über die „alternativen“ Medien, die in dieser Achse ihre „alternativen“ Fakten durch- und weiterreichen, die weitgehend anonym und ohne ihre Geldgeber zu nennen, wie die Giftpilze aus dem braunen Boden geschlossen sind, verliert der Verfassungsschutzbericht kein Wort.
Stattdessen wird mit ziemlich problematischen Zahlen ein gewaltiger Anstieg von rund 100 Prozent bei linksextremen Tathandlungen (383 im Jahr 2016) herbeifabuliert, um so den – was die Gefährdungen betrifft – schwachbrüstigen Linksextremismus aufzupäppeln und im Sinn der Erzählung vom gegenseitigen Aufschaukeln glaubhafter zu machen.
Um hier nur zwei Beispiele herauszugreifen: aus dem Präsidentschaftswahlkampf sind etliche, ziemlich heftige Versuche bekannt, den Kandidaten Van der Bellen durch Gerüchte über Krebs, Demenz, NS-Vergangenheit und Freimaurertum in der Gegenwart anzupatzen. Das alles könnte und sollte eigentlich unter dem Verdacht der Verbreitung falscher Nachrichten bei einer Wahl (§ 264 StGB) angezeigt worden sein. Wurde offensichtlich aber nicht – oder dem Linksextremismus zugeordnet? Unter Anzeigen gegen Linksextreme finden sich nämlich 16 (!) nach § 264 StGB, während bei den Rechtsextremen keine einzige (!) angeführt ist.
Das zweite Beispiel ist ebenso grotesk. Geht’s nach dem Verfassungsschutzbericht, war 2016 ausgerechnet die Steiermark der Hort linksextremer Aktivitäten. „102 Tathandlungen (26.6 Prozent aller linksextrem motivierten Tathandlungen) und 109 Anzeigen (23,5 Prozent aller Anzeigen) entfielen auf die Steiermark“, vermerkt der Bericht ohne den Anflug eines sinnstiftenden Gedankens dazu. Zur Erinnerung: in der Steiermark fanden 2016 einige Aktionen der rechtsextremen Identitären und des Neonazi-Völkchens von der Partei des Volkes statt. Die Wirklichkeit findet jenseits des Verfassungsschutzberichtes statt.
Hier gibts Teil 1 der Serie: Verfassungsschutzbericht 2016: Sobotkas Schönfärberei (I)
Und hier den Bericht zum Runterladen: Link zum VSB 2016 (BMI)