Am 12.3.2010 fand in der Lounge des Pour Platin ein Red Room Clubbing der Burschenschaft Silesia statt. Schon die Einladung gibt einiges her: ein junger Burschenschafter, umringt von zwei sich ihm hinräkelnden Schönheiten, zwei tätowierte Security-Bröckerl wachen finster über das Geschehen. Der umgarnte Jungburschenschafter ist der Sohn eines damaligen Verfassungsschützers.
Beim Clubbing selbst dann die schon ausreichend beschriebene Schlägerei und danach noch die Herbeiholung von Gottfried Küssel durch Elisabeth K., damals Sekretärin im FPÖ-Klub bzw. bei Strache. Über die pikanten Details, die ausreichend dargestellt wurden, hinausgehend fällt dabei auf:
- Einzelne Burschenschafter haben offensichtlich intensive Kontakte in die Rotlicht-Szene (und damit sind nicht Bordell-Besuche gemeint)
- Zwischen einzelnen Burschenschaftern und deren Angehörigen gibt es offensichtlich beste Kontakte zur Neonazi-Szene
- Der Sohn eines Verfassungsschützers bewegt sich da mittendrin
Für uns waren der zweite und dritte Punkt so wesentlich, dass wir ihn indirekt in eine umfangreiche parlamentarische Anfrage packten. Das Resultat: die Versetzung des Verfassungsschützers und die Behauptung der Innenministerin, der Tätigkeitsbereich des Verfassungsschützers habe nichts mit dem Rechtsextremismus zu tun gehabt. Nun wäre es vermutlich zu viel verlangt, eine Aufarbeitung dieses Kapitels im Bericht zu verlangen. Was aber ist mit den Beziehungen von Burschenschaftern zur Neonazis-Szene? Was mit den Beziehungen zum Rotlicht-Bereich? Warum wird im Bericht nicht explizit darauf Bezug genommen, dass in Graz Anfang 2010 bei einer schweren Attacke auf Feiernde RFJ-Funktionäre beteiligt waren? Weil nichts über den RFJ im Zusammenhang mit Rechtsextremismus geschrieben werden darf? Weil der RFJ sonst keine Bundes- oder Landesförderungen erhalten würde?
Gerne hätten wir etwas mehr erfahren über die rechtsextremen Szenen innerhalb der Fanclubs von Fußball und Eishockey, denn einzelne Vorfälle deuten doch darauf hin, dass allein mit polizeilichen Mitteln („weitgehend erfolgreich“) den Neonazis in diesen Szenen nicht beizukommen ist. Völlig ausgespart bleibt im Bericht die Nazi-Musik-Szene, obwohl sich quer über die Genres hier auch in Österreich einiges tut und das auch im „Berichtsjahr“. Auch über „Objekt 21“, den Versuch von Neonazis, sich am Land in Oberösterreich im Jahr 2010 eine Szene zu schaffen, getarnt als Kulturverein, findet sich nichts im Bericht.
Über die Aktivitäten von Neonazis in Internet und sozialen Netzwerken liest man nur eine faktische Kapitulationserklärung: „Die Sicherheitsbehörden sind zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass durch die unüberschaubare Menge offen zugänglicher einschlägiger Inhalte eine intensive und laufende Kontrolle von Internetaktivitäten de facto nicht möglich ist.“ Und an anderer Stelle: „In welchem Ausmaß Rekrutierungen via Internet erfolgreich sind, kann nicht beurteilt werden.“
Bevor man – angesichts knapper Ressourcen und falscher Prioritäten – dafür so etwas wie Verständnis aufbringt, sei hier der Verweis auf das Gutachten von Univ. Prof. Dr. Janko zum NVP-Verbot gestattet. Auch die „Beobachtung“ der AfP-Akademie in Offenhausen oder des Jobbik-Aufmarsches in Oberwart waren 2010 nicht gerade Ruhmesblätter für den Verfassungsschutz. Wenn aber der Verfassungsschutz selbst im ganz traditionellen Bereich der Observation von rechtsextremistischen Organisationen „nur wenig brauchbare Informationen“ liefern kann, was macht er dann eigentlich?
➡️ Verfassungsschutzbericht (Teil 1): Die offenen Widersprüche
➡️ Verfassungsschutzbericht (Teil 3): Ein bemerkenswerter Vorfall
➡️ Verfassungsschutzbericht (Teil 4): Die Statistik und ihre Probleme